• Zu einem Großereignis wie einer WM gehören auch immer Sponsoren, auch die Fifa hat einige.
  • Welche Folgen hat es für den Sponsor, wenn er ein Turnier in einem Land wie Katar unterstützt?
  • Amnesty International hat die Fifa-Partner angeschrieben – mit einem überraschenden Ergebnis.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Hummel ist bei der WM nahezu unsichtbar. Der Sportartikelhersteller verschwindet fast vom Trikot der dänischen Nationalmannschaft, denn bei den Jerseys in Rot, Weiß und Schwarz ist das Logo des Sponsors jeweils an die Farbe des Shirts angepasst. Um ein Zeichen zu setzen. "Wir wollen während eines Turniers, das Tausende von Menschen das Leben gekostet hat, nicht sichtbar sein", schrieb Hummel in einem Instagram-Posting zu der Aktion.

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Die Trikots seien "ein Protest gegen Katar und seine Menschenrechtslage. Wir glauben, dass Sport die Menschen zusammenbringen sollte. Und wenn das nicht der Fall ist, wollen wir ein Zeichen setzen", heißt es weiter.

Damit steht Hummel recht alleine da, zumindest was Sponsoren angeht, die eng mit der umstrittenen WM in Katar (20. November bis 18. Dezember) verbunden sind. Ein trauriger Beweis ist eine Aktion der drei Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch, Amnesty International und FairSquare. Sie haben im Sommer 14 Unternehmenspartner und WM-Sponsoren des Fußball-Weltverbandes Fifa angeschrieben mit der Aufforderung, die Menschenrechte gegenüber der Fifa und Katar anzusprechen.

Das Ziel: Entschädigungszahlungen für Arbeiter, die beim Stadionbau für die WM ums Leben gekommen sind, verletzt oder ausgebeutet wurden. "Sponsoren sollten ihren beträchtlichen Einfluss nutzen, um Druck auf die Fifa und Katar auszuüben, damit diese ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gegenüber diesen Arbeitern nachkommen", sagte Minky Worden, Direktorin für globale Initiativen bei Human Rights Watch.

Menschenrechtliche Verantwortung der Sponsoren: Vier Antworten, zehn Mal Schweigen

Die magere Ausbeute: Ganze vier haben geantwortet, konkret AB InBev/Budweiser, Adidas, Coca-Cola, und McDonald's. Bedeutet im Umkehrschluss: Zehn hüllen sich in Schweigen, konkret sind das Visa, Hyundai-Kia, Wanda-Gruppe, Qatar Energy, Qatar Airways, Vivo, Hisense, Mengniu, Crypto und Byju's.

"Dabei sind die Sponsoren als Unternehmen nach den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte dafür verantwortlich, ihre Einflussmöglichkeiten auf Regierungen oder Geschäftspartner und -innen zu nutzen, um negative Auswirkungen auf die Menschenrechte zu verhindern oder abzuschwächen. Oft stehen diese Grundsätze sogar in der eigenen Unternehmensphilosophie", sagte Ellen Wesemüller, Pressesprecherin Amnesty International Deutschland, unserer Redaktion.

Wer nun denkt, es wäre den Deutschen mehr oder weniger egal, was Sponsoren mit ihrem WM-Engagement verdienen und damit tun, liegt falsch. Denn einer Umfrage zufolge, die Amnesty International im August in Deutschland in Auftrag gegeben hat, erwarten 60 Prozent aller Befragten, dass sich die Unternehmen, die von der WM profitieren, gegenüber der Fifa für Entschädigungen einsetzen. Weltweit sind es sogar 66 Prozent.

Neuendorf: Umsetzung der Menschenrechte in Katar "hakt"

DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat auf einem Kongress zum Thema Menschenrechte das WM-Gastgeberland Katar kritisiert und die FIFA in die Pflicht genommen. Katar habe zwar einige Dinge zur Verbesserung der Menschenrechte verbessert, allerdings hake es noch in der Umsetzung. Noch deutlicher wurde der 61-Jährige in Richtung des Fußball-Weltverbands. Die FIFA müsse ihre eigenen Grundsätze ernst nehmen und danach auch leben.

Positives oder negatives Zeichen?

"Unternehmenssponsoren haben der Fifa weit über eine Milliarde US-Dollar gezahlt, um mit der Weltmeisterschaft 2022 in Verbindung gebracht zu werden. Sie sollten kein Interesse daran haben, dass der Ruf ihrer Marken durch Menschenrechtsverletzungen geschädigt wird", sagt Wesemüller.

Interessant dabei: Sportpolitik-Experte Jürgen Mittag von der Deutschen Sporthochschule in Köln hält im Gespräch mit unserer Redaktion die vier Antworten für "eine relativ starke und deutliche Positionierung, die es so bislang nicht gegeben hat".

Denn klar: Bislang haben Sponsoren in der Regel komplett geschwiegen, das war zuletzt noch bei Olympia 2021 in Peking der Fall. Bloß in kein Fettnäpfchen treten, dann lieber gar nichts sagen und die Sache aussitzen. Nach dem Motto: Die nächste (nicht kontroverse) Veranstaltung kommt bestimmt. Bis dahin sind negative Schlagzeilen oder Schwingungen längst vergessen.

