• Am 1. September startet in Deutschland die Basketball-EM.
  • Im Interview mit unserer Redaktion spricht Ex-Nationalspieler Patrick Femerling über die schwierige Vorbereitung des DBB-Teams.
  • Außerdem erklärt der ehemalige Center, warum NBA-Star Dennis Schröder die Spiele nicht im Alleingang gewinnen kann.
Ein Interview

Basketball-Fieber in Deutschland: Am Donnerstagabend beginnt in Köln die Basketball-Europameisterschaft 2022 und das deutsche Team möchte den Heimvorteil für ein gutes Ergebnis nutzen. Das wird nicht leicht, denn mit Frankreich, Litauen, Slowenien, Bosnien und Ungarn ist die Gruppe B durchaus stark besetzt. Was für Deutschland also zählt: in seiner Gruppe unter die besten vier zu kommen, um so die Finalrunde zu erreichen.

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Rekordnationalspieler Patrick Femerling spricht im Interview mit unserer Redaktion über die holprige Vorbereitung des DBB-Teams, den Einfluss von NBA-Star Dennis Schröder sowie mögliche Auslöser eines Basketball-Booms in Deutschland.

Herr Femerling, wie groß ist Ihre Vorfreude auf die Heim-EM?

Patrick Femerling: Ich freue mich riesig darauf und bin mit meinem WM-Team von 2002 am Abend gegen Frankreich sogar in der Halle in Köln. Ich glaube, die Spieler und alle Beteiligten freuen sich auf das Ereignis. Mit den Fans im Rücken wird es wahrscheinlich ein tolles Ereignis.

Was trauen Sie der deutschen Mannschaft bei der EM zu?

In der jetzigen Situation mit Absagen aufgrund von Verletzungen und einigen Ausfällen im Lauf der Vorbereitung ist die Euphorie natürlich gedämpft. Aber wir haben eine gute Mannschaft, die zuletzt gegen Europameister Slowenien ein wirklich gutes Spiel gemacht hat. Ich hoffe, dass alle Spieler gesund bleiben, dann kann das DBB-Team eine wirklich gute EM spielen. Ob dies dann bedeutet, dass es für eine Medaille reicht oder für eine sehr gute Platzierung, wird sich im Laufe des Turniers zeigen. Wichtig ist aber, dass wir gut ins Turnier starten.

Warum ist die Auftaktpartie gegen Frankreich bei der Basketball-EM so wichtig?

Natürlich ist das Spiel gegen Frankreich zum Auftakt wichtig und alle wollen dieses Spiel gewinnen. Das ist auch möglich. Aber es ist fast noch wichtiger, dass das Team dort gut spielt, um dann den Rhythmus und im Falle einer Niederlage auch den Ärger und Trotz daraus mitzunehmen für die weiteren Aufgaben.

Welcher Spieler hat Sie bislang überrascht im Vorfeld der Europameisterschaft?

Ich möchte hier niemanden besonders herausheben. Festhalten lässt sich aber, dass die Mannschaft eine gute Entwicklung durchlaufen hat. Aber ein EM-Spiel ist noch einmal etwas anderes, da kannst du davor so viele Härtetests machen, wie du willst. So eine EM im eigenen Land ist und bleibt einfach etwas Besonderes, aber so wird das Team auch daran herangehen.

Wie bewerten Sie die holprige Vorbereitung mit vielen Kaderveränderungen binnen kürzester Zeit? Hat diese das Team noch mehr zusammengeschweißt?

Ich hoffe darauf. Natürlich fehlen einige Spieler, die eine gute Rolle hätten spielen können bei diesem Turnier. Aber das passiert einfach im Sport und die Spieler werden auch irgendwann wieder fit zurückkommen. Doch das EM-Team hat zusammen viele Hindernisse überwunden in den vergangenen Wochen und geht daraus sicherlich gestärkt hervor.

