Das neue Einbürgerungsgesetz der Bundesregierung macht es Ausländern einfacher, einen deutschen Pass zu erlangen. Im Sport kann es dazu führen, dass deutsche Spieler, insbesondere Nachwuchsspieler, mit eingedeutschten Athleten um Kaderplätze konkurrieren. Im Eishockeysport sind die Befürchtungen besonders groß, manche nehmen das Gesetz aber auch als Chance wahr.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Victoria Kunzmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Viel Zeit, Geduld, eine große Portion Motivation und Geld – die Liste ist lang an Voraussetzungen für diejenigen, die in Deutschland Eishockey-Profi werden wollen. Wer Fußball spielt, schnappt sich einen Ball und geht auf den Bolzplatz, beim Eishockey ist das etwas schwieriger. Das ist es immer gewesen – und deshalb einer der Gründe, weshalb es der Eishockeysport strukturell schon immer ein wenig schwieriger hatte als König Fußball.

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Deutschland attraktiver für Fachkräfte machen: Das neue Einbürgerungsgesetz

Durch ein Gesetz der Bundesregierung könnte es nun für den deutschen Eishockey-Nachwuchs ungewollt noch etwas schwieriger werden, als es ohnehin schon ist: Im Januar hat die Ampel-Koalition beschlossen, Einwanderung nach Deutschland zu vereinfachen – und die Bundesrepublik damit attraktiver für Fachkräfte zu machen.

Ausländische Staatsbürger sollen nach fünf statt bisher acht Jahren den deutschen Pass bekommen, in besonderen Ausnahmen sogar schon nach drei. Und: Die Bundesregierung unterstützt die doppelte Staatsbürgerschaft, man muss seinen bisherigen Pass also nicht mehr abgeben.

Bei Sportlern kann eine Einbürgerung nach drei Jahren stattfinden: "Aus sportfachlicher Sicht kommt nach dem derzeit geltenden Recht eine vorzeitige Einbürgerung in Betracht, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an einer vorzeitigen Einbürgerung besteht", schreibt Cornelius Funke, Sprecher des Bundesinnenministeriums, auf Anfrage unserer Redaktion. Dieses besondere öffentliche Interesse müsse vorher geprüft werden.

Warum könnte das neue Einbürgerungsgesetz die deutsche Eishockey-Jugend gefährden?

Jeder Eishockey-Kader besteht aus 20 Feldspielern und zwei Torhütern. Teams der Deutschen Eishockey Liga (DEL) dürfen maximal neun ausländische Spieler haben, das haben die Klubs per "Gentleman’s Agreement" ausgemacht, also einer stillen Vereinbarung. Hinzu kommen drei Kontingentplätze für U23-Spieler. Laut dem Portal "Eishockeynews.de" kommen 106 dieser ausländischen Eishockeyspieler in den ersten drei Ligen für eine Einbürgerung nach drei oder fünf Jahren infrage.

Claudio Preto, Erster Vorstand im Eishockey-Leistungszentrum Jungadler Mannheim, vermutet die Konsequenzen wie folgt: "Für jeden ausländischen Spieler eines DEL-Klubs, der die deutsche Staatsangehörigkeit annimmt, haben sie wieder einen Platz für ausländische Spieler frei, die sie neu besetzen werden."

Spielerberater Klaus Hille, Gründer der Sports Consulting Group, denkt das Szenario weiter: In einem DEL-Spiel können "realistisch sieben Deutsche über 21 Jahren spielen", wenn ein Klub sein Ausländerkontingent ausschöpft und die U21-Spieler auf dem Eis stehen. Das könnte also zur Folge haben, dass weniger in Deutschland ausgebildete Spieler zum Zug kommen.

"Die Jugendarbeit ist ein anderes Thema, das mit der Einbürgerung erst mal wenig zu tun hat."

Felix Dötsch, Pressesprecher Iserlohn Roosters

Die Iserlohn Roosters gehen pragmatischer an die neue Regelung. "Die Jugendarbeit ist ein anderes Thema, das mit der Einbürgerung erst mal wenig zu tun hat", sagt Felix Dötsch, Pressesprecher des Klubs. Die Roosters zeigen seit Jahren, wie gute Jugendarbeit funktionieren kann. Vom Eishockey-Bund DEB und der Liga wurde ihnen das Prädikat "Fünf Sterne Plus" verliehen, das für besonders gute Talentförderung steht.

Gleichzeitig eilte Iserlohn bis vor ein paar Jahren der Ruf voraus, ausländische Eishockeyspieler schneller einzubürgern, als es bei anderen Vereinen möglich wäre. Nationalspieler Moritz Müller bezeichnete die Iserlohn Roosters einst als "kanadische 1C-Nationalmannschaft".