Adidas will Probleme angehen

Doch es geht auch anders. Adidas zum Beispiel veröffentlichte eine Stellungnahme, in der es heißt, dass es die Fifa und das katarische WM-Organisationskomitee dabei unterstützt, "alle Probleme im Zusammenhang mit den Arbeitnehmerrechten, die sich aus der Ausrichtung der WM 2022 ergeben, anzugehen, einschließlich der erforderlichen Abhilfemaßnahmen und gegebenenfalls der angemessenen Entschädigung von Arbeitnehmern und ihren Familien."

Coca-Cola "führt weiterhin Gespräche mit Sponsoren und der Fifa, um herauszufinden, wie man die in Katar erzielten Fortschritte ausweiten kann, um den Zugang zu wirksamen Rechtsmitteln für Arbeitsmigranten weiter auszubauen". AB InBev/Budweiser unterstützt "den Zugang zu Verfahren, die Arbeitsmigranten, die von negativen Auswirkungen betroffen sind, gerechte Wiedergutmachung verschaffen können."

Und McDonald’s will "weiterhin mit der Fifa, mit Menschenrechtsexperten und den anderen Sponsoren zusammenarbeiten, um positive Veränderungen im Bereich der Menschenrechte voranzutreiben, einschließlich der Unterstützung von Prozessen, die den Zugang zu Rechtsmitteln erleichtern, sowohl im Rahmen der Weltmeisterschaft als auch in den Bereichen, in denen wir tätig sind".

Das Ganze geschehe im Trend einer allgemeinen Wendung zu einer zunehmenden Sensibilisierung bei den schwierigen Themen rund um eine Großveranstaltung, sagt Mittag: "Das hat es vor zehn, zwölf Jahren noch nicht gegeben." Doch bei aller positiven Wertung der vier Antworten – wie fatal ist das Zeichen, wenn sich zehn Unternehmen gar nicht äußern und sogar ein Gesprächsangebot der Menschenrechtsorganisationen ablehnen? Mittag verweist auf einen laufenden Prozess. "Es finden systematische Veränderungen statt, und die Sponsoren sind ein Glied in der Kette, wahrscheinlich das letzte Glied", erklärt Experte.

WM-Sponsoren im Dilemma

Für die Geldgeber ist es ein Dilemma, moralisch, konzeptionell und finanziell. Denn zum einen herrscht die Sorge, dass man mit dem Negativ-Image des Turniers auch negativ belegt und die Marke so belastet wird. Wenn man sich zu kritisch äußert, besteht die Gefahr, dass die ursprüngliche Idee hinter dem Engagement nicht zum Zuge kommt.

"Es ist ein Drahtseilakt für die Sponsoren, den Werbegedanken weiter zu verfolgen und die Kritik zu vermindern", sagt Mittag. Was man aktuell beobachten kann, ist die Folge von öffentlichem Druck, der rund um die WM größer wird, je näher das Turnier rückt. Ein Unterschied zu früheren Veranstaltungen: Den Druck gibt es schon länger, und er wird konstant aufrechterhalten. "Wird der Druck erzeugt, muss man reagieren. Das passiert gegenwärtig", so Mittag. Entscheidend wird sein, ob der Druck auch nach dem Turnier hochgehalten wird.

Auch in Sachen Engagement geht übrigens Hummel voran. Einen Teil der Einnahmen der WM-Trikots spendet die Marke an Amnesty. Für die Menschenrechtsorganisation ist aber klar, dass die wenigen Lippenbekenntnisse nicht einmal ansatzweise reichen. "Jetzt müssen den schönen Worten Taten folgen: Am Ende ist entscheidend, ob Fifa und Katar diesen Entschädigungsmechanismus wirklich ins Leben rufen", sagt Wesemüller. Und tatsächlich: Die Fifa denkt inzwischen offen darüber nach, einen Entschädigungsfonds einzurichten. Ein guter Beweis dafür, dass es helfen kann, sich zu positionieren. Selbst wenn man nahezu unsichtbar ist.

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Zu den Experten:
Jürgen Mittag ist als Professor für Sportpolitik an der Deutschen Sporthochschule Köln tätig. Der Titel der Professur "Sportpolitik" passt perfekt zu seinem Werdegang. Das Institut des 52-Jährigen trägt den Titel eines Jean Monnet-Lehrstuhls und zielt damit auf ein besseres Verständnis der Europäischen Union ab, indem verstärkt europäische Themen in die Lehre implementiert werden.
Ellen Wesemüller wurde an der Berliner Journalisten-Schule zur Redakteurin für Print-, Rundfunk- und Onlinemedien ausgebildet. Anschließend arbeitete sie als freie Journalistin, dazu unter anderem als Redakteurin für das "neue deutschland" und als leitende Redakteurin bei den "Neuen deutschen Medienmacher*innen". Seit 2021 ist sie Pressesprecherin von Amnesty International in Deutschland.

Verwendete Quellen:

  • Amnesty International: Fußball-WM in Katar: Sponsoren sollten Entschädigungsforderungen unterstützen
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