Der Kniefall ist das Zeichen der Stunde. Weltweit symbolisieren Menschen so ihren Protest gegen Rassismus. Den Ursprung findet die "Take a Knee"-Bewegung bei einem Sportler, der seine Karriere für seine Überzeugung opferte.

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8 Minuten und 46 Sekunden lang drückte ein Polizist sein Knie in den Nacken von George Floyd. Alle Bitten des Afroamerikaners und umstehender Passanten, ihn atmen zu lassen, ignorierte der Beamte. Floyd starb.

Todesursache war, wie es im offiziellen Autopsiebericht wenige Tage später hieß, ein Herz-Kreislauf-Stillstand infolge von "Druck auf den Nacken". Es ist ein erneuter Fall von Polizeigewalt in den USA. Doch diesmal ist alles anders. Der Tod des Afroamerikaners löst Wut, Entsetzen und Empörung auf der ganzen Welt aus.

Menschen gehen auf die Straße. Sie protestieren gegen Rassismus. Gegen Polizeigewalt. Gegen das amerikanische System und die Regierung. Und das nicht immer friedlich.

Doch jenseits der Gewalt gehen Bilder von niederknienden Demonstranten um die Welt. Von Polizisten, die es ihnen gleichtun. Von Politikern, wie etwa dem designierten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Joe Biden. Von Sportlern, die ihre Anteilnahme zum Ausdruck bringen, so auch in der Fußball-Bundesliga.

Woher kommt der Kniefall?

Doch woher stammt das Zeichen der Stunde? Wieso gehen Menschen weltweit auf die Knie? Die Antwort liegt bereits vier Jahre zurück. Nach Todesfällen von schwarzen Amerikanern durch Polizeigewalt entschied sich der Footballspieler Colin Kaepernick 2016 dazu, bei der Nationalhymne, die vor jedem Spiel gesungen wird, auf die Knie zu gehen, statt aufzustehen.

"Ich weiß, dass meine Aktion Konsequenzen haben wird. Viele Menschen wollen diese Debatte nicht führen, weil sie Angst haben, ihren Job oder ihre Sponsoren zu verlieren oder davor, plötzlich anders behandelt zu werden", sagte Kaepernick danach.

Er wolle aber darauf aufmerksam machen, was in Amerika geschehe: "Menschen werden ermordet und niemand wird zur Rechenschaft gezogen. Ich kann nicht in den Spiegel schauen und zusehen, wie Menschen sterben, die die gleichen Chancen wie ich verdient hätten."

Zahlreiche NFL-Spieler folgten der "Take a Knee"-Bewegung, doch sie blieben ungestraft - im Gegensatz zu Kaepernick. Ihn kostete der Kniefall seine Karriere.

Kaepernick: Held oder Vaterlandsverrräter?

Kaepernik war 2011 in die National Football League (NFL) gekommen, in die beste Football-Liga der Welt. Nach der Saison 2016/17 stieg er aus seinem Vertrag bei den San Francisco 49ers aus. Bis heute nahm kein Team den Quarterback wieder unter Vertrag. Das hat keine sportlichen Gründe. An Kaepernicks Qualitäten zweifelte während seiner aktiven Zeit niemand.

Den Teams ist schlicht das ökonomische Risiko, den polarisierenden Quarterback zu verpflichten, zu groß. Im Milliarden-Geschäft Football, das von Sponsoren und Werbeverträgen bestimmt wird, könnte die Person Kaepernick erheblichen Schaden anrichten, befürchten die Teams, heißt es. Offiziell bestätigt wurde dies nie. Kaepernick selbst ist davon aber überzeugt. Denn während der 32-Jährige für die einen ein Held ist, halten ihn die anderen für einen Vaterlandsverräter.

Sein Protest löste eine politische Krise aus, in die sich damals auch US-Präsident Donald Trump einschaltete: "Wäre es nicht toll, wenn die NFL-Besitzer zu denen, die unserer Flagge keinen Respekt zollen, sagen: 'Runter vom Feld mit dem Hurensohn! Sofort. Raus. Er ist gefeuert!'"

Donald Trump gegen alle

Kaepernick wurde über die Jahre zu einer Art Erzfeind für Trump. Erst kürzlich versuchte er erneut einen Keil zwischen die Liga und die protestierenden Spieler zu treiben.

"Könnte es auch nur im Entferntesten möglich sein, dass Roger Goodell (Commissioner der NFL; Anm.d.Red.) in seiner ziemlich interessanten Erklärung von Frieden und Versöhnung angedeutet hat, dass es jetzt okay für die Spieler ist, bei der Nationalhymne zu knien oder nicht zu stehen und damit respektlos gegenüber unserem Land und unserer Flagge zu sein?", schrieb Trump auf Twitter.

Prominente Spieler, darunter Super-Bowl-Gewinner Patrick Mahomes, hatten die NFL zuvor - nach dem Tod von George Floyd - dazu aufgefordert, Stellung zu beziehen, Rassismus zu verurteilen und die Proteste zu unterstützen. Dem kam die Liga nach - und gab in Person von NFL-Boss Goodell erstmals Fehler zu.

Es ist davon auszugehen, dass die Profis auch in der kommenden Saison protestieren werden. Dass sie während der Nationalhymne auf die Knie gehen. Und damit für das einstehen, was Kaepernick, der als Adoptivkind von weißen Eltern aufwuchs, seit Jahren verkörpert.

Verwendete Quellen:

  • arte.tv: "Ein amerikanischer Held"
  • faz.net: "Niederknien, um aufzustehen"
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