Thomas Tuchel ist seit etwas mehr als einem halben Jahr Trainer des FC Bayern München. Nachdem die Mannschaft in den ersten Wochen große Probleme hatte, sind nun erste Fortschritte klar erkennbar.

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Es hat eine gewisse Zeit gedauert, bis der Effekt von Thomas Tuchel sichtbar wurde. Als der 50-Jährige Ende März 2023 das Traineramt beim FC Bayern München übernahm, konnte er der Mannschaft keine Stabilität verleihen. Von den zwölf Pflichtspielen vor der Sommerpause wurden lediglich sechs Partien gewonnen. Vier Partien mündeten in einer Niederlage – eine miserable Zwischenbilanz.

Dass der FC Bayern die Meisterschaft gewann, war vorwiegend mit der Schwäche von Borussia Dortmund zu begründen. In der Champions League und im DFB-Pokal scheiterte der Rekordmeister unter Tuchel jeweils im Viertelfinale. Seitdem allerdings nahm die Mannschaft eine positive Entwicklung. Nach der 0:3-Niederlage im Supercup gegen RB Leipzig Mitte August wurde keines der folgenden zehn Pflichtspiele verloren.

Thomas Tuchel machte am Sonntag nach dem 3:0 gegen den SC Freiburg einen rundum zufriedenen Eindruck. "Die ganze Mannschaft war sehr konzentriert. Wir hatten keine Aussetzer, keine kleinen Fehler, keine Fehler im Aufbauspiel oder Zweikampfverhalten. Wir waren konsequenter und dominanter als noch zuletzt. Das hat uns sehr viel Sicherheit gegeben", sagte Tuchel und fügte hinzu: "Wir haben eines unserer besten Spiele gemacht, waren von der ersten bis zur letzten Minute sehr dominant."

Der FC Bayern hat einen Weg gefunden, "nicht zu verlieren"

Dieser Aufwärtstrend ist laut Tuchel bereits seit mehreren Wochen spürbar: "Wir haben in den anderen Spielen dieser Saison, wenn wir mal auf Schwierigkeiten gestoßen sind, Wege gefunden, um trotzdem zu gewinnen. Wir haben einen Weg gefunden, uns aufzulehnen und nicht zu verlieren – auch nach einem 0:2 in Leipzig. Das sind wichtige Schritte in der Entwicklung."

Dieser Trend müsse nun fortgesetzt werden, wie der Trainer erklärte: "Eine Entwicklung ist niemals zu Ende, schon gar nicht im Oktober. Es geht immer weiter. Jetzt haben wir (mit der Länderspielpause, Anm.d.Red.) einen kleinen Break. Aber insgesamt waren das jetzt sehr gute Ergebnisse. Wir hatten immer wieder gute Phasen in unserem Spiel und heute einen sehr runden Vortrag. Daran müssen wir in zwei Wochen wieder anknüpfen."

Kingsley Coman, der am Sonntag mit seinen zwei Treffern der überragende Mann auf dem Platz war, ist mit der Zwischenbilanz ebenfalls zufrieden: "Wir haben bis jetzt kein Spiel in der Bundesliga verloren. Wir sind gut drauf und machen so weiter." Auch Präsident Herbert Hainer freut die Entwicklung: "Man sieht der Mannschaft an, dass sie von Spiel zu Spiel besser wird. Der Spielfluss ist deutlich besser."

Die Tuchel-Philosophie: "Nur Offensive macht mich nicht glücklich"

Tuchel ist ein sehr akribischer Trainer, der nichts dem Zufall überlässt. In der Sommerpause hatte der 50-Jährige erläutert, was für ihn guter Fußball ausmacht. "Es muss intensiv, schnell und attraktiv für die Fans sein. Torchancen herausspielen, Tore erzielen, viele Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte. Guter Fußball ist für mich aber auch immer mit Kontrolle verbunden. Es sollte nicht so sein, dass man einfach offen angreift, man darf die Zugriffe auf dem Feld an keinem Punkt vernachlässigen", sagte er im Interview mit der Redaktion der Vereins-Webseite.

"Nur Offensive macht mich nicht glücklich, nur Kontrolle auch nicht. Die Menschen sollen insgesamt eine Energie spüren, die sich von der Mannschaft auf die Ränge überträgt. Es müssen auch die Grundwerte des Fußballs zu erkennen sein: eine Mannschaft, die sich körperlich verausgabt, ein Spirit, dass da unten ein Team agiert, bei dem sich die Spieler gegenseitig unterstützen. Wenn einer einen Fehler macht, gleicht ihn der andere aus. Die Bereitschaft dazu möchte ich spüren können."

Die Spieler scheinen genau diese Philosophie anzunehmen. Selbst Individualisten wie Leroy Sane und Kingsley Coman arbeiten mittlerweile viel für die Defensive mit. DAZN-Experte Michael Ballack bewundert, dass Tuchel "diese Spielertypen zum Zurücklaufen bringt. Und dass die das gerne machen."

Sane blüht unter Tuchel auf

Vor allem bei Sane sind die Fortschritte erstaunlich. Litt er unter den vorherigen Bayern-Trainern Hansi Flick und Julian Nagelsmann unter starken Formschwankungen, scheint dies unter Tuchel der Vergangenheit anzugehören.

Wie der Trainer das hinbekommen hat? "Wir haben einen Draht zueinander", erklärte Tuchel bei DAZN. "Die Chemie stimmt. Wir verlangen viel von ihm – das weiß er auch. Wenn er mit der Freiheit, der Lust und der positiven Körpersprache spielt, dann macht er den Unterschied. Aber wenn er anfängt zu hadern, ist das nichts für ihn."

Sane soll vor allem die direkte Art und Weise der Kommunikation von Tuchel zu schätzen wissen. Zudem gelang es dem Trainer, mit Sane und Kane ein neues Top-Duo zu bilden, das sehr gut harmoniert. Bemerkenswert: Kane (8 Tore, 4 Vorlagen) und Sane (6 Tore, 1 Vorlage) kommen bei 23 Bundesliga-Toren des FC Bayern zusammengerechnet auf 19 Torbeteiligungen.

Matthäus sieht in Sane potenziellen Weltfußballer

Lothar Matthäus glaubt, dass Sane in dieser Form sogar zu den Top-Stars im Weltfußball aufsteigen könnte. In seiner Sky-Kolumne schreibt er: "Sane gehört für mich zu den besten Spielern Europas. Er ist einer, der alles mitbringt, um auch mal bei einer Weltfußballerwahl oben dabei zu sein. Er performt konstant und macht Tore, sowohl beim FC Bayern als auch in der Nationalmannschaft."

Und weiter: "Sportlich gesehen haben die Bayern keinen Grund zur Unzufriedenheit. Sie haben noch kein Spiel verloren und zweimal gegen hochkarätige Gegner unentschieden gespielt. Man hat gegen Leverkusen und in Leipzig zwei Gegentore kassiert, aber man hat auch jeweils zwei Tore geschossen." Allerdings gäbe es ein Wermutstropfen, denn "natürlich ist Platz drei nicht das, was sich die Bayern vorstellen."

Somit ist klar: Erst wenn der FC Bayern die Tabellenführung zurückgewonnen hat und nicht wieder hergibt, wäre der Tuchel-Effekt vollendet.

Verwendete Quellen:

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