Beim spanischen Traditionsklub FC Barcelona herrscht das finanzielle Chaos, das jetzt sogar zu einem Super-GAU führen könnte. Im Zentrum der Probleme: die Regeln der Financial Sustainability. Was steckt dahinter? Wie funktioniert das Kontrollsystem? Wir erklären die Hintergründe.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der FC Barcelona will Robert Lewandowski ans Geld. Kein Witz: Um in Spanien die Gehaltsobergrenze einzuhalten, soll der Pole laut der Tageszeitung "Sport" auf eine für 2024/25 vereinbarte Gehaltserhöhung verzichten. Der 35-Jährige würde eigentlich 16 statt wie bislang 13 Millionen Euro verdienen.

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In der Vergangenheit hat der Klub bei seinen Stars oft temporäre Gehaltsverzichte erreicht und das Geld dann später ausgezahlt, um Finanz-Kontrollen halbwegs legal zu umschiffen. Dieser Trick ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs, ist nur ein Kniff der Katalanen, um sich irgendwie durch die finanzielle Krise zu manövrieren.

Dabei droht dem Traditionsklub jetzt auch international jede Menge Ungemach, möglicherweise sogar der Ausschluss aus der Champions League. Für den finanziell angeschlagenen Verein wäre das bei einer Nettoverschuldung von laut Klub-Mitteilung aktuell 552 Millionen Euro ein Desaster. Denn auch die UEFA hat Barca auf dem Kieker.

Der Vorwurf: Massive Verstöße gegen das Financial Fairplay beziehungsweise die Financial Sustainability, wie die Welt am Sonntag berichtet. Doch was bedeuten die Begriffe? Und was steckt konkret dahinter? Wir erklären die Hintergründe.

Vom Financial Fairplay zur Financial Sustainability

Was ist das Financial Fairplay? "Beim finanziellen Fairplay geht es darum, die finanzielle Gesundheit des europäischen Klubfußballs zu verbessern", beschreibt die UEFA das Kontrollsystem, das 2010 eingeführt wurde, um die voranschreitende Verschuldung der europäischen Klubs zu stoppen.

Die Vereine sollten nicht mehr über ihre Verhältnisse leben. Stattdessen sollte kostendeckend gewirtschaftet werden. Dabei wurde die sogenannte "Break-Even-Regel" genutzt. Heißt: Die Ausgaben eines Klubs durften die Einnahmen nicht überschreiten.

Die UEFA gewährte bei der regelmäßigen Überprüfung von insgesamt drei Saisons ein Defizit von fünf Millionen Euro. Konnten die Schulden durch Anteilseigner ausgeglichen werden, durfte das Minus auch auf 30 Millionen Euro ausgereizt werden.

Wie die UEFA auf ihrer Webseite schreibt, habe es zum Zeitpunkt der Einführung einen "Nettoverlust der europäischen Erstligisten in Höhe von insgesamt 1,6 Milliarden Euro" gegeben. Bis 2018 sei daraus "ein Gewinn von 140 Millionen Euro" geworden. Wurde gegen die Vorgaben verstoßen, drohten harte Sanktionen bis hin zu einem Wettbewerbs-Ausschluss.

Financial Sustainability – was bedeutet das? Corona veränderte einiges, auch im Fußball. Keine Zuschauer, keine Einnahmen: Die Zahlungsausfälle waren hoch, die laufenden Kosten allerdings auch. Laut UEFA erlitten die Erstligisten im Zuge der Pandemie Verluste in Höhe von sieben Milliarden Euro. Corona, dazu die Globalisierung und technologische Innovationen führten 2022 zu tiefgreifenden Veränderungen.

Aus dem Financial Fairplay wurde die Financial Sustainability. Damit soll weiterhin die finanzielle Stabilität der Klubs gewährleistet, daneben aber auch eine finanzielle Nachhaltigkeit geschaffen werden, und das durch die Ausgabenkontrolle und Förderung von Investitionen. Grundlage sind die drei Säulen Kostenkontrolle, Solvenz und Stabilität.

Dabei sollen die Ausgaben für Spieler- und Trainergehälter, Transfers und Vermittlungsgebühren sowie Beraterhonorare auf einen bestimmten Prozentsatz der Einnahmen beschränkt werden. Die neue Regelung sieht einen Dreistufenplan vor: 2023 waren es noch 90 Prozent, 2024 werden es 80 Prozent und 2025 dann 70 Prozent sein.

Überfällige Verbindlichkeiten sollen vermieden werden, Verbindlichkeiten gegenüber Fußballklubs, Arbeitnehmern, Sozialversicherungsinstitutionen/Steuerbehörden und der UEFA, die bis 30. Juni, 30. September und 31. Dezember der lizenzierten Spielzeit fällig sind, müssen jeweils bis 15. Juli, 15. Oktober bzw. 15. Januar beglichen werden. Dafür können statt wie bislang ein Minus von 30 Millionen Euro in Zukunft über drei Jahre hinweg 60 Millionen Euro von einem externen Geldgeber ausgeglichen werden, bei finanziell gesunden Vereinen kann die Abweichung sogar bis zu 90 Millionen Euro betragen.

