Für Lance Stroll ist 2023 eine äußerst schwierige Saison. Der Aston-Martin-Pilot vermittelt immer mehr den Eindruck, als habe er seine Motivation verloren und keine Lust mehr auf die Formel 1. Er sorgte nun in Katar für einen Tiefpunkt.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Lance Stroll pfefferte sein Lenkrad weg und stieg aus seinem Aston Martin. Der Kanadier war sauer, er war unzufrieden. Wieder einmal lief bei ihm nichts zusammen, am Freitagabend in Katar nach dem Qualifying entlud sich nach Platz 17 der Frust. Nachdem er aus dem Auto gestiegen war, versuchte Henry Howe, Strolls Performance Coach, noch auf ihn einzureden. Vergeblich. Stroll wollte nicht sprechen, stattdessen schubste er Howe ziemlich heftig, was TV-Kameras einfingen. Die Kritik in den sozialen Medien war groß.

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Vor allem, nachdem Stroll anschließend mit einem provozierenden Null-Bock-Interview noch einen draufsetzte. Zu dem Zeitpunkt wusste der Interviewer noch nichts von dem Schubs-Vorfall in der Garage von Aston Martin, weshalb es nur um sportliche Dinge ging. So wurde Stroll nach seinen Gefühlen nach dem verpatzten Qualifying gefragt. "Ja, Scheiße", antwortete er. Was klappe im Moment nicht, lautete die nächste Frage. "Ich weiß es nicht", sagte Stroll. Und auf die letzte Frage, wie er das Wochenende nun angehe, sagte Stroll: "Ich fahre einfach weiter." Ende.

Mehr Fragen als Antworten

Womit Stroll mal wieder mehr Fragen aufwarf, als dass er echte Antworten lieferte. Wobei diese Lustlos-Gespräche inzwischen eine Art negatives Markenzeichen geworden sind: Interviews mit Stroll sind in der Regel so langweilig wie unergiebig. Sportlich präsentiert er sich ähnlich bieder. Seit Wochen hat er keine Chance mehr im Duell mit seinem Teamkollegen Fernando Alonso.

In den vergangenen acht Rennen fuhr er nur noch ganze drei Punkte ein, Alonso im gleichen Zeitraum 52. Im Rennduell steht es über die Saison hinweg 1:16, in Gesamtpunkten 47:183. Er fühle sich seit dem Rennwochenende in Österreich nicht mehr wohl im Auto, erklärte Stroll. Doch parallel heißt es, dass ihm angeblich die Motivation fehle, er strahle negative Vibes aus. Was Auftritte wie in Katar nur unterstreichen.

Von seinem Teamchef Mike Krack wurde Stroll nach dem Ausraster in Schutz genommen. "Ich glaube, der Sport lebt von solchen Emotionen und man sollte das auch nicht zu sehr verurteilen, wenn man in so einer Situation ist. Also im Team gibt es kein Problem. Wir haben darüber gesprochen. Alles gut", so Krack. Hat Stroll Fehler eingesehen und sich entschuldigt? "Das hat er gemacht. Absolut. Kein Problem", so Krack, der seit Wochen auch versucht, Stroll sportlich aus der Schusslinie zu nehmen. Man sei zu 100 Prozent zufrieden mit ihm, heißt es.

Doch sein Fahrer tut alles, um sich immer wieder in den Fokus zu rücken. Warum er immer noch für Aston Martin fährt und noch nicht rausgeflogen ist? Weil er der Sohn von Milliardär und Teambesitzer Lawrence Stroll ist, der seinem Filius die Rennfahrer-Karriere finanziert. Letztendlich hat er das Team gekauft, um Lance einen dauerhaften Platz in der Königsklasse garantieren zu können. Stroll junior ist kein schlechter Rennfahrer, müsste aber ohne die Rückendeckung seines Vaters fraglos mehr um sein Cockpit bangen. Erst recht nach solchen Auftritten wie in Katar.

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Rosberg-Kritik: "Das geht alles gar nicht"

"Das geht alles gar nicht", sagt Sky-Experte Nico Rosberg. "Das ist schlecht zu sehen. Wenn es nicht der Sohn von Teambesitzer Lawrence Stroll wäre, würde er nächste Saison nicht mehr im Auto sitzen. Es ist eine schwierige Situation. In der Theorie kann er das Auto ja fahren. Er war Anfang des Jahres nicht weit weg von Alonso", sagte Rosberg, der auf die mentale Seite verweist. "Man versteht nicht, was bei ihm passiert ist, es ist aber auch eine mentale Spirale. Diese negativen Gedanken gehen mit ins Auto, du hast nur noch Angst, dass alle lachen. Das zieht dich runter, und es ist schwer, da rauszukommen."

Sky-Experte Ralf Schumacher meint, dass Stroll seinen Platz räumen sollte, wenn die Motivation fehlt. "Man sollten den Helm lieber an den Nagel hängen, anstatt ihn wegzuwerfen, damit andere eine Chance bekommen. Aber da spielt die Familie eine wichtige Rolle", sagte Schumacher. Gerüchten zufolge pocht vor allem Mama Claire-Anne Stroll nach Unfällen in diesem Jahr wie zum Beispiel in Singapur darauf, dass ihr Sohn seine Formel-1-Karriere beendet. Klar ist auch: Will Lawrence Stroll mit seinem Team die Großen weiter angreifen, braucht er einen starken zweiten Fahrer neben Superstar Alonso.

Der Frust breitet sich aus

Was sagt Stroll selbst? Macht ihm die Formel 1 noch Spaß? "Ja, sicher. Ich komme nur mit dem Auto und mit der Balance nicht so gut klar. Ich schaffe es nicht, die Performance zu extrahieren. Das ist schwierig. Frustrierend", sagte Stroll, der zudem betonte, dass mit seinem Coach wieder alles in Ordnung sei. "Er ist ein Bro. Wir machen gemeinsam auch mal Frust durch. Alles cool". Sportlich ist aber nun mal nichts cool im Moment. "Wir haben keinen guten Lauf, und es wird nicht besser. Der Frust breitet sich in der ganzen Gruppe aus. Wir wollen besser werden, aber es ist im Moment schwierig", sagte Stroll. Vor allem für ihn.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenzen
  • TV-Übertragung Sky


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