• Was lange absehbar war, ist nun Gewissheit: Der FC Schalke 04 steigt in die 2. Liga ab.
  • Schalke-Legende Olaf Thon ist selbst einmal auf- und einmal abgestiegen.
  • Er hofft nun darauf, dass Schalke der Neuanfang mit eigenen Talenten gelingt. Das Verhalten einiger Fans verurteilt er im Interview mit unserer Redaktion hingegen auf das Schärfste.
Ein Interview

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Herr Thon, der FC Schalke ist abgestiegen. Wie geht es Ihnen damit?

Olaf Thon: Wir am Fernseher haben ja geahnt, was kommt. Denn gerade die katastrophale Leistung gegen den SC Freiburg vergangene Woche hat erahnen lassen, dass wir schon jetzt abgestiegen sind. Die ganzen letzten Wochen und Monate, das ganze letzte Jahr haben nicht mehr zugelassen. Wer von 45 Spielen nur zwei Spiele gewinnt, der hat keine Berechtigung mehr in der ersten Liga zu bleiben. So traurig das ist. Auch für mich als Schalker, der einmal aufgestiegen und natürlich 1988 auch einmal abgestiegen ist. Deshalb kenne ich die ganzen Verhältnisse und weiß, wie schwer es ist, wieder hoch zu kommen. Und wie traurig und bitter es ist - gerade auch wenn man von den Fans jetzt so angefeindet wird. Dabei müssen wir in der neuen Saison zwingend eine Einheit bilden, sonst kommen wir aus der 2. Liga nicht mehr raus.

"Hoffe, dass viele Spieler in der neuen Saison nicht mehr da sind"

Sie selbst haben den Abstieg 1988 als "grauenvoll" beschrieben. Welches Wort fällt Ihnen für 2021 ein?

Es ist wirklich katastrophal, aber es ist kein Untergang. Man kann das wieder kitten, indem man versucht für die letzten Spiele eine gute Mannschaft aufzustellen. Jetzt sollte man auf die Spieler setzen, von denen man meint, die könnten auch in der neuen Saison im Kader stehen, auf junge Talente. Schlechter kann man ohnehin nicht spielen. Von daher hoffe ich, dass viele dieser Spieler, die wir gesehen haben, in der neuen Saison nicht mehr da sind. Das wird auch so kommen, da gehe ich fest von aus. Stattdessen sollte man in der neuen Saison auf junge Talente in Kombination mit erfahrenen Leuten setzen, so wie das bei uns 1983 der Fall war. Damals kam ich dazu und hatte Leute wie Bernhard Dietz, Mathias Schipper oder Klaus Täuber, die uns geführt haben. Das hat gut funktioniert.

Hatten Sie das Gefühl, den aktuellen Spielern fehlt die Identifikation mit dem Verein?

Schwierig zu sagen. Ich habe das in meiner 19-jährigen Erfahrung als Profi immer wieder gesehen, dass es eher der Fall war, dass die Spieler – aus welchen Gründen auch immer – nicht konnten, anstatt dass sie nicht gewollt hätten. Ich würde nie einem Spieler vorwerfen, dass er zu wenig Antrieb hat, oder dass er sich nicht für den Klub einsetzt, aber hier auf Schalke ist es einfach etwas ganz Besonderes. Schalke ist ein Arbeiterverein und da sind in erster Linie Tugenden gefragt wie Kampf und Zusammenhalt im Team und das war nicht vorhanden. Es ist so erschreckend, dass es kein Trainer von den Fünfen hinbekommen hat, dass diese Mannschaft funktioniert. Viele der Spieler sind ja ausgewiesen gute Fußballer in anderen Verein gewesen, sonst hätte sie Schalke ja nicht geholt. Dass man es nicht hinbekommt, dass die Mannschaft zumindest in jedem zweiten Spiel eine Chance auf den Sieg hat, das ist wirklich unterirdisch und für mich weiterhin nicht erklärbar. Verletzungen hin oder her, oder wenn jemand die Sprache nicht spricht. Aber andere Vereine kriegen das auch hin, nur wir sind die schlechteste Mannschaft in ganz Europa.

Glauben Sie, der Verein hat sich schon zu früh mit dem Abstieg abgefunden? Ein richtiges Aufbäumen hat ja niemals stattgefunden.

