Martina Voss-Tecklenburg meldet sich mit einer Stellungnahme zurück, in der sie ankündigt, als Bundestrainerin weitermachen zu wollen. Doch die Reaktionen vonseiten des DFB, Interimstrainer Horst Hrubesch und manchen Nationalspielerinnen geben Anlass zu Zweifeln, dass es dazu tatsächlich kommen wird.

Eine Analyse
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Lange wurde über sie geredet, am Dienstag (24. Oktober) meldete sich Martina Voss-Tecklenburg dann selbst zu Wort. In einem Statement, das die noch amtierende Bundestrainerin in den sozialen Medien veröffentlichte, erklärte sie, wie es aus ihrer Sicht zu der chaotischen Situation der letzten Tage und Wochen gekommen war.

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Sie sei noch nicht vollends gesundet, aber auf dem Weg, führte Voss-Tecklenburg aus; und sowohl der Erholungsurlaub als auch die Auftritte bei diversen Veranstaltungen in den letzten Wochen seien mit dem DFB abgesprochen gewesen. In Gesprächen mit der sportlichen Leitung direkt nach der WM sei man zu der "festen Überzeugung" gekommen, dass "wir gemeinschaftlich einen Weg finden, wieder erfolgreich zusammenzuarbeiten".

Doch dass dies mehr als nur der Wunsch der 55-Jährigen bleibt, wird nach den Aussagen verschiedener Akteure immer unwahrscheinlicher. Denn egal ob der DFB, Interimstrainer Horst Hrubesch oder die Mannschaft – abgesehen von der Bundestrainerin selbst scheinen sich alle Beteiligten mit einem Trainerwechsel angefreundet zu haben, ohne ihn bislang jedoch klar auszusprechen.

DFB: Kommunikation in erster Linie über Anwälte

Selbst ohne das derzeitige Chaos wäre eine Fortsetzung mit Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nicht unumstritten. Warnende Beispiele gibt es aus der jüngeren DFB-Historie genug: Nach dem enttäuschenden Aus der DFB-Frauen im Viertelfinale der EM 2017 machten die Verantwortlichen mit der damaligen Bundestrainerin Steffi Jones weiter - nur um sie Monate später doch zu entlassen. Von den Erfahrungen im Männerbereich nach den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 ganz zu schweigen.

Anders als bei den genannten Fällen ist die Zeit bei der deutschen Frauen-Nationalmannschaft aber noch deutlich begrenzter: Mit dem olympischen Fußballturnier 2024 in Paris könnte bereits in weniger als einem Jahr das nächste Großevent auf die Nationalspielerinnen warten. Nach der Niederlage gegen Dänemark im September steht die Qualifikation dafür auf der Kippe, von den nächsten Spielen könnte fast jedes entscheidend sein. Wenig Zeit für eine angezählte Trainerin, sich neu zu erfinden.

Die Unruhen rund um Voss-Tecklenburgs Erholungsurlaub nach ihrer Erkrankung scheinen ihre Chancen nicht vergrößert zu haben. Auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa), ob sich der DFB derzeit in Gesprächen mit der Bundestrainerin befinde, reagierte der Verband unterkühlt: "Derzeit läuft die Kommunikation in erster Linie über die anwaltliche Vertretung von Martina Voss-Tecklenburg", ließ eine Sprecherin des Deutschen Fußball-Bundes verlauten.

Eine offene Frage ist auch, warum die Aufarbeitung des WM-Debakels selbst zu einem Debakel geriet. Während der DFB klarstellte, dass es Voss-Tecklenburg war, die vorschlug, die nötigen Gespräche über ihre Zukunft auf die Zeit nach ihrem Erholungsurlaub zu schieben, hieß es in der "Bild"-Zeitung, die Bundestrainerin habe zuletzt vergeblich auf ein Gespräch gewartet. Statements, die darauf schließen lassen, dass das Verhältnis zwischen den beiden Parteien zerrüttet ist.

Voss-Tecklenburg hat kaum noch Rückendeckung

Auch von den Spielerinnen bekommt Voss-Tecklenburg keine Rückendeckung mehr. "Ich hätte mir da durchaus etwas anderes gewünscht, dass man sagt: 'Okay, wir klären erst mal, was bei der WM passiert ist', und danach vielleicht in den Erholungsurlaub geht", beschwerte sich etwa Wolfsburgs Lena Oberdorf als erste der Spielerinnen. Torhüterin Ann-Katrin Berger vermied vor den Nations-League-Partien gegen Wales und Island derweil ein klares Bekenntnis zur Bundestrainerin, Linda Dallmann lobte stattdessen den Interimstrainer Horst Hrubesch.

Der hatte ebenso wenig zu der Angelegenheit zu sagen: "Das ist jetzt nicht mein Bier. Die Mädels werden das auch so nehmen, dass wir uns auf das Wesentliche konzentrieren", erklärte Hrubesch. Mit Voss-Tecklenburg, die er eigentlich ja vertreten soll, gebe es derzeit keinen Austausch.

"Wenn Paris nicht klappt – was ich nicht glaube –, müsste jemand Neues kommen, der alles neu aufbaut. Das bin nicht ich. Aber wenn wir Olympia erreichen und ich gebraucht werde, können wir uns gern darüber unterhalten, ob ich das noch mache", erklärte Hrubesch zudem selbstbewusst gegenüber "Sport Bild".

DFB muss für Klarheit sorgen

Hrubesch würde auch zum DFB-Team passen wie sonst kaum ein anderer: Der 72-Jährige hatte das Team 2018 schon einmal übernommen und betonte bei seiner ersten Pressekonferenz, wie gut das Verhältnis mit einigen der Spielerinnen von damals heute noch sei. "Die meisten Spielerinnen kenne ich. Ich weiß, was für eine Qualität drinsteckt. Ich habe die Mannschaft einfach lieben gelernt", schwärmte er über die Arbeit mit dem Team.

Mit seiner Erfahrung kann der langjährige DFB-Trainer in stürmischen Zeiten Ruhe ins deutsche Nationalteam bringen. Dass er bei Olympia auch in kurzer Zeit eine gute Turniermannschaft formen kann, zeigte er zudem schon in Rio 2016, als er eine zusammengewürfelte U23-Nationalmannschaft der Männer sensationell zur Silbermedaille führte.

Der DFB sollte schnell für Klarheit sorgen – denn die Zeit, die jetzt verloren geht, muss das deutsche Nationalteam in den nächsten Wochen wieder aufholen.

Verwendete Quelle:

  • Mit Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa)
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