Nach den Verlusten von SPD und FDP bei der Teilwiederholung der Bundestagswahl erwartet der Berliner Politikwissenschaftler Thorsten Faas Korrekturen in der Arbeit der Ampel-Koalition.

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"Man wird bei den Parteien mit Verlusten natürlich heute versuchen, das auf die Besonderheiten der gestrigen Wahl zurückzuführen", sagte der Parteienforscher der Freien Universität Berlin am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Aber die strukturelle Frage bleibt natürlich: Wie kann man Vertrauen wiederherstellen? Dafür muss der schmale Grat gefunden werden zwischen Profilierung der eigenen Partei, aber eben auch einer geschlossenen Koalition - gerade auch im Auftreten."

Die Bundestagswahl 2021 war wegen damaliger Organisationspannen am Sonntag in etwa einem Fünftel der Wahlbezirke wiederholt worden. Wo abgestimmt wurde, büßten vor allem SPD und FDP stark ein. Die Grünen hielten ihr Ergebnis als einzige der Ampel-Parteien weitgehend stabil. Faas erklärte dies zum Teil so: "Die Grünen haben eine sehr wahlfreudige Wählerschaft, das heißt ihre Ergebnisse sind nicht ganz so sensibel für Veränderungen der Wahlbeteiligung, wie das etwa bei der SPD der Fall ist."

Die niedrige Wahlbeteiligung erklärte der Politikwissenschaftler damit, dass "der ganze Wahlkampf von allen Seiten doch sehr pflichtschuldig" abgeleistet worden sei. "Dass da keine starke Mobilisierung gelingen würde, war klar", sagte Faas. "Aber eine Konsequenz hat das nun doch: Berlin insgesamt hat vier Sitze verloren infolge der geringen Wahlbeteiligung gestern – nur war das eben kein Grund, der sich im Vorfeld gut vermitteln ließ." Statt bisher mit 29 Mandaten ist Berlin künftig nur noch mit 25 im Bundestag vertreten. Drei Mandate gehen an andere Landesverbände der SPD, der Grünen und der Linken. Ein FDP-Mandat fällt ersatzlos weg.

In den Wahlbezirken, wo abgestimmt wurde, gewann die AfD deutlich hinzu. Faas riet bei der Bewertung des Ergebnisses jedoch zur Vorsicht. "Im Zeitraum zwischen der Erstwahl 2021 und der Wiederholungswahl 2024 sind unglaublich viele Dinge passiert", sagte er. Dazu zähle der Ukraine-Krieg, der Krieg im Nahen Osten, das Gebäudeenergiegesetz, aber dazu zählten auch die Demonstrationen gegen rechts nach der Correctiv-Recherche zu einem Treffen radikaler Rechter mit AfD-Politikern im Potsdam. "Man kann da nicht einzelne Dinge rausgreifen und auf deren Effekt schließen", sagte Faas. "Das geht weder für den Krieg in der Ukraine noch die Correctiv-Recherchen. Dafür muss man auf kurzfristigere Instrumente wie Umfragen zurückgreifen, und dann sieht man schon einen Rückgang für die AfD."  © dpa

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