Abgefunden hat man sich damit zu keinem Zeitpunkt. Bis es rechnerisch möglich war, haben alle davon geträumt, dass wir es noch irgendwie packen. Aber das Kinder ist einfach schon vor langer Zeit in den Brunnen gefallen und war leider nicht mehr aufzufangen.

Neue Kontinuität durch Knäbel und Co.?

Nach den Abstiegen 1981 und 1983 hat Rudi Assauer die Schalker wieder auf die Beine gebracht, er stand für Schalke wie kein Zweiter, hat sie zum UEFA-Pokalsieg geführt. Ist dieser Abstieg eine Spätfolge des Verlusts Assauers? Seither konnte ja kein Manager mehr hundertprozentig überzeugen bzw. vielleicht wurde dem ein oder anderen auch zu schnell das Vertrauen entzogen. Braucht es einen neuen starken Mann, damit der Neuanfang gelingt?

Wir brauchen in jedem Fall einen Neuanfang. Rudi Assauer hat damals riesige Fußstapfen hinterlassen, die entsprechend nicht gefüllt werden konnten – ob von Müller, Heidel oder Heldt. Wobei ja noch viele Erfolge erzielt wurden, der Pokalsieg zum Beispiel oder die Champions-League-Teilnahmen. Aber man hat immer mehr Geld ausgegeben, als man eingenommen hat. Vor allem in den vergangenen Jahren. Da klaffte eine Lücke. Auch im Vorstand sind nun einige Leute gegangen. Ich hoffe, dass man mit den neuen Leuten, die jetzt gottseidank installiert wurden, Kontinuität geschaffen hat und dass man Peter Knäbel, Gerald Asamoah, Mike Büskens, Norbert Elgert und Mathias Schober, die mit für die Kaderplanung verantwortlich sind, jetzt auch eine Chance gibt.

Wie groß schätzen Sie die Chance auf einen schnellen Wiederaufstieg ein?

Ohne groß nachzudenken und mit der Trauer im Hinterkopf: fifty-fifty. Ich glaube, man muss jetzt erst einmal nachdenken, die negativen Dinge, den sicheren Abstieg sacken lassen. Und dann muss man schauen: Welche Möglichkeiten hat man finanziell? Welcher Etat steht zur Verfügung? Welcher Kader ist dann da? Und dann, kurz vor Saisonbeginn, können sich die Verantwortlichen dazu äußern, welche Ziele ausgegeben werden. Das kann man jetzt noch nicht absehen.

"Habe für die Gewalt null Verständnis"

Es gibt Videos und auch die Polizei hat inzwischen bestätigt, dass wütende Fans Spieler gejagt und mit Eier beworfen haben. Dass man jegliche Form von Gewalt verurteilen muss, versteht sich von selbst. Haben Sie dennoch Verständnis für die Wut der Fans?

Ich habe für die Gewalt null Verständnis. Dass man aufbegehrt, dass man die Mannschaft, die Verantwortlichen zur Rede stellt, das ist klar. Aber das, was da passiert ist, ist unter der Gürtellinie. Warum das überhaupt passieren konnte, verstehe ich auch nicht. Ich glaube, man hätte vorgewarnt sein müssen. In jedem Fall stimmt mich das traurig, weil ich weiß, dass wir nur mit den Fans, wenn wir alle geschlossen in einem Boot sitzen erfolgreich sein können und der Wiederaufstieg angepeilt werden kann.

Und wie gewinnt man die Fans wieder für den Verein?

Wichtig ist, dass man versucht auf die Fans zuzugehen, mit ihnen spricht, dass das so nicht geht und dass man auf einem anderen Wege miteinander kommunizieren muss. Und dann muss man natürlich Taten sprechen lassen. Das ist das alles Entscheidende. Auf dem Platz werden die Punkte vergeben. Da kann man noch so schön daherreden. Es muss auf dem Platz erledigt werden. Und das heißt auch, es braucht Identifikationspersönlichkeiten, am besten aus der Knappenschmiede vielleicht in Kombination mit erfahrenen Spielern. In jedem Fall ist die zweite Liga auch eine Chance sich reinzuwaschen. Das geht allerdings nicht mit den Leuten, die uns da reingeritten haben.

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