Kanye West will anstelle von Donald Trump ins Weiße Haus einziehen. Seine Wahlchancen dürften winzig sein. Wenn er es aber tatsächlich ernst meint, könnte er das Endergebnis durchaus beeinflussen.

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Er ist jetzt offiziell als Präsidentschaftskandidat registriert, sein Wahlmotto lautet "Yes", seine Vizepräsidentin wäre eine bibelfeste Lebensberaterin: Kanye West will Präsident der USA werden. Das bekräftigte der Rapper vor kurzem bei einer Veranstaltung in South Carolina, die so etwas wie ein Auftakt seiner Kampagne sein sollte.

West sorgte dort vor allem für Aufsehen, weil er in Tränen ausbrach. Eines hat er aber ganz sicher schon erreicht: Es wird wieder ausgiebig über ihn geredet.

Der 43-Jährige ist ein Mann mit vielen Interessen und Talenten. Bekannt ist er nicht nur als Ehepartner von It-Girl Kim Kardashian, sondern vor allem als Rapper, Modedesigner und erfolgreicher Produzent, der die Rap-Musik der vergangenen Jahrzehnte maßgeblich prägte. 2006 ließ er sich mit einer Dornenkrone auf dem Cover des "Rolling Stone" abbilden und bezeichnete sich als "Yeezus". "Er wollte als Anführer der amerikanischen Kultur gesehen werden", hieß es 2018 beim Nachrichtenportal "Vox.com".

Hang zu Verschwörungstheorien

Nun also der Schritt in die Politik. Schon seit langem macht West mit kontroversen bis wirren Aussagen auf sich aufmerksam. Am Coronavirus will er im Februar zwar selbst erkrankt gewesen sein. Dessen Bekämpfung sei aber die Sache Gottes, sagte er vor kurzem dem Magazin "Forbes". An Impfungen glaubt er nicht: Dabei gehe es nur darum, den Bürgern Chips zu injizieren. Sklaverei hat er einmal als bewusste Entscheidung der Schwarzen bezeichnet, eine außenpolitische Strategie hat er noch nicht.

Generell soll der Afroamerikaner eher den Republikanern als den Demokraten nahestehen. "Aber seine politischen Ansichten passen nicht wirklich in ein Links-Rechts-Schema", sagt David Jackson, Politikwissenschaftler an der Bowling Green State University im US-Bundesstaat Ohio im Gespräch mit unserer Redaktion. "Sie sind extrem eigenartig und basieren zu einem großen Teil auf Verschwörungstheorien."

Kanye West: Bruch mit Donald Trump

2018 hat der Rapper Donald Trump einen denkwürdigen Besuch im Oval Office abgestattet. Er lobte den Präsidenten ausgiebig, sprach ihm sogar "Drachenenergie" zu.

Inzwischen kam es aber zum Bruch mit Trump. Der Grund ist dessen Einstellung zu den "Black Lives Matter"-Demonstrationen. Trump hatte sich ablehnend bis abfällig zu den Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt geäußert. West dagegen soll "CNN" zufolge zwei Millionen Dollar für die Hinterbliebenen von George Floyd und anderen Opfern von Polizeigewalt gespendet haben.

Viel Geld, ein bekannter Name – aber keine Strategie

Auf jeden Fall will West jetzt anstelle seines früheren Idols ins Weiße Haus einziehen. Hätte er den Hauch einer Chance? "Ein erfolgreicher Kandidat braucht Geld – das hat er. Er braucht einen bekannten Namen – den hat er auch", sagt David Jackson. Dann schränkt er aber ein: "Ihm fehlt die organisatorische Plattform einer Partei." Zudem wirke er politisch wenig glaubwürdig, weil er seine Positionen zu politischen Themen schon häufig geändert habe.

Vielleicht wolle West mit seiner Kandidatur auch nur Aufmerksamkeit für sein neues Album erregen, heißt es in den USA. In der Tat besteht die Möglichkeit, dass er vor allem seine Marke aufpolieren will, sagt Jackson. Schließlich sei der Musiker spät dran: In mehreren Bundesstaaten ist es nicht mehr möglich, sich als Präsidentschaftskandidat für die Wahl im Herbst aufstellen zu lassen. West könnte also – wenn er es wirklich ernst meint – nur in manchen Staaten auf dem Stimmzettel stehen. "Es scheint kein ausgereifter Plan dahinterzustecken", sagt Jackson.

US-Wahl: Politischer Effekt möglich

Wests Chancen mögen also winzig sein. Allerdings könnte er auch mit einem geringen Stimmenanteil das Wahlergebnis beeinflussen. Theoretisch sei es möglich, dass er sowohl Trump als auch dessen demokratischem Gegenkandidaten Joe Biden Stimmen abjagt, sagt Jackson. Denn Wests Blick auf die Politik und seine Anfälligkeit für Verschwörungstheorien passe gut zu Trump – möglicherweise könnte er dem Präsidenten den einen oder anderen Anhänger abspenstig machen. Gleichzeitig könnte er auf Stimmen von Afroamerikanern hoffen, die ansonsten für Biden gestimmt hätten.

Es mag nur um sehr wenige Stimmen gehen. Doch auch die können einen Unterschied für Trump und Biden machen. Um Präsident zu werden, müssen sie in besonders umkämpften Bundesstaaten wie Michigan, Wisconsin und Pennsylvania gewinnen. Dort waren die Rennen schon 2016 extrem eng – sie könnten es auch dieses Jahr wieder werden.

Nader, Bush und Gore bei der US-Wahl 2000

Was dritte Kandidaten in engen Rennen bewirken können, hat sich bei der Präsidentschaftswahl 2000 gezeigt. Damals lag der Republikaner George W. Bush in Florida gerade mal 537 Stimmen vor dem Demokraten Al Gore. Hätte Gore mit dem Grünen Ralph Nader keinen prominenten Konkurrenten im linksliberalen Lager gehabt, hätte er die Wahl in Florida – und damit die gesamte Präsidentschaftswahl – möglicherweise gewonnen.

Seine Kandidatur betrachtet der strenggläubige Kanye West als Aufgabe von ganz oben: "Gott hat mir gesagt, dass es Zeit dafür ist", sagte er "Forbes". Der aktuelle Rummel scheint dem Rapper allerdings zuzusetzen. In den vergangenen Tagen diskutierten die USA vor allem über seinen Gesundheitszustand: Derzeit hat sich West, der nach eigenen Angaben an einer bipolaren Störung leidet, in seinem Anwesen in Wyoming verbarrikadiert und seine Frau und Familie mit wirren Tweets verunsichert.

Über den Experten:
David Jackson ist Professor für Politikwissenschaft an der Bowling Green State University in Bowling Green/Ohio (USA). Er beschäftigt sich vor allem mit dem Verhältnis von Medien und Politik sowie mit der Wirkung von Unterhaltungsmedien auf die politischen Präferenzen junger Menschen.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit David Jackson, Bowling Green State University
  • CNN.com: Kanye West donates $2 million, pays college tuition for George Floyd`s daughter
  • Forbes.com: Kanye West Says He’s Done With Trump – Opens Up About White House Bid, Damaging Biden And Everything In Between
  • Vox.com: Kanye West's confounding political evolution, explained

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