• Fallon Sherrock schrieb zuletzt mit starken Leistungen beim Grand Slam of Darts wieder Schlagzeilen. Dort scheiterte sie erst im Viertelfinale – und sorgte für Meilensteine.
  • Vor zwei Jahren ging ihr Stern bei der WM auf, als sie als erste Frau im "Ally Pally"einen Mann besiegte. Der Weg dorthin war allerdings nicht einfach.
  • Kommentatoren-Legende Elmar Paulke sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: "Wenn sie das Niveau halten kann, gehört sie in der Weltrangliste oben dazu.“

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Die Lebensgeschichte sieht man Fallon Sherrock nicht an. Die Britin lacht, strahlt, sie scherzt, ist locker und nicht auf den Mund gefallen, hat immer einen Spruch auf den Lippen. Die 27-Jährige rockt den Darts-Sport, mischt die Männer-Welt auf – der Weg dorthin war allerdings alles andere als ein Selbstläufer. Denn bevor sie Ende 2019 Geschichte schrieb, als sie als erste Frau bei der Darts-WM ein Spiel gewann, hatte sie mit Schicksalsschlägen zu kämpfen. Mit einer nicht ganz einfachen Vergangenheit.

Zu der gehörten Nierenprobleme, mit der sie seit der Geburt ihres Sohnes 2014 zu kämpfen hat. Oder Anfeindungen und Beschimpfungen, weil ihr Gesicht 2017 durch die Medikamente zwischenzeitlich aufgedunsen war. Sie hat die Trolle weitestgehend ignoriert, ließ sich durch die Kommentare nicht beeinflussen, sondern wuchs daran. Kraft gibt der alleinerziehenden, gelernten Friseurin Sohn Rory, der mit der Erlaubnis der Mama auch mal länger aufbleiben darf, um die Spiele zu verfolgen. Der Siebenjährige hat Autismus, ihre Trainingszeiten richten sich nach den Schlafenszeiten ihres Sprösslings.

Paulke über Fallon Sherrock: "Eine große Erfolgsgeschichte“

Sherrocks etwas ungewöhnlicher Weg in das Scheinwerfer-Licht ist spätestens seit 2019 vielen Darts-Fans nur zu gut bekannt, "das ist eine große Erfolgsgeschichte“, sagt Kommentator Elmar Paulke im Gespräch mit unserer Redaktion. "Sie geht sehr cool mit der großen Aufmerksamkeit um, und diese Gelassenheit zeichnet sie auch privat aus. Und so ist sie auch auf der Bühne, und das ist eine große Stärke in ihrem Spiel.“

Zu dem sie übrigens erst spät fand: 2011, mit 17 Jahren, spielte sie ihr erstes Darts-Turnier. Danach drückte sie auf das Tempo, ließ sich auch von zwischenzeitlichen sportlichen Rückschlägen nicht beirren. 2012 gewann sie den Juniorinnen-Titel bei den Winmau World Masters, drei Jahre später schaffte sie bei der Frauen-Darts-WM der British Darts Organisation BDO den Einzug in das Finale und feierte beim Finder Darts Masters ihren ersten Major-Sieg. 2018 legte sie mit dem Sieg bei der World Darts Trophy nach.

2019 erstmals auf der großen Bühne

2019, mit 25 Jahren, stand sie schließlich erstmals auf der ganz großen Bühne bei der World Darts Championship des Verbandes PDC (Professional Darts Corporation) im Alexandra Palace ("Ally Pally“) und schaltete mit Siegen gegen Ted Evetts und Mensur Suljovic bei ihrem Karriere-Aufstieg gleich drei Gänge höher. Sie war die erste Frau überhaupt, die bei der WM ein Spiel gewann.

Die neue "Queen of the Palace" schrieb weltweit Schlagzeilen, hatte zahlreichen Medientermine, TV-Auftritte, wurde zu Darts-Galas eingeladen. "Was sie vor zwei Jahren im Ally Pally geschafft hat, hat zurecht weltweit für Schlagzeilen gesorgt“, sagt Paulke. Sie zeige, dass Darts keine Frage der Kraft und Athletik sei und es keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern gebe, so Paulke. "Der Unterschied: Es wurde viel früher in den Männer-Bereich investiert, weshalb im Moment noch viel mehr Männer Darts spielen als Frauen. Deshalb ist Fallon mit ihren Erfolgen für das Frauen-Darts enorm wichtig, um Strukturen zu schaffen und Dinge anzustoßen.“

Corona kommt zur Unzeit

Doch dann kam Corona, und die Krise zog bei ihr erst einmal den Karriere-Stecker, viele Events wurden abgesagt, sie konnte sich nicht mehr zeigen. Der negative Höhepunkt: Sie scheiterte im vergangenen Jahr in der Qualifikation zur WM auf dramatische Art und Weise. "Corona hatte ihre Karriere zunächst komplett zerpflückt, das kam für sie zum völlig falschen Zeitpunkt“, so Paulke.