Kaum Konsequenzen, höchstens mehr Qualität

Der deutsche Eishockey-Verband und die Liga äußern sich nur vorsichtig zum neuen Einbürgerungsgesetz und möglichen Konsequenzen. Beide Organisationen wollten gegenüber unserer Redaktion nicht sprechen. Frühestens, wenn das Gesetz beschlossene Sache ist. Man sehe "keinen Grund zum Aktionismus, zumal die Entscheidung ja auch alles andere als überraschend für uns kommt", sagte DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke bei "Eishockeynews.de".

Aktionistisch wolle man schon deshalb nicht sein, da niemand wisse, wie viele Spieler sich einbürgern lassen. 41 Spieler der ersten drei Ligen könnten sich laut "Eishockeynews.de" schon in diesem Sommer einbürgern lassen, sie sind lang genug in Deutschland und haben ein fortlaufendes Arbeitspapier. In Iserlohn prüft man, welche ihrer Spieler infrage kommen würden. "Das neue Einbürgerungsgesetz eröffnet zusätzliche Planungswege", gibt Sprecher Dötsch zu, sagt aber auch: "Es ist nicht essenziell für unsere Kaderplanung."

Laut Berater Hille käme eine Einbürgerung für diejenigen Spieler infrage, "die ihren Lebensmittelpunkt nach der Karriere in Deutschland" sehen, da Sprach- und Wissenstests zeitintensiv sind. Die meisten ausländischen Spieler kommen aus den USA und Kanada in die DEL, sind meist Ende 20, Anfang 30 – und haben ihren Lebensmittelpunkt gefunden. Es könnte also sein, dass die Anzahl der Spieler, die sich einbürgern lassen möchte, nicht so groß ist wie angenommen.

Berater Klaus Hille ist überzeugt: "Die richtig guten Spieler werden sich durchsetzen", sagt er. "Das sind auch diejenigen, die in der Nationalmannschaft spielen." Denn dort habe man so gut wie nie eingedeutschte Spieler.

Weniger deutsche Nachwuchsspieler, schlechtere internationale Konkurrenzfähigkeit

Claudio Preto von den Jungadlern Mannheim ist weniger optimistisch. Er befürchtet mehr Frust bei den jugendlichen Eishockeyspielern. "Der Nachwuchs wird leiden", sagt Preto. Denn der Eishockeysport koste viel Geld und Zeit. "Wer wird sich das noch antun, wenn er weiß, die Chancen oben mitzuspielen sind gering?" Er glaubt, die Motivation hört schnell auf, wenn der Sprung in den Profikader noch schwieriger ist als bisher. Denn schon jetzt würde es ja nur ein kleiner Teil in die oberen Ligen schaffen. Durch die neue Regelung würde ein falsches Signal an den sportlichen Nachwuchs gesendet.

Die Folgen könnten verheerend sein, meint Preto: "Wenn immer weniger deutsche Spieler auf Topniveau spielen, können sie sich auch nicht mehr so gut auf internationalem Topniveau messen." Schon jetzt sei die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft nicht konstant wettbewerbsfähig mit den Topnationen. Das würde auch die Liga wiederum entwerten. Preto schlägt deshalb ein weiteres "Gentleman’s Agreement" vor, also eine Vereinbarung der Teams, nur eine bestimmte Anzahl an eingebürgerten Spielern einzusetzen.

Fazit: Kann dauern, bis Folgen spürbar sind

Welche Konsequenzen das neue Einbürgerungsgesetz auf den deutschen Profisport haben wird, ist noch nicht absehbar. Das hängt vor allem davon ab, wie viele sich tatsächlich einbürgern lassen wollen. Hierzu weist das BMI darauf hin, dass schon jetzt Sportlereinbürgerungen nach drei Jahren möglich sind, wenn sie von "besonderem öffentlichen Interesse" sind.

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Cornelius Funke, Sprecher des BMI, glaubt deshalb, dass "keine Wettbewerbsverzerrungen erkennbar" seien. Iserlohns Pressesprecher Dötsch glaubt ebenfalls nicht, dass die Qualität im Eishockey von diesem Gesetz abhängt. "Die Kaderplanung im Eishockey ist wie ein Puzzle. In jedem Fall aber ist sie eine Frage des Geldes. Gute Spieler kosten mehr Geld, unabhängig von ihrem Pass."

Sollte die neue Regelung, die laut BMI ab Juni in Kraft tritt, größere Wellen schlagen und zu einer Einbürgerungswelle führen, könnte das tatsächlich Auswirkungen auf die Kaderstruktur haben. Ob das eintritt, bleibt abzuwarten. Der Eishockeysport ist am stärksten betroffen, da er von Importspielern lebt, doch auch bei anderen Mannschaftssportarten könnten die Auswirkungen groß sein, zum Beispiel beim Basketball.

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