Linke Politiker wollen die Vermögensteuer wieder einführen, um die ungleiche Verteilung von Vermögen in Deutschland auszugleichen. Konservative und Liberale sehen das dagegen als Gefahr für die Wirtschaft. Wir haben mit dem Wirtschaftsforscher Dr. Markus Grabka gesprochen, der einige massive Probleme hinter der Idee sieht.

Ein Interview

Sie galt vor allem den Grünen als wichtiges Thema bei den Koalitionsverhandlungen mit CDU, CSU, FDP: die Vermögenssteuer.

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Dabei geht es um eine entsprechende Besteuerung von Reichen. Nach aktuellem Stand haben sich die Jamaika-Parteien soeben erst darauf geeinigt, auf eine sogenannte Substanzsteuer zu verzichten - das wäre auch das Aus für die Vermögenssteuer. Aber worum geht es dabei eigentlich genau?

Wir haben beim Wirtschaftsforscher Dr. Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung nachgefragt, wo die Vor- und Nachteile liegen.

Die Vermögensteuer war zuletzt in den Jamaika-Verhandlungen ein Thema. In der Bevölkerung wird die Idee einer Vermögensteuer begrüßt. Warum gibt es sie nicht schon längst?

Dr. Markus Grabka: Zunächst sollte klar sein, dass Reiche in Deutschland auch Steuern zahlen. Das Problem bei einer Vermögensteuer ist, dass korrekt eingeschätzt werden muss, wie hoch das Vermögen eines steuerpflichtigen Reichen ist.

Da kursieren häufig sehr unrealistische Vorstellungen über den Reichtum in Deutschland.

Wie definieren Sie Reichtum?

Gemeinsam mit Professor Wolfgang Lauterbach (Soziologe und Bildungs- und Vermögensforscher an der Uni Potsdam, Anm.) haben wir den Begriff "Reichtum" weiterentwickelt. Reich ist, wer ein so hohes Vermögen hat, dass er davon einen durchschnittlichen Lebensstandard finanzieren kann. Wer also unabhängig vom Erwerbseinkommen ist.

Von der "Vermögenselite" sprechen wir, wenn das Vermögen so hoch ist, dass Dritte möchten, dass dieses Vermögen vor Ort eingesetzt wird. Dies kann direkt zum Beispiel in Form von Spenden sein.

Andererseits spielt die Schaffung beziehungsweise der Erhalt von Arbeitsplätzen eine Rolle, da die Vermögenselite häufig Betriebsvermögen hält. Insgesamt ergibt sich daraus die Möglichkeit, gesellschaftlich Einfluss zu nehmen.

Welchen Sinn würde eine Vermögenssteuer erfüllen?

Hauptmotivation eher linksorientierter Politiker ist das Bestreben, die Ungleichheit bei der Verteilung von Vermögen zu verringern, denn Deutschland ist eines der Länder mit einer hohen Vermögensungleichheit.

Gab es schon einmal eine Vermögenssteuer bei uns?

Sie existiert noch immer und ist 1997 lediglich ausgesetzt worden, weil sie laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht verfassungskonform war.

Die Richter kritisierten, dass die verschiedenen Vermögensbestandteile wie Immobilien, Betriebsvermögen, Geldvermögen und Sammlungen bei dieser Besteuerung unterschiedlich bewertet wurden.

Wird seit 1997 das Vermögen gar nicht mehr besteuert?

So kann man das nicht sehen. Die Grundsteuer ist eine Vermögensteuer, die nur auf einen Teil des Vermögens erhoben wird, nämlich auf Grundstücke und deren Bebauung.

Auch hier ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts anhängig, das sich mit der Bewertung von Immobilien beschäftigt. Verwendet wird derzeit der steuerliche Einheitswert, der im Vergleich zum Marktwert geringer ausfällt.

Für eine Vermögenssteuer spräche also, dass die Vermögensungleichheit in Deutschland ausgeglichen werden könnte?

Das sehen die von mir erwähnten linken Politiker so. Tatsächlich wäre der Effekt auf die Vermögensungleichheit vernachlässigbar gering. Dies ergeben die Arbeiten meines Kollegen Stefan Bach aus unserem Hause (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Anm.).

Wie hoch wäre demnach das Aufkommen einer Vermögenssteuer?

Laut Bachs Simulation wäre ein Steueraufkommen von zehn bis 20 Milliarden Euro pro Jahr möglich. Er kommt dabei auf Erhebungskosten von vier bis acht Prozent, die von der Summe abgezogen werden müssen.

Da bleibt ja doch eine ganze Menge übrig.

Das stimmt. Allerdings könnte sich diese Summe durch Vermeidungsstrategien der Betroffenen spürbar verringern. Bach nennt sie "Anpassungsreaktionen".

Auswirken könnten sich zum Beispiel Umzüge der Steuerpflichtigen ins Ausland oder die Verlagerung von Firmensitzen ins Ausland.

Das wäre ein Punkt gegen die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.

Richtig, da gibt es jedoch noch mehr. Die Vermögensteuer wird auf das Vermögen erhoben und nicht auf den Ertrag. Das hat zur Folge, dass sie auch fällig wird, wenn der Steuerpflichtige Verluste erwirtschaftet.

Für Unternehmen wäre dies eine schwierige Situation, in Krisenzeiten Steuern auf die Substanz zu zahlen. Stellen Sie sich das in der Wirtschaftskrise 2008/2009 vor.

Streitpunkt Vermögenssteuer: Für und Wider Sollten Reiche für die Gesellschaft mehr zahlen?
Ihre Anfrage konnte leider nicht bearbeitet werden.
  • A
    JA, ohne Wenn und Aber!
  • B
    NEIN. Wer hat, der hat und sollte behalten dürfen.
  • C
    JA, aber es muss auch für Reiche gerecht geregelt sein.
  • D
    NEIN. Kluft zwischen arm und reich muss anders geschlossen werden.

Die Vermögenssteuer würde also auch für Unternehmen fällig?

Ja - so wie derzeit die Vorschläge verschiedener Parteien sind. Sie würde für natürliche und juristische Personen fällig. Juristische Personen sind zum Beispiel GmbHs oder Aktiengesellschaften.

Da sind wir bei der Frage, wie Vermögen bewertet wird?

Das ist ein ganz entscheidendes Problem. Der Wert von Bargeld lässt sich leicht ermitteln, bei Wertpapieren wie Aktien wäre der aktuelle Marktpreis ein Maßstab.

Bei Immobilien ist das schon sehr viel schwieriger und sehr individuell. Der Wert eines Luxusguts oder einer Sammlung kann sehr stark schwanken. Und bei Betriebsvermögen gibt es sehr unterschiedliche Ansätze, dieses marktnah zu bewerten.

Letztlich hätte die Wiedereinführung der Vermögensteuer also mehr Nachteile als Vorteile?

Ich sehe vor allem das Problem, dass es auf absehbare Zeit keinen politischen Konsens für eine Vermögensteuer gibt.

Das DIW Berlin hat zudem die Position, zunächst die Erbschaft- und Schenkungssteuer zu reformieren, da leistungslos bezogenes Vermögen von einer auf die nächste Generation übertragen wird, was mit einem Gesellschaftssystem, das auf Leistung und Verdienst beruht, schwer vereinbar ist.

Wirtschaftsforscher Dr. Markus Grabka ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim renommierten Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)
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