• Nicholas Latifi erhielt nach seinem Unfall beim WM-Finale 2021 Morddrohungen.
  • Die hätten sein Fahrverhalten beeinflusst, ist sich Williams-Teamchef Jost Capito sicher.
  • Fakt ist: Latifi bangt um seine Zukunft, er könnte am Ende ohne Formel-1-Cockpit dastehen.

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Eine Szene hat beim WM-Finale 2021 eine Menge verändert. Eine Unachtsamkeit. Ein Moment, in dem Nicholas Latifi die Kontrolle über seinen Williams verlor und beim letzten Saisonrennen in Abu Dhabi in die Streckenbegrenzung rauschte. Der Rest ist Formel-1-Geschichte: die umstrittene Safety-Car-Phase, die historische letzte Runde, der WM-Titel von Max Verstappen. Auch die hässliche Seite gehört dazu: der Streit um das kontroverse Ende, die Absetzung von Rennleiter Michael Masi und auch die Morddrohungen. Sowohl gegen Masi als auch gegen Latifi. Letzterer könnte auch wegen des Hasses gegen ihn seinen Platz in der Motorsport-Königsklasse verlieren.

Man muss dazu sagen: Der Kanadier hat es 2020 und 2021 nicht geschafft, sich bei Williams in den Vordergrund zu fahren. Im ersten Jahr holte er im (unterlegenen) Auto null, in der zweiten Saison dank einer Aufwärtstendenz immerhin sieben Punkte. Doch nach dem WM-Finale und nach dem Hass und den Morddrohungen hat er seinen Rhythmus verloren, da war er auf der Strecke lange nicht mehr der Alte, sagt sein Chef.

Auf das Fahrverhalten ausgewirkt

"Ich bin sicher, dass sich das auf sein Fahrverhalten ausgewirkt hat", erklärte Teamchef Jost Capito im "High Performance Podcast": "Es hätte auch meine Fahrweise sehr beeinflusst, davon bin ich absolut überzeugt. Ich denke, das war auch ein Grund, warum er in der Saison eine Weile brauchte, um seine Leistung wiederzufinden", so Capito.

Latifi unterliefen auffallend viele Fehler. Während sein Teamkollege Alex Albon trotz der beschränkten Möglichkeiten in dem Auto hin und wieder glänzte und vier Punkte holte, sorgte Latifi für Kleinholz, Spott und Kritik. Und dafür, dass früh darüber spekuliert wurde, dass er seinen Platz in der Formel 1 verlieren könnte. Lange schien es in Stein gemeißelt, dass Alpine-Talent Oscar Piastri Latifi ersetzt. Seit der Australier bei McLaren unterschrieben hat, ist die Reihe an Kandidaten, die Latifis Platz wollen, noch größer geworden. Mick Schumacher wird auch als möglicher Nachfolger gehandelt.

Vorwürfe, dass Latifi damals gecrasht ist, gab es vonseiten des Teams allerdings keine und wird es auch nicht geben. "Natürlich hätte der Crash nicht passieren dürfen, aber wenn du Rennen fährst, kann sich immer ein Crash ereignen", sagte Capito. "Wenn du das vermeiden willst, musst du zu Hause bleiben."

Aufbauarbeit für Latifi

Natürlich wurde im Anschluss mentale Aufbauarbeit geleistet, wurde dem 27-Jährigen versichert, dass alles in Ordnung sei, "aber es war sehr schwierig, ihn aufzumuntern, weil es das Ende der Saison war, alle verabschiedeten sich in den Urlaub und er war deshalb nicht jeden Tag hier", so Capito. Latifi ging mit den Anfeindungen auf seine eigene Art und Weise um – er machte sie öffentlich. Gleichzeitig bewegte er sich in der Öffentlichkeit, teilweise auch mit Leibwächtern. "Für manche Leute klingt es albern, aber letztendlich weiß man nicht, wie ernst die Leute es meinen", sagte Latifi damals.

Für Williams wie auch für Latifi war das Thema deshalb nie erledigt, "wir haben ihm das Vertrauen gegeben und ihn die ganze Saison über unterstützt. Wir wussten, dass er zur alten Form zurückfinden würde", sagte Capito. Tatsächlich gab es öffentlich kaum Kritik an Latifi, der gleichzeitig auch mit der neuen Auto-Generation nicht gut klarkam.

Eine schwierige Kombination, die sich gut in Zahlen ablesen lässt. Im Quali- und Renn-Duell mit Albon liegt er jeweils 3:12 hinten.

Immer noch kein Punkt

Er ist nach 16 Rennen der einzige Fahrer, der noch keinen einzigen Punkt holen konnte. Zuletzt in Monza wurde er von Albons Ersatzmann Nyck de Vries sportlich gedemütigt, als der Niederländer für Latifis erkrankten Teamkollegen spontan ins Auto sprang und Neunter wurde, während Latifi nur Platz 15 erreichte. Zuvor war de Vries auch im Qualifying schneller – nach zuvor nur 60 Minuten Trainingszeit im Auto.

Womit wir beim entscheidenden Punkt sind, wenn Capito sagt, dass man gewusst habe, dass er zur alten Form zurückfinde: Ist die aktuelle Leistung die Bestform, dürfte die Zeit von Latifi in der Formel 1 abgelaufen sein. Ob er ohne Abu Dhabi vielleicht den berühmten nächsten Schritt gemacht hätte, ist dabei hypothetisch.

Er klammert sich an die Hoffnung, dass noch nichts entschieden ist. "Es wird keine Magie geben oder ein spezielles Ergebnis in einem Rennen, das ich haben muss, um mir diesen Platz zu sichern. Es geht nur darum, dem Team konstante Leistungen zu zeigen", sagte er. "Das ist gut zu wissen, denn für mich ist klar, dass ich diese Leistung erbringen muss. So einfach ist das." So einfach, für Latifi aber wohl doch zu schwer.

Verwendete Quellen:

  • High Performance Podcast
  • TV-Übertragung
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