Patrick Femerling: "Es braucht verschiedene Anführer"

Wie viel Last liegt bei dieser EM auf den Schultern von NBA-Star Dennis Schröder, dem derzeit besten deutschen Basketballer?

Er ist jemand, der Verantwortung übernehmen will und kann. Auch sportlich und menschlich ist er in den vergangenen Jahren immer weiter gereift. Es ist toll, das von außen zu beobachten. Natürlich wird er maßgeblich am deutschen Erfolg beteiligt sein, aber nicht im Alleingang. Das funktioniert im europäischen Basketball schlichtweg nicht. Natürlich gibt es Phasen, in denen einzelne Spieler dominieren können, sei es durch Punkte, Mitspieler in Szene setzen oder intensive Verteidigung. Aber über ein komplettes Turnier auf europäischem Topniveau kann das nicht einer alleine richten. Es braucht verschiedene Anführer. Im deutschen Team sind das neben Schröder auch Joe Voigtmann und Maodo Lo. Auch Franz Wagner kann in diese Rolle schlüpfen. Es ist wichtig, dass Schröder auch Verantwortung abgibt und andere miteinbezieht. Das hat zuletzt bereits sehr gut geklappt.

Richten wir den Blick auf die anderen Mannschaften, die bei der EM vertreten sind. Wer sind Ihre Favoriten bei der EM?

Auf dem Papier sind für mich Griechenland, Frankreich und Serbien die drei Topfavoriten. Der griechische Kader sieht sehr stark aus und wird von NBA-Superstar Giannis Antetokounmpo gekrönt. Die Serben haben ein sehr erfahrenes und abgezocktes Team mit NBA-MVP Nikola Jokic an der Spitze. Frankreich bietet traditionell eine starke Mannschaft auf, die mit Verteidigungs-Ass Rudy Gobert aus der NBA ihren größten Star aufbieten kann.

Auf welchen Spieler aus den anderen Teams freuen Sie sich am meisten?

Zunächst einmal ist es toll, die NBA-Stars nicht nur mitten in der Nacht auf dem Fernseher zu sehen, sondern live in der Halle. Für mich ist es besonders interessant, Jokic zu sehen. Er spielt nominell auf einer ähnlichen Position wie ich früher (Center; Anm. d. Red.). Aber auch Antetokounmpo mit seinen unglaublichen körperlichen Voraussetzungen ist spannend. Letztendlich würde man aber jedem Superstar Unrecht tun, wenn man ihn nicht nennen würde. Daher freue ich mich vor allem auf spannende Spiele mit unglaublich viel Talent in den Mannschaften.

Erwarten Sie nach dem Turnier einen Basketball-Boom in Deutschland?

In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Basketball in Deutschland bereits enorm weiterentwickelt. Natürlich sollte man mit dem Erreichten nicht zufrieden sein, sondern analysieren und überlegen, wie sich Basketball in Deutschland weiterentwickeln könnte. Das gilt für alle Bereiche von der Nachwuchsarbeit bis zu den Profiteams in Deutschland. Wenn der Erfolg da ist und zwischen Team und Zuschauern eine Verbindung entsteht, was möglich sein sollte, kann daraus noch einmal ein weiterer Boost und ein verstärktes Interesse entstehen, weil die Nationalmannschaft schlichtweg immer noch das Aushängeschild ist. Die EM wird national und international von vielen Menschen verfolgt werden, die sonst nicht alle Ereignisse im Basketball mitverfolgen. Es ist eine schöne Entwicklung, solch ein Turnier vor den eigenen Fans bestreiten zu dürfen.

Zur Person: Patrick Femerling ist mit 221 Länderspielen Rekordnationalspieler der Basketball-Nationalmannschaft und spielte in seiner aktiven Zeit unter anderem für den FC Barcelona und ALBA Berlin. Zuletzt arbeitete der gebürtige Hamburger als Trainer im Nachwuchsbereich des DBB.

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