Doch Sherrock – Markenzeichen markante Brille, wasserstoffblonde Haare, rosa Shirt und Darts – ließ sich nicht beirren und nutzte die Zwangspause, um ihr Spiel zu verbessern, "und kommt jetzt spielerisch stärker zurück als vorher“, so Paulke.

Sherrock, die zu “Last Friday Night” von Katy Perry einläuft, prägte 2021 vor allem die Frauen-Tour, kehrt pünktlich zur WM aber wieder ins Rampenlicht zurück. Beim Einladungsturnier "Nordic Darts Masters" im September verlor sie erst im Finale gegen Superstar Michael van Gerwen. "Sie war das ganze Turnier phänomenal. Sie ist nicht nur für das Damen-Darts ein Top-Talent, sondern für den gesamten Darts-Sport", lobte van Gerwen anschließend auf Instagram.

Sherrock ab 15. Dezember wieder zurück auf der WM-Bühne

Daneben sicherte sie sich das Ticket für den Grand Slam of Darts, wo sie in der vergangenen Woche unter anderem den Deutschen Gabriel Clemens spektakulär nach 1:3 noch 5:3 inklusive 170er-Finish besiegte und auch erneut gegen Suljovic gewann. Bei ihrem Sieg im Gruppenspiel gegen Mike De Decker schaffte sie zudem mit einem Average von 101,55 den höchsten einer Frau in einem im TV übertragenen Spiel. Und sie erreichte als erste Frau im Live-TV bei einem PDC-Event das Viertelfinale und scheiterte erst dort an Ex-Weltmeister Peter Wright.

"Ausgepumpt, zufrieden, müde, traurig, glücklich, begeistert, enttäuscht, so viele Emotionen und Erinnerungen“, schrieb sie nach ihrem Aus und einer erneut guten Leistung gegen Wright auf Twitter.

Sherrock kehrt nun ab dem 15. Dezember auf die große WM-Bühne zurück, tritt nach einem Jahr Pause wieder im "Ally Pally" an, die Qualifikation dafür schaffte sie vorzeitig. "Es wird eine großartige Erfahrung, dorthin zurückzukehren. Besonders jetzt, da die Menschenmassen wieder zurückkommen", sagte Sherrock nach der erfolgreichen Quali.

Sherrock muss konstanter werden

Was zeichnet Sherrock zwei Jahre nach dem Karriere-Kick aus? "Sie ist unheimlich gelassen, verdammt nochmal abgezockt und wahnsinnig cool in den wichtigen Momenten“, lobt Paulke: "Unter Druck das höchste Finish spielen – das können echt nicht viele. Das ist atemberaubend und eine besondere Eigenschaft in diesem mentalen Sport."

Doch natürlich gibt es Verbesserungspotenzial. In erster Linie ist es die Konstanz. "Die Weltspitze spielt regelmäßiger einen Standard, den sie noch nicht in der Regelmäßigkeit schafft wie die Topstars. Daran muss sie arbeiten, das müsste sie Woche für Woche zeigen, um vorne dabei zu sein“, sagt Paulke.

Großes Potenzial für große Erfolge

Aber das Potenzial ist groß. "Wenn sie so spielt wie zum Beispiel gegen Gabriel Clemens, dann gehört sie zu den Top 20 der Welt. Die Frage ist: Wie oft kann sie das abrufen? Sie schafft allerdings das Ungewöhnliche häufig, und wenn sie das Niveau halten kann, gehört sie in der Weltrangliste oben dazu“, so Paulke.

Er traut der 27-Jährigen deshalb eine Menge zu. Bei der kommenden WM könne sie "ein paar Runden gewinnen, dabei auch gute Spieler schlagen“, glaubt der Darts-Experte. "Und mittelfristig wird sie sich die Tour-Card holen und richtiger Bestandteil des Profi-Zirkus sein“, so Paulke. Mit dieser Card ist sie dann berechtigt, die Pro Tour des Verbandes PDC zu spielen. Paulke weiß: "Und das ist nochmal ein anderer Schnack als bislang. Sie wird dann nochmal ein, zwei Jahre brauchen, um sich auf der Profi-Tour zu etablieren und zu akklimatisieren."Doch ihre Lebensgeschichte zeigt: Sherrock ist darauf vorbereitet.

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