Zehn Monate nach dem Start ist der Fernbusmarkt in Deutschland ein hart umkämpftes Geschäftsfeld geworden - und für viele Passagiere eine neue Art zu Reisen. Jetzt drängen gleich zwei Konkurrenten in den Markt, die beide einem ehemals staatlichen Monopolkonzern gehören.

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Bis zum 1. Januar 2013 gab es für Göttinger Studenten ohne eigenes Auto nur zwei Möglichkeiten am Wochenende nach Hause oder zum Freund zu fahren. Entweder sie entschieden sich für die Deutsche Bahn - Göttingen ist die Stadt mit den meistverkauften Bahncards pro Einwohner in Deutschland. Oder sie nutzten die Dienste einer Mitfahrzentrale.

"Die Fernbusse sind so, wie die Bahn sein sollte"

Das Problem mit der Bahn waren eindeutig die Preise. 80 Euro Normalpreis für eine einfache Fahrt nach Hamburg sind viel Geld. Selbst mit Bahncard ist die ICE-Verbindung noch deutlich teurer als das Benzin für einen Pkw. Auch die Regionalbahn ist keine echte Alternative, weil sie zwar billiger ist, dafür aber aus kleinen Entfernungen leicht Tagestouren werden. Fans für die Bahn gewann das Unternehmen mit seiner Preispolitik unter den Göttinger Studenten ganz sicher nicht.

Seit der Liberalisierung des Marktes gibt es jetzt einen neuen Wettbewerber, der auch in Göttingen heftig um Kunden buhlt: die Fernbusse. Sie sind nicht nur ein neues Verkehrsmittel im Wettbewerb, sondern lösen bei vielen Reisenden nachgerade Euphorie aus. "Die Fernbusse sind so, wie die Bahn sein sollte", erklärt Politik-Student Andreas Hausmann, der oft für Recherchen zu seiner Diplomarbeit nach Berlin fahren muss. "Sie fahren mehrmals am Tag, und sind auch dann noch erschwinglich, wenn man nur spontan buchen kann", betont Hausmann.

Fernbus als rollendes Start-Up-Büro

Tatsächlich schwanken die Preise für die 330 Kilometer lange Strecke zwischen Göttingen und Berlin in den Bussen des Unternehmens "Mein Fernbus" zwischen 18 und 30 Euro. Im Gegensatz zur Bahn können Sparpreise bis kurz vor der Abfahrt gekauft werden, und es sind bei Stichproben auch fast immer welche verfügbar.

"Auch meine Freundin in Hamburg besuche ich selbstverständlich mit dem Bus", sagt Hausmann, der die Fahrtzeit nach eigenen Angaben zum Arbeiten nutzt. Denn viele Fernbusunternehmen bieten ihren Kunden neben kleinen Snacks und Kaffee kostenloses W-Lan. Der Fernbus wird so zum rollenden Start-Up-Büro, Austausch mit Mitreisenden aus anderen Fachdisziplinen inklusive.

Doch bieten Fernbusse wirklich dieselbe Leistung wie die Bahn? Die Antwort lautet ganz klar nein, muss auch Studentin Ariane Weichsel zugeben. Sie besucht regelmäßig ihren Freund in Hamburg, und natürlich dauert die Fahrt lange, "oft sehr lange", betont Weichsel. Denn ein Fernbus darf im Gegensatz zum ICE nur maximal 100 km/h fahren und braucht auf der 262 Kilometer langen Strecke laut Fahrplan 3,5 Stunden, "wenn es gut läuft", sagt Weichsel. Bei einem Stau könne die Fahrt auch schon mal über vier Stunden dauern, im Gegensatz zu zwei Stunden Fahrtzeit mit dem ICE.

"Man muss wirklich viel Zeit mitbringen"

"Man muss wirklich Zeit mitbringen", sagte Studentin Weichsel. "Mir macht eine Verspätung nichts, weil ich ja im Bus lernen kann", aber für Geschäftsreisende sei das ganz sicher keine Alternative. Auch weil es insgesamt doch nur eine überschaubare Kapazität auf den bundesweiten Buslinien gibt.

