Es ist also vorbei mit dem DFB und Oliver Bierhoff. In den vergangenen paar Jahren ist die Beziehung – zumindest von außen – als quälend empfunden worden. Für die früheren Fans der Nationalmannschaft, die nun sagten, sie seien keine Fans mehr, weil sie sich entfremdet fühlten, war Oliver Bierhoff der Generalschuldige.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Günter Klein dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Schon als solchen werden sie ihn vermissen.

Man muss aber fair sein und den frühen und den späten Oliver Bierhoff voneinander unterscheiden. Der Ex-Nationalspieler, der 2004 als Teammanager vom DFB eingestellt wurde, war ein Segen für einen Verband, der wirklich nicht mehr weiterwusste. Der Bedarf an einer Person, die die Verbindung herstellt zwischen Verbandsführung und dem Bundestrainer, war in der Nacht nach dem Vorrunden-Aus bei der EM 2004 in Portugal festgestellt worden.

Der damalige Coach Rudi Völler, der Deutschland zur Heim-WM 2006 führen sollte, machte in einer schlaflosen Nacht seinen Rücktritt nur mit sich selbst aus. Der Gedanke, der beim DFB reifte: Man braucht einen Moderator, der sich in die Protagonisten hineinversetzen kann, weil er einerseits selbst Nationalspieler war, aber auch ein gewiefter und gebildeter Kerl ist. So landete man bei Oliver Bierhoff, der aus gutem Hause stammte: Der Vater war im Vorstand des DAX-Unternehmens RWE.

Sogar Mertesacker war von Bierhoff beeindruckt

Bierhoff war jung, drahtig, innovativ. Ein Teammanager, der locker mittrainieren konnte und immer als Double gefragt war, wenn der nächste Gegner einen klobigen Mittelstürmer hatte. Die Mannschaft war dem neuen Macher zugetan: Er führte Kamingespräche ein während der Lehrgänge, Sportler aus anderen Bereichen kamen zu den Fußballern, oft waren es extreme Typen, die um die Welt gesegelt waren oder Expeditionen in die Berge geleitet hatten.

Die bis dahin sterilen Hotels wurden zu Erlebnisinseln umgestaltet, Bierhoff richtete eine Players‘ Lounge ein, zu der nur die Spieler Zutritt hatten. Es gab dort Spielkonsolen und gemütliche Sitzmöbel.

Sogar der nüchterne Per Mertesacker war davon so beeindruckt, dass er sich nach der WM 2006 ähnliches Mobiliar für zuhause kaufte. Geliefert werden musste – weil eine Sitz- und Liegelandschaft groß ist – mit dem Kran über die Terrasse. Das Treppenhaus war zu eng für den Transport.

Geschäftsführer Oliver Bierhoff und Bundestrainer Hansi Flick hat die WM 2022 als Duo gesprengt

Hansi Flick zeigt sich von Oliver Bierhoffs Abschied tief betroffen

Oliver Bierhoffs Rücktritt von seinen Ämtern beim DFB wirkt wie ein erstes Nachbeben des WM-Debakels. Bundestrainer Hansi Flick äußert sein großes Bedauern über den beruflichen Verlust seines ersten Ansprechpartners und zudem Freundes.

Bierhoff und Mertesacker bildeten auch die Bücherkette der Nationalmannschaft. Leider konnte sie über diese beiden, die gerne lasen, nicht ausgebaut werden. Der Rest spielte halt lieber Tischtennis.

Während der Turniere ließ Bierhoff interne Meisterschaften austragen, die besten an der Platte waren Arne Friedrich und Philipp Lahm. Allerdings schrumpfte Gigant Friedrich, als Bierhoff mal Timo Boll einlud.

Bierhoff liebte die Symbolik: Der Europameisterschafts-Kader 2008 wurde auf der Zugspitze präsentiert, in 2963 Meter Höhe, denn das Turnier in Österreich und der Schweiz sei als Bergtour zu verstehen.

Meisterwerk der guten Bierhoff-Phase war das Quartier 2014 in Brasilien

2010, in Südafrika, gebot Bierhoff sich dann selbst Einhalt bei seinen Visionen. Er hatte vorgehabt, im Hotel die Gefängniszelle nachbauen zu lassen, in der Freiheitskämpfer Nelson Mandela Jahrzehnte seines Lebens verbracht hatte. Damals spürte Bierhoff, dass seine Neigung zur Bildhaftigkeit nicht überall gut ankam.

Meisterwerk und Abschluss der guten Bierhoff-Phase war das Quartier 2014 in Brasilien, das Campo Bahia, das gerade noch rechtzeitig fertig wurde. "Man musste die Handwerker rauswohnen", sagte er. Guter Spruch.

Dann war Oliver Bierhoff Weltmeister, es konnte nicht mehr aufwärts gehen, sondern nur noch abwärts in die Marketing- und Hashtag-Hölle. Er war die Nervensäge von "Die Mannschaft". Aber erinnern wir uns lieber an seine guten wilden Zeiten. Sie waren großartig.

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