Der ehemals stolze TSV München von 1860 ist nach 25 Jahren wieder drittklassig. Nach einem sportlichen Offenbarungseid in der Relegation gegen Jahn Regensburg und dem skandalösen Verhalten einiger Fans liegt der Verein in Schutt und Asche. Die Aussichten für die Zukunft sind düster.

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1860 hat die Relegation gegen Drittligist SSV Jahn Regensburg ohne große Gegenwehr verloren. In beiden Spielen war Regensburgs Mannschaft der Ansammlung überbezahlter Münchener Individualisten deutlich überlegen.

Nach dem 1:1 aus dem Hinspiel siegte Heiko Herrlichs Mannschaft in der Allianz Arena mit 2:0 gegen eine Löwen-Truppe, die von Trainer Vitor Pereira offenbar ohne nachvollziehbaren Plan oder eine grundsätzliche Spielidee in das wichtigste Spiel des Jahres geschickt wurde.

Stattdessen kramte Pereira plötzlich wieder Kai Bülow aus, zuletzt fand sich der Kapitän oft nur auf der Bank wieder. Ebenso wie Jan Mauersberger und Daniel Adlung, die auf einmal wieder im Kader standen. Die beiden waren bei Pereira eigentlich längst in Ungnade gefallen.

Nach dem 0:2-Rückstand stellte die Nordkurve bereits während der zweiten Halbzeit den Support für die eigene Mannschaft ein, holte alle Banner vom Zaun und bereitete sich offenbar auf den Showdown vor. Zehn Minuten vor dem Ende musste Schiedsrichter Daniel Siebert die Partie unterbrechen.

Schlimme Szenen im Fanblock: Partie vor Abbruch

Aus der Nordkurve flogen Fahnenstangen und Sitzschalen auf den Platz, die Polizei versperrte einigen "Fans" den offenbar gewünschten Platzsturm. Co-Trainer Daniel Bireofka wollte schlichten und wurde ebenfalls beworfen und verbal attackiert. Bierofka konterte ebenso emotional und wurde von Ordnern vom Zaun geführt.

Eine knappe Viertelstunde verging, die Partie stand vor dem Abbruch. Nach Absprache mit der DFL und der Polizei pfiff Siebert die Partie noch einmal an.

In den letzten zehn Minuten flogen während des laufenden Spiels dann weiter Gegenstände aufs Spielfeld, darunter etliche Sitzschalen und Stangen, die Regensburgs Keeper Philipp Pentke entsorgte.

Laut Polizei München wurden zehn Beamte während der Schlussminuten im Stadion verletzt. Ein unwürdiges Szenario und obendrein auch für die Spieler nicht ungefährlich.

Immerhin: Nach dem Abpfiff blieb es verhältnismäßig ruhig im Stadion. Die Geschäftsstelle der Löwen wurde von der Polizei bewacht.

Welche Strafen drohen den Löwen?

Die Deutsche Fußball-Liga wird die Ausschreitungen garantiert sanktionieren. Das letzte Relegationsspiel bildete auch den Abschluss der Saison, die exponierte Stellung mit einer Live-Übertragung im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen und ins Ausland sollte noch einmal Werbung für den deutschen Fußball machen.

Der Schuss ging aber - wie am Vortag in Braunschweig - nach hinten los.

Das Strafmaß dürfte von einer Sperrung der Nordkurve über ein oder mehrere Geisterspiele bis hin zu einem Punktabzug reichen. Geldstrafen sind im Prinzip schon so gut wie sicher.

Wie geht’s sportlich weiter?

Rein faktisch hätte es für Sechzig nicht schlimmer kommen können. 1860-Geschäftsführer Ian Ayre hatte noch vor einigen Wochen erklärt, ein möglicher Abstieg wäre "ein Desaster epischen Ausmaßes".

Ayre hat es am Dienstag übrigens vorgezogen, nicht persönlich im Stadion anwesend zu sein. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" hatte Ayre wenige Stunden vor dem Spiel seine Kündigung eingereicht.

Nach einem Vierteljahrhundert finden sich die stolzen Löwen jedenfalls in den Niederungen der dritten Liga wieder. Welche Verträge auch für die dritte Liga gelten, ist nicht bekannt.