Was verschärfend wirken soll, ist eine zeitlich engmaschige Kontrolle, die viermal im Jahr stattfindet. Das soll schnellere Reaktionen und adäquatere Strafen ermöglichen.

Verstöße: Welche Strafen drohen?

Welche Strafen drohen jetzt? Der Sanktionskatalog ist erweitert worden. Klubs können frühere Titel aberkannt werden oder aus laufenden oder künftigen Wettbewerben ausgeschlossen werden. Der Abzug von Punkten und die Verhängung von Geldstrafen sind ebenfalls möglich. Spieler, die während eines Regelverstoßes einen Vertrag unterschrieben haben, können von der Teilnahme an europäischen Wettbewerben ausgeschlossen werden.

Was sorgte für Kritik? Dass es teilweise zu viele Schlupflöcher gab, dass getrickst werden konnte. Wie bei Transfers, wo Einnahmen von Verkäufen sofort in der Bilanz auftauchten, eine Ablöse bei Käufen aber über die gesamte Vertragslaufzeit gestreckt wurde. Daneben war der Bereich Sponsoring eine gerne genutzte Grauzone, die für gut getarnte Kapitalzuschüsse missbraucht werden konnte.

Das vom Abu-Dhabi-Staatsfonds finanzierte Manchester City bietet ein perfektes Beispiel dafür, dass die Idee des Financial Fairplay zwar richtig und wichtig war und ist, es in der Umsetzung oft aber nur einen Klaps auf die Hand gab. Denn 2020 wurde City von der UEFA für zwei Jahre von der Champions League ausgeschlossen, hinzu kam eine Geldstrafe in Höhe von 30 Millionen Euro.

Nach einer City-Klage entschied der Internationale Sportgerichtshof (CAS), dass die meisten der von der UEFA gemeldeten, angeblichen Verstöße "entweder nicht begründet oder verjährt" seien. Eine Zehn-Millionen-Strafe blieb am Ende übrig, für die fehlende Zusammenarbeit mit der UEFA-Finanzkontrollkammer.

Auch wegen City blieb unter dem früheren Financial Fairplay der Eindruck hängen, dass bei den Großen die harte Keule nur selten oder eben wirkungslos geschwungen wurde. Bei den kleinen Klubs, die sich nicht wehren konnten, dagegen geschah das dafür umso öfter und härter, um Exempel zu statuieren.

Zahnloses Instrument: Es muss sich einiges ändern

Was muss sich ändern? Das ist relativ simpel: Vergehen müssen aufgedeckt, verfolgt und vor allem rigoros bestraft werden. Heißt: Die UEFA muss durchgreifen, und die Sanktionen müssen spürbar sein. "Die neuen Regelungen müssen konsequent umgesetzt sowie Vergehen konsequent sanktioniert werden - sodass die finanzielle Stabilität des europäischen Fußballs gestärkt wird", sagte Lenz.

Über finanzielle Strafen lachen vor allem die Klubs, die von schwerreichen Investoren gelenkt werden. Fehlt den Vereinen aber die große Bühne Champions League, schmerzt das doppelt. Denn neben dem Geld müssen sie auch auf die Aufmerksamkeit und das Renommee verzichten.

Dass es immer noch Möglichkeiten gibt, die Hürden zu umschiffen, bewies Newcastle United im vergangenen Sommer. Da wurde Allan Saint-Maximin zu Al-Ahli nach Saudi-Arabien transferiert, für rund 25 Millionen Euro Ablöse. Das Financial Fairplay der UEFA "zwingt uns bis zu einem gewissen Grad dazu", wie Newcastle-Coach Eddie Howe erklärte. Man habe das Angebot annehmen müssen, sagte er.

Aber: Beide Klubs gehören mehrheitlich dem saudi-arabischen Staatsfonds PIF. In England hinterließ der Deal deshalb einen sehr faden Beigeschmack, Folgen hatte er aber keine.

Was ist bei Barca schiefgelaufen? Die bestehenden finanziellen Probleme haben Präsident Joan Laporta kreativ werden lassen, er veräußerte zum Beispiel die inländischen TV-Einnahmen des Vereins für die nächsten 25 Jahre an die US-amerikanische Private-Equity-Gesellschaft Sixth Street. Das Problem: Diese Einnahmen werden von der UEFA nicht als relevante anerkannt. Womit laut Welt in der für das Financial Fairplay relevanten Rechnung unter dem Strich kein Plus, sondern ein dickes Minus steht.

Die Bilanzen des Klubs seien "ein Chaos", soll es hinter den Kulissen der UEFA heißen. Von einer Champions-League-Sperre "für zwei bis drei Jahre" sei demnach die Rede. Im Sommer musste Barca bereits eine Geldstrafe in Höhe von 500.000 Euro zahlen, weil die Finanzkontrollkammer der UEFA Gewinne aus der Veräußerung von immateriellen Vermögenswerten gestrichen hatte. Barca ist schon länger angeschlagen, aktuell wanken die Katalanen mal wieder. Fällt der Traditionsklub endgültig, hilft wohl auch Lewandowskis Gehaltsverzicht nicht mehr.

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