Ein Fernbus kann, wenn er geräumig ist, ungefähr so viele Personen aufnehmen wie ein einzelner ICE-Wagon. Bei zwei Verbindungen täglich von Göttingen nach Berlin ist also auf dieser Strecke noch nicht einmal die Sitzplatzzahl eines einzigen Fernzugs der Bahn erreicht, und die verkehrt mit ihren Zügen stündlich.

Schienenersatzverkehr als Dauerlösung?

Für eine Erhöhung der Platz-Kapazität sorgt seit kurzem allerdings ausgerechnet die Bahn selber. Nach anfänglicher Zurückhaltung dringt sie mit sogenannten "IC-Bussen" in den Markt, die voll in das Fahrplan- und Tarifsystem der Bahn integriert sind - und auch die Bahn Card akzeptieren. Dabei sind IC-Busse eigentlich ein Kuriosum. Statt Verkehr von der Straße auf die Schiene zu locken, misstraut das Staatsunternehmen offenbar der Konkurrenzfähigkeit seiner eigenen Produkte - und lässt statt günstigen und schnellen Zügen Busse rollen, nicht als Schienenersatzverkehr, sondern als Dauerlösung.

Dass ab 1. November 2013 mit der Deutschen Post als Partner des ADAC noch ein zweites ehemaliges Staatsunternehmen in den Wachstumsmarkt drängt, wird von den Markführern der Fernbus-Branche dann auch kritisch beobachtet: "Die Konstellation aus Post und Bahn (über BLB und auch IC Bus) mit zwei Staatskonzernen, die Monopolgewinne auf demselben Markt investieren und sich hier gegenseitig Konkurrenz machen, ist volkswirtschaftlich und besonders für den Steuerzahler sicher mehr als fragwürdig", betont Jochen Engert, Geschäftsführer des Unternehmes FlixBus GmbH.

Fernbusse: Die wichtigsten Infos im Überblick

Die größten Anbieter sind zur Zeit: "Berlin Linien Bus" (BLB), "City2city", "Dein Bus", "Flixbus", "Mein Fernbus" und die "ADAC-Post-Busse" (ab 1. November 2013). Die Anbieter unterscheiden sich durch das Angebot an Bord (Sitzkomfort, Snacks) und auch im Preis. Auf den meisten Strecken sind allerdings nur ein bis zwei Anbieter unterwegs, so dass es keine große Wahlfreiheit gibt.

Buchungen und Preisvergleiche können am besten über das Internet getätigt werden. Jedes Unternehmen hat eine eigene Website, auf der die Routen und Preise eingesehen werden können. In der Regel gibt es auch bei den Fernbus-Unternehmen einen Frühbucher-Rabatt, ähnlich wie bei der Bahn. Wer erst kurz vor der Abfahrt oder im Bus kauft, zahlt meistens mehr. Mittlerweile gibt es auch Meta-Plattformen ähnlich dem Flugverkehr, auf denen die Preise aller Anbieter verglichen werden (z.B. www.fernbusse.de).

Viel Zeit sollte mitbringen, wer sich für die Reise mit den Fernbussen entscheidet und keine festen Termine am Tag der Reise, denn genau wie beim Individualverkehr mit dem Auto können die Fahrpläne nur bei einer freien Strecke eingehalten werden. Auch die Fernbusse stehen beim Urlaubsbeginn im Stau.

Weniger Geld als die vergleichbaren Angebote der Bahn kosten fast alle Fernbusverbindungen, wenn man die Normal-Preise vergleicht. Wer allerdings früh bucht, kann mit den Spar-Preisen der Bahn auch schon mal günstiger reisen als mit dem Bus, und die Bahn ist auf den meisten Strecken schneller.

Viel Komfort bieten die meisten Fernbusanbieter. Eingesetzt werden fast immer neue, moderne Reisebusse, oft mit kostenlosen W-Lan und einem kleinen Snack-Angebot. Allerdings ist die Bewegungsfreiheit in einem ICE deutlich größer und auch das Angebot eines Bord-Bistros wird man im Fernbus vergeblich suchen. Dafür gibt es manchmal Pausen, an Autobahnraststätten.

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