Ob der Klub überhaupt die Lizenzen für die dritte Liga eingereicht hat, ebenfalls. Woher das Geld - die Rede ist von rund 20 Millionen Euro - kommen soll, ist klar. Der Klub selbst ist längst havariert und von Hasan Ismaik abhängig.

Welche Spieler überhaupt bleiben würde, steht ebenfalls in den Sternen. Sechszig unterhielt einen für Zweitliga-Verhältnisse exorbitant kostspieligen Kader, der sich nun in großen Teilen wohl in alle Himmelsrichtungen verstreuen wird.

Mit dem Abstieg der Profis hat der TSV 1860 München Einmaliges geschafft: Weil die Profis nun in die dritte Liga runter müssen, steht auch der Zwangsabstieg der U 21 fest. Die wurde in der Regionalliga Bayern zwar Vizemeister, wird nun aber in die Bayernliga Süd versetzt - die Statuten sehen vor, dass zwischen beiden Mannschaften eine Liga "Puffer" sein muss.

Dazu sind auch die U 19 und die U 17 aus den Junioren-Bundesligen abgestiegen. Und weil die U 17 und die U 16 dasselbe "Problem" haben, wie die Profis und die U 21, muss auch die U 16 in der kommenden Saison eine Etage tiefer antreten.

Fünf Abstiege eines Klubs binnen vier Wochen sind eigentlich kaum zu glauben.

Was das für die Kaderzusammenstellung der Profis bedeutet, ist wie so vieles völlig unklar. Und der Nachwuchsbereich der Junglöwen, in den letzten zehn Jahren so etwas wie der Lichtblick in finstersten Zeiten des Klubs, steuert auch auf eine ungewisse Zukunft zu. Die Abmeldung der U 21 scheint nicht ausgeschlossen.

Wer macht jetzt überhaupt weiter?

"Selbst wenn wir absteigen sollten, wovon ich nicht ausgehe, würde ich an Eurer Seite bleiben. Ich lasse 1860 nie mehr los. Ich habe eine Verantwortung gegenüber Euch", verkündete Ismaik im April.

Das ist aus wirtschaftlicher Sicht so etwas wie ein Segen, weil nur der Jordanier die geforderten Millionen zuschießen kann. Aus inhaltlicher Sicht aber dürfte den Löwen kaum etwas Schlechteres widerfahren.

Ismaik hat in den sechs Jahren seiner "Zusammenarbeit" mit den Löwen außer einer Flut an eigenen Leuten, die er erst eingestellt und dann wieder gefeuert hat, nichts beigesteuert. Kein Konzept, keine Idee, nur das Geld. Und jede Menge Stress und Streit.

"Ich werde meinen Traum, die Löwen wieder zu einer großen Nummer zu machen, niemals aufgeben", sagte Ismaik damals auch noch. Vor ein paar Jahren wollte er Sechzig zu einer Größe vom Format FC Barcelona machen. Jetzt muss erstmal geklärt werden, in welchem Stadion die Löwen künftig spielen.

Trainer Pereira wird gehen (müssen), dazu wohl sein Trainerstab. Peter Cassalette hatte die Arena laut "Süddeutscher Zeitung" noch vor Spielende verlassen. Am späteren Abend legte er dann sein Amt nieder.

Ob irgendwann vielleicht wieder ein Sportdirektor kommt? Niemand weiß es.

Nur so viel: "Grundlegende Änderungen auf allen Ebenen" stünden laut Ismaik an, "ein solides Fundament für einen Neuanfang und eine erfolgreiche Zukunft zu schaffen."

Gibt es einen Lichtblick?

Vielleicht verliert Ismaik doch noch die Lust am Klub. Dann wäre ein kompletter Neustart im Amateurfußball unausweichlich. In der Landesliga oder Bayernliga.

Es gibt mittlerweile nicht wenige Fans, die sich genau das "wünschen": Den kompletten Zusammenbruch aller Systeme, um auszumisten und ganz unten neu anzufangen.

Der Traum von der Rückkehr ins Sechzger an der Grünwalder Straße, mit Spielern aus der Region und der eigenen Jugend. Das reinigende Gewitter. Das ist Fußball-Romantik, die doch ganz schnell Realität werden könnte.

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