• Am Montag musste der deutsche Bundestrainer sich den Fragen von Journalisten stellen.
  • In einem fünfminütigen Monolog beschwerte sich Joachim Löw über die DFB-Führung.
  • Nun muss sich der Weltmeistertrainer von 2014 sogar Arroganz vorwerfen lassen, nicht ohne Grund.
Eine Kolumne
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Für Fußballtrainer hat so eine Pressekonferenz etwas Lästiges. Man muss der Meute von Journalisten, die vor einem sitzt, Rechenschaft darüber ablegen, wie erfolgreich die eigene Arbeit eigentlich ist. Die Journalisten zeigen selten Verständnis.

Joachim Löws PK: Eine Verzerrung der Realität

Man selbst kennt jedes Detail der Analyse, die Schlussfolgerung und den Grad der Umsetzung. Die Journalisten nicht. Und doch maßen sich dieselben Journalisten hinterher ein Urteil an, was die Trainerarbeit gebracht hat. Denn Journalisten haben ein Totschlag-Argument: die Resultate.

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Der Auftritt von Joachim Löw bei seiner Pressekonferenz am Montag zeugt folglich von einer Verzerrung der Realität. Er, der Weltmeister-Trainer von 2014, sieht seine Arbeit nicht nur falsch von den Journalisten bewertet, sondern auch von der eigenen DFB-Führung.

Sein Befund: "Explosionsgefahr". Allein diese Vokabel beansprucht ein Selbstbewusstsein, das einem Trainer, der die größte deutsche WM-Blamage der Geschichte verantwortet und die Kehrtwende nicht hinbekam, kaum zusteht. Hier ist das Totschlag-Argument: die Resultate.

Das 0:6 in Spanien war ja nur der Tiefpunkt einer Entwicklung, die mit dem vorzeitigen WM-Aus 2018 begonnen hat. Der versprochene Generationswechsel ist auch am Trainer gescheitert: Löw fand weder ein passendes System noch eine stabile Achse im Mannschaftsgerüst.

Es spricht ja für ihn, wenn er in der Entwicklung seiner Mannschaft Dinge erkennt, die niemand sonst in seiner Zuhörerschaft sieht. Aber zu den Pflichten eines Bundestrainers gehört auch, die Öffentlichkeit - zum Beispiel in Pressekonferenzen - an diesen Weisheiten teilhaben zu lassen.

Löws falsches Jobverständnis

Das tut Löw nicht. Stattdessen bekommt jeder mit, dass er seinen Rechenschaftsbericht als etwas Lästiges empfindet und seine Arbeit durch Indiskretionen im DFB-Präsidium gestört sieht. Unverblümt zeigt er inzwischen ein völlig falsches Verständnis von seinem Job.

Die Aufgabe als Bundestrainer verlangt Öffentlichkeitsarbeit. Nicht nur beim Erklärungsversuch nach Länderspielen, sondern auch, wenn das restliche Volk von 80 Millionen Bundestrainern ratlos die Ausrichtung und Spielweise der Nationalmannschaft hinterfragt.

Diese Öffentlichkeitsarbeit fordert ebenso den regelmäßigen Besuch von Top-Spielen der Bundesliga und der Champions League. Und im Europacup übrigens nicht nur bei Spielen, an denen deutsche Mannschaften beteiligt sind. Trainerarbeit ist ein ewiger Fortbildungslehrgang.

Löw aber taucht auf den Stadionrängen viel zu selten auf und vertraut dem, was ihm Scouts an Erkenntnissen liefern. Trainerarbeit aus zweiter Hand aber funktioniert selten: Wenn man mit Spielern schon nicht arbeiten kann, weil Corona alles beeinträchtigt, sollte man sie beobachten.

Würde Löw einsehen, dass Präsenzpflicht auch für Bundestrainer gilt, wäre er am Montag womöglich demütiger aufgetreten. So aber eröffnete er mit dem Hinweis auf seine aktuellen Arbeitsbedingungen beim DFB einen Nebenkriegsschauplatz. Er will ungehindert regieren.

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Unbelehrbarkeit des "Gönners"

Der absolutistische Herrschaftsanspruch, den Joachim Löw dabei wenig diplomatisch erhoben hat, bestätigt eher jene Form von "Selbstgerechtigkeit", die ihm nicht nur das "11Freunde"-Magazin attestiert. So eine Haltung lässt keinen Lernwillen erkennen.

Es ist natürlich nicht damit getan, dass Löw die Rückkehr der drei aussortierten Nationalspieler Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels in Erwägung zieht. Der Vorgang verströmt nach vielen Monaten, als er jeden Gedanken daran ablehnte, etwas Gönnerhaftes.

Vielleicht spricht es ja für ihn, dass er - verspätet, aber immerhin - seine eigene Personalplanung infrage stellt. Die Gründe sind am Ende wurscht, wenn die Korrekturmaßnahme bei der EM 2021 die erhoffte Wirkung entfaltet. Denn dort zählen nur: die Resultate.

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