Bei der Partie zwischen Mönchengladbach und Hoffenheim greift der Video-Assistent auf beiden Seiten je einmal bei einem Handspiel ein, das der Schiedsrichter nicht wahrgenommen hat. Beide Fälle sind eine regeltechnische Herausforderung, doch das Team der Unparteiischen löst sie richtig.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne

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83 Minuten waren im Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und der TSG 1899 Hoffenheim (1:1) absolviert, als Marcus Thuram und Alassane Pléa beim Stand von 1:0 einen Konter der Hausherren blitzsauber zu Ende spielten und den Ball zum zweiten Mal im Tor der Gäste unterbrachten.

Acht Minuten zuvor hatte Pléa einen Strafstoß verschossen, nun machte er es besser und bezwang den Hoffenheimer Torwart Oliver Baumann. Schiedsrichter Felix Brych gab den Treffer zunächst auch. Doch dann meldete sich Video-Assistent Bastian Dankert beim Unparteiischen.

Denn in der Entstehungsphase des Tores – konkret: bei der Balleroberung vor dem eigenen Strafraum – hatte Oscar Wendt ein Handspiel begangen, ohne dass er Brych bemerkt hätte. Danach war der Ball zu Jonas Hofmann gekommen und von diesem über Lars Stindl, Pléa und Thuram erneut zu Pléa.

Seit dieser Saison gilt, dass kein Tor zählen darf, bei dem der Torschütze oder der Vorlagengeber zuvor mit der Hand am Ball war – selbst wenn dieses Handspiel absolut unvermeidlich und unbeabsichtigt war.

Aberkannt wird der Treffer allerdings nur dann, wenn das Handspiel in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Torerzielung stand. Diese Unmittelbarkeit ist nicht gegeben, wenn zwischen dem Handspiel und dem Treffer viel Zeit vergangen ist, mehrere Spieler am Ball gewesen sind oder der Ball eine große Distanz zurückgelegt hat.

Nach Toren überprüft der VAR die gesamte Angriffsphase

In Mönchengladbach war all dies der Fall: Zwischen Wendts Handspiel und Pléas Torschuss lagen rund zwölf Sekunden, in dieser Zeit passierte der Ball vier Stationen und bewegte sich fast über das ganze Spielfeld. Mit anderen Worten: Es gab keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Handspiel und dem Tor.

Dass der VAR trotzdem ein On-Field-Review empfahl, hatte einen anderen Grund: Die Regularien für den Video-Assistenten besagen, dass nach jedem Tor die gesamte Angriffsphase überprüft wird, die dem Treffer vorausgegangen ist.

Wenn der VAR dabei bemerkt, dass der Schiedsrichter einen Verstoß der angreifenden Mannschaft – sprich: ein Foul, ein Handspiel oder ein Abseits – nicht geahndet oder gar nicht erst wahrgenommen hat, greift er ein.

So wie in diesem Fall Bastian Dankert wegen des Handspiels von Wendt bei der Eroberung des Balles, die gleichzeitig den Beginn der Angriffsphase markierte, an deren Ende Pléa ins Hoffenheimer Tor traf.

Warum Wendts Handspiel zur Aberkennung von Pléas Tor führte

Das bedeutet: Wendts Handspiel stand zwar nicht im direkten Zusammenhang mit dem folgenden Gladbacher Treffer. Dennoch konnte es ein Grund sein, das Tor zu annullieren – dann nämlich, wenn Felix Brych es als solches für ahndungswürdig hielt. Das tat er nach dem Betrachten der Bilder auf dem Monitor am Spielfeldrand.

Er bewertete also die Art und Weise des Ballgewinns der Hausherren als regelwidrig, und weil die Borussen danach auf direktem Weg zum Tor kamen, handelte es sich um ein Vergehen am Beginn der Angriffsphase. Deshalb verweigerte der Referee dem Treffer schließlich die Anerkennung.

Bleibt die Frage: War das Handspiel als solches tatsächlich strafbar? Wendt schirmte auf allen vieren den Ball gegen Florian Grillitsch ab, der seinerseits mit dem Fuß nach der Kugel stocherte. Als der Hoffenheimer sie schließlich wegspitzelte, versuchte Wendt, sie mit der Hand aufzuhalten.

Doch er verfehlte den Ball, der allerdings vom Fuß seines Mitspielers Denis Zakaria zu ihm zurücksprang und schließlich seinen Unterarm touchierte. Dass Felix Brych hier nicht von einer natürlichen Armhaltung und -bewegung ausging und auch kein Bemühen sah, ein Handspiel zu vermeiden, ist nachvollziehbar.

Die Abseitstechnik half ausnahmsweise beim Handspiel

Schon zuvor hatte er sehr gut mit Bastian Dankert zusammengearbeitet: In der 72. Minute hatte der Hoffenheimer Benjamin Hübner den Ball an der eigenen Strafraumgrenze mit dem zur Seite abgespreizten Arm abgelenkt, was der Unparteiische jedoch nicht wahrgenommen hatte.

Daran, dass das Handspiel strafbar war, konnte kein Zweifel bestehen, denn hier wurde klar die Körperfläche vergrößert. Die Frage war jedoch, ob es innerhalb oder außerhalb des Strafraums zur Ballberührung gekommen war. Das zeigten die Bilder nicht eindeutig.

Dankert nahm deshalb jene Technik zu Hilfe, die sonst verwendet wird, um eine Abseitsstellung festzustellen: Er legte die kalibrierten Linien an und fällte das Lot, um die genaue Position der Hand zu ermitteln.

Danach stand fest, dass Hübners Handspiel innerhalb des Strafraums stattgefunden hatte. Deshalb entschied Felix Brych nach dem On-Field-Review auf Elfmeter.

In Mönchengladbach gab es also gleich zwei Beispiele für einen berechtigten und gelungenen Einsatz des Video-Assistenten beim viel diskutierten Thema Handspiel. Und das in so komplexen wie komplizierten Situationen.

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