• Jude Bellingham steht nach zuletzt starken Spielen und seinem Bierbecher-Fang im Fokus.
  • Unser Kolumnist Olaf Thon nimmt den 18-jährigen Engländer unter die Lupe und zieht Parallelen zu seiner eigenen Karriere.
  • Bellingham stehen laut Thon alle Türen offen.
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Wir haben so viele interessante junge Fußballer, die jetzt im Mittelpunkt stehen, vor allem so ein Talent wie Jude Bellingham bei Borussia Dortmund. Da hat der BVB ein Adlerauge.

Wenn ich sehe, wie Bellingham sich auf dem Platz bewegt, welche Autorität er schon ausstrahlt und welche Führungsqualitäten er jetzt schon besitzt, kommt er ganz schnell in die Kategorie von Joshua Kimmich oder - wenn man noch weiter zurückgeht - Lothar Matthäus.

Er ist ein sehr moderner Fußballspieler, jung und unbekümmert. Hier und da macht er gewisse Dinge noch nicht hundertprozentig richtig, aber er wird jetzt einen Prozess durchlaufen. Ich denke, dass er in zwei bis drei Jahren eine absolute Führungsposition - bei welchem Klub auch immer - innehaben wird.

Thon: Bellinghams Selbstsicherheit ist bemerkenswert

Was Bellingham auch auszeichnet, ist seine Statur und dass er wohl nicht so verletzungsanfällig ist. Da Bellingham aus dem Mittelfeld kommt, sehr laufstark ist, nur wenige Fehlpässe spielt, kopfballstark ist und auch noch fleißig Torbeteiligungen sammelt, hat er eigentlich keine direkten Schwächen. Vielleicht kann man an der Beidfüßigkeit einen Makel sehen. Mit links ist er noch nicht perfekt. Aber das muss er auch nicht sein.

Imponierend ist in jedem Fall die Selbstsicherheit, die er an den Tag legt. Nicht nur in Dortmund, sondern auch in der englischen Nationalmannschaft, für die er bereits acht Spiele gemacht hat. Sich mit 18 Jahren so zu etablieren, das ist schon phänomenal.

Bellingham könnte BVB-Kapitän werden

Schade ist eigentlich nur, dass solche Talente, die von der Qualität her zur Weltklasse werden können, oft nicht mehr so lange bei einem Verein bleiben, wie wir das früher kannten. Wir leben in einer Zeit, wo sogar Messi von Barcelona nach Paris wechselt. Wir müssen uns davon verabschieden, dass Spieler nur einem Verein angehören. Das macht den Fußball andererseits aber auch interessant.

Wenn ich zurückblicke in meine Anfangszeit, war ich mit gut 18 Jahren der zweitjüngste Nationalspieler. Da haben mich mittlerweile schon wieder einige überholt. Im Vergleich dazu, wie ich früher gespielt habe, sind die heutigen Spieler wesentlich weiter. Zum einen in der Außendarstellung, aber auch in der Spielführung. Wie Bellingham vorneweg geht, mit welchem Einsatz er spielt, das ist schön zu sehen. Ich glaube, dass Bellingham die Charakterstärke hat, beim BVB mal Kapitän zu werden.

"Ich weiß ich nicht, ob ich das geschafft hätte"

Ich war ja schon als Jugendlicher mit 17 Jahren beim FC Schalke in der zweiten Liga und bin direkt aufgestiegen. Wenn ich in dieser Phase schon bei einem international vertretenen Verein wie Borussia Dortmund gespielt hätte, weiß ich nicht, ob ich das geschafft hätte. Es ist imponierend, dass die jungen Spieler wie Bellingham das einfach so machen.

Es ist ja auch mit der Sprache nicht ganz leicht, wenn man von England nach Deutschland kommt. Deshalb ist ganz wichtig, dass ein Verein versucht, diese jungen Spieler zu betreuen, damit sie im Land die Sprache lernen. Nur dann ist ein Spieler in der Lage, auch Führungsqualitäten an den Tag zu legen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man erst mal auf sich allein gestellt ist. Ich hatte ja vier Jahre mehr Vorlaufzeit, weil ich erst im Alter von 22 Jahren zum FC Bayern gegangen bin mit meiner Freundin, die ich dann ein Jahr später in München geheiratet habe und mit der ich zwei Töchter habe. Das war am Anfang aber nicht so einfach. Erstmal im Hotel wohnen, sich dann eine Wohnung oder ein Haus suchen. Dann die Überlegung, wie weit ist das weg von der Säbener Straße und so weiter.

Es war nicht einfach, aber ich habe das gemeistert. An den Aufgaben wächst man natürlich auch und deswegen glaube ich, man tut gut daran, Spielern, die neu kommen, nicht alles abzunehmen. Sonst gehen sie irgendwann auf die Toilette und sagen: "Ich kann es nicht allein". Nur so kann man Selbstständigkeit lernen und ich glaube, der BVB macht da vieles richtig.

Thon zu Bellinghams Bierbecher-Fang: "Kein Millimeter Spielraum für Kritik"

An der Szene beim Torjubel im Spiel der Dortmunder gegen Leverkusen, als Bellingham einen Bierbecher gefangen hat, sieht man die Unbekümmertheit und die Freude nach einem Tor oder nach einem Sieg. Den Becher muss man erst mal fangen und dann den Mut besitzen, während der Corona-Phase daraus zu trinken.

Alle, die hier Salz in die Wunde streuen wollen, sind keine Fußballfreunde. Die suchen nur das Haar in der Suppe. Ich habe das grandios gefunden, dass ein Spieler das macht und einfach seine Freude zum Ausdruck bringt. Da ist für mich kein Millimeter Spielraum für Kritik.

Wir können zu hundert Prozent davon ausgehen, dass Bellingham nicht seine gesamte Karriere bei Borussia Dortmund verbringen wird. Er hat einen Vertrag bis 2025. Das gibt dem BVB Spielraum, einem Wechsel auch mal den Riegel vorzuschieben, so wie sie es auch schon mal bei Lewandowski und anderen gemacht haben.

Bei Sancho aber beispielsweise war es so, dass er nach England zurückwollte und da kann man dann keinen Spieler halten, egal wie lange er Vertrag hat.

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Dann hat er immer noch genug Zeit, bei Liverpool oder in Manchester zu spielen. Alle Türen stehen ihm offen.

Protokoll vom Gespräch mit Olaf Thon von Ludwig Horn

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