Für die deutschen Handballer endete das mühsame Olympia-Qualiturnier mit einem Happy End. Klar ist: Für die Entwicklung der jungen Mannschaft ist Paris immens wichtig. Wichtig ist aber auch, dass Probleme analysiert und die richtigen Schlüsse gezogen werden.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Gesichtszüge von Alfred Gislason hatten sich merklich entspannt. Der Bundestrainer genoss die Standing Ovations, den ausgelassenen Jubel, tanzende Nationalspieler und die ganze Erleichterung rund um die gelungene Olympia-Qualifikation der deutschen Handballer. Auch wenn das Ticket am Ende zwar verdient, aber nicht ohne Hindernisse, Nebengeräusche und Diskussionen gelöst wurde.

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Der Isländer atmete tief durch, denn durch das 34:31 im abschließenden Spiel gegen Österreich ist nun auch seine eigene Zukunft geklärt: Gislason wird das DHB-Team bis einschließlich der Heim-WM 2027 betreuen – die Olympia-Quali war als Klausel die Bedingung dafür. Sonst wäre seine Amtszeit in Hannover zu Ende gegangen.

Gislason hatten die Dauerdebatten um seine Person und seine offene Zukunft sichtlich genervt, denn sie ebbten die ganze Zeit über nicht ab, überfrachteten Team und Turnier. Einen Seitenhieb konnte er sich in der Nachbetrachtung deshalb nicht verkneifen. "Ich war nicht gekränkt. Ich war eher genervt über dieses ganze Gerede. Ich habe gehofft, dass es um die Mannschaft und deren Leistung geht", sagte Gislason in der ARD.

Es ging aber um die Klausel, mit der er ausdrücklich "kein Problem" hatte. "Ich habe mich aber nicht gefreut, dass es direkt in der Presse stand", sagte Gislason. Kommuniziert wurde sie vom Verband. Dass die Klausel direkt rausgekommen sei, "war schon ein bisschen unglücklich", ergänzte der 64-Jährige, der zudem betonte: "Wenn es anders gelaufen wäre, hätte ich eben eine andere Mannschaft betreut. So einfach ist das im Leben." Er wollte aber "Loyalität zur Mannschaft" zeigen: "Und ich glaube, sie hat auch Loyalität zu mir gezeigt."

Hellwaches DHB-Team im Spiel gegen Österreich

Das trifft es. Die Personalie Gislason hatte wie erwartet die Tonalität rund um die Spiele gegen Algerien (41:29), Kroatien (30:33) und Österreich bestimmt. Unruhe machte sich breit, und sie schien sich auch auf die Mannschaft zu übertragen, die sowohl beim Pflichtsieg gegen Algerien als auch in der ersten Halbzeit gegen Kroatien nicht überzeugen konnte. Gegen die Kroaten präsentierte sich der EM-Vierte phasenweise sogar von der Rolle, fehlerhaft, verunsichert und kopf- und planlos.

Das Ergebnis war ein Endspiel gegen Österreich – und ein Statement für den Trainer. Die deutschen Handballer präsentierten sich von Beginn an hellwach, mit einer starken Abwehr, die formiert Widerstand leistete und die Österreicher müde spielte. Im Angriff war das DHB-Team variabel, dazu aus dem Rückraum gefährlich und treffsicher.

Technische Fehler wurden gemacht, aber deutlich minimiert, der Druck schien kein Problem zu sein, im Gegenteil: Es schien, als habe die Alles-oder-nichts-Situation noch einmal für eine zusätzliche Portion Leidenschaft, verbunden mit einer gewissen Abgeklärtheit, gesorgt. Dazu zahlte sich die personelle Breite des Kaders aus. "Für mich war es schön, die Leistung zu sehen. Man hat gemerkt, dass Feuer in der Mannschaft ist", sagte Gislason: "Ich freue mich sehr, diese Mannschaft weiter zu betreuen. Es macht einfach riesigen Spaß mit den Jungs."

"Wir sind wirklich eine junge Mannschaft. Wir haben noch viel zu lernen."

Renars Uscins, Man of the Match beim Spiel gegen Österreich

Vor allem Julian Köster trieb seine Mitspieler mit seiner Wucht und Emotionalität immer wieder an, dazu lieferte U21-Weltmeister Renars Uscins auch im dritten Turnierspiel eine Leistung ab, die ihn zum dritten Mal zum Man of the Match werden ließ. "Wir haben einen riesigen Fight geliefert", sagte der Youngster.

Dass bei den Auftritten längst nicht alles immer rund lief, gab der 21-Jährige unumwunden zu, warb aber auch um Verständnis. "Wir sind wirklich eine junge Mannschaft. Wir haben noch viel zu lernen, manchmal ist qualitativ einfach nicht mehr drin. Gerade wenn man sieht, wie viel wir in der Bundesliga leisten, das zehrt schon", sagte Uscins, der sich aber sicher ist, dass man daran wachse, "um dann möglichst mit dem besten Kader nach Paris zu fahren".

Olympische Spiele als wichtige Bühne für die junge Mannschaft

Das wird die nächste Aufgabe sein: Nun gilt es unbelasteter zu sein, da die Fragen zu Olympia und Gislason beantwortet sind, und aus den Erfahrungen aus EM und Olympia-Quali zu lernen, die richtigen Schlüsse zu ziehen, zu wachsen und als Mannschaft den nächsten Schritt zu machen. EM und Olympia-Quali haben gezeigt, dass die Mannschaft auf dem Weg in die Weltspitze noch ein Stück zu bewältigen hat.

Immerhin hat sie nach längerer Zeit mal wieder bewiesen, dass sie auch ein immens wichtiges Spiel gewinnen und auch unter Druck und mit dem Rücken zur Wand auf der Platte Antworten finden kann. Essenziell wird es sein, dass die Spieler um Leistungsträger wie Köster, Uscins, aber auch Spielmacher Juri Knorr auf hohem Niveau Konstanz in ihre Leistungen bekommen. Noch zeigt das junge Team zu oft zu diesem Zeitpunkt nachvollziehbare Schwankungen.

"Ich denke, diese Mannschaft wird von Jahr zu Jahr immer besser werden."

Alfred Gislason, Trainer der deutschen Nationalmannschaft

Keine Frage: Die Olympischen Spiele sind eine für den Verband attraktive und für die Mannschaft wichtige Bühne. Für die Entwicklung des noch jungen Teams ist das Turnier in Paris angesichts der starken Gegner Gold wert. "Ich denke, diese Mannschaft wird von Jahr zu Jahr immer besser werden", glaubt Gislason.

Und nahm sich auch noch kurz die Kritiker vor: "Ich glaube, es wird nicht so richtig anerkannt bei den Spezialisten in Deutschland, was diese junge Truppe teilweise leistet. Keine andere Mannschaft hat so viele junge Spieler wie wir." Seine Aufgabe ist es, die junge Truppe auf ein neues Niveau zu führen. Die Ruhe dafür sollte er jetzt haben.

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