• Der neue Kongress in den USA ist kaum regierungsfähig: Gespaltene Mehrheitsverhältnisse in Senat und Repräsentantenhaus legen Gesetzgebungsprozesse lahm.
  • Die Republikaner gefallen sich in einer Blockade-Haltung.
  • Warum auch Deutschland künftig mehr Druck aus den USA spüren dürfte, erklärt Politikwissenschaftlerin Hannah Winnick.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

In den USA stehen die Zeichen auf Blockade: Die Republikaner nutzen ihre im November gewonnene Macht, um Gesetzesvorhaben zu verhindern. Denn der 118. Kongress ist seit den Zwischenwahlen, den sogenannten "mid terms", gespalten: Im Repräsentantenhaus stellen die oppositionellen Republikaner mit 222 von 435 Abgeordneten die Mehrheit, im Senat haben die Demokraten einen dünnen Vorsprung.

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"Das legt den Kongress lahm. Denn um Gesetzgebungen zu verabschieden, braucht es in den USA eine Abstimmung sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat. Erst, wenn ein Gesetz dort verabschiedet wurde, geht es für die Unterschrift zum Präsidenten", erklärt Politikwissenschaftlerin Hannah Winnick.

Kongress ist kaum regierungsfähig

Die Republikaner hätten bereits im Vorfeld der Zwischenwahlen keine Zweifel daran gelassen, dass ihre Strategie für die kommenden zwei Jahre in einer grundsätzlichen Blockadehaltung bestehe.

"Sie werden versuchen, sich bei fast allem in den Weg zu stellen, was die Demokraten politisch umsetzen wollen", sagt die USA-Expertin. Der Kongress sei nicht regierungsfähig, wenn die Teile des Kongresses nicht zusammenarbeiten würden.

"Diese Dynamik gab es seit vielen Jahren immer wieder. Je mehr die Republikaner nach rechts rücken und diese Verhinderungsstrategie verfolgen, desto schlimmer wird es", so Winnick. Jeder Bereich der Politik sei betroffen, gleichzeitig entstehe bei Wählerinnen und Wählern der Eindruck, Präsident Joe Biden bringe keine Arbeit zustande.

Zahlungsunfähigkeit droht

"Die zwei großen Debatten, die bevorstehen, sind die Schuldengrenze und das neue Budget. Gerade die Schuldenbremse könnte ernste internationale Auswirkungen haben", schätzt die Expertin.

US-Finanzministerin Janet Yellen warnte bereits vor einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ihrer Regierung. Bereits in dieser Woche würden die USA ihre Schuldengrenze erreichen. Yellen appellierte an die Abgeordneten, die Schuldengrenze anzuheben oder ganz auszusetzen. Andernfalls seien Investitionen in bestimmte öffentliche Pensionsfonds gefährdet.

Warnung vor irreparablen Schäden

"Die Republikaner nutzen die Blockade als Verhandlungshebel. Dann können sie mehr Zugeständnisse beispielsweise bei den Themen Sozialausgaben und Steuersenkungen erreichen", analysiert Winnick. Wenn man keine Kompromisse finden würde, drohten aber drastische wirtschaftliche Konsequenzen. "Der Staat wäre bei Sozialausgaben nicht mehr zahlungsfähig. Das hätte auch dramatische Auswirkungen auf die Privatwirtschaft", sagt sie.

Auch Finanzministerin Yellen warnte vor einem irreparablen Schaden der US-Wirtschaft und der Stabilität des weltweiten Finanzsystems. Als die Anhebung der Schuldengrenze im Jahr 2011 bereits einmal durch die Republikaner hinausgezögert worden war, war die Kreditwürdigkeit der USA zum bisher einzigen Mal in der Geschichte herabgestuft worden.

Auswirkungen auf Ukraine-Hilfen

Das könnte dann auch für deutsche Investoren von Bedeutung sein. Auswirkungen könnte der lahmgelegte Kongress aus Sicht Winnicks auch für die Ukraine-Hilfen haben. Sie müssen durch die gespaltenen Mehrheitsverhältnisse höhere parlamentarische Hürde nehmen. "Blankoschecks gibt es für gar nichts", hatte der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, bereits angekündigt. "Es handelt sich schließlich um hartverdientes Steuerzahler-Geld."

Winnick sagt: "Die Ukraine und ihre Unterstützung wird ein heikles Thema sein. Es ist schließlich kein Zufall, dass der ukrainische Präsident noch im Dezember sicherstellen wollte, dass das Hilfspaket verabschiedet wird." Für die nächsten Monate könnte es das letzte gewesen sein, weil die Republikaner strenge Prüfungen angekündigt hätten.

"Im Sommer vergangenen Jahres haben etwa 30 Prozent der Republikaner gegen eine Unterstützung der Nato gestimmt", erinnert Winnick. Es sei aber denkbar, dass wenigstens ein Teil der Republikaner mit den Demokraten zusammenarbeitet, um weitere Hilfspakete zu verabschieden. Die Demokraten haben ihr Interesse an einer solchen Zusammenarbeit bereits mehrfach signalisiert.

Mehr Druck aus Washington

Winnick sieht noch ein weiteres heißes Thema in der transatlantischen Beziehung: die Handelsbeziehungen zu China. "Zwischen den Demokraten und den Republikanern gibt es quasi einen Wettstreit, wer härter gegen China vorgeht. Deutschland wird immer mehr unter Druck gesetzt werden, sich mehr von China zu entkoppeln und die Abhängigkeitsbeziehung, die mit Russland bestand, nicht mit China zu wiederholen", sagt Winnick.

Das bringe für Deutschland Schwierigkeiten mit sich: China ist derzeit der wichtigste Handelspartner und hat auch für die grüne Energiewende große Bedeutung. "Deutschland wird mehr Druck aus Washington spüren", sagt Winnick. Es sei daher wichtig, dass Deutschland innerhalb des europäischen Kontextes in die eigene Sicherheit investiere. Gleichzeitig sollte man den USA aus ihrer Sicht klarmachen, dass die Amerikaner auch Europa brauchen.

"Deutschland muss sich darauf gefasst machen, dass Joe Biden der letzte transatlantische Präsident war, der sich wirklich noch der alten Partnerschaft mit Europa verpflichtet fühlt", meint sie. Es werde in jedem Fall einen Wandel geben, auch auf demokratischer Seite.

Konjunktur für Verschwörungstheorien

"Es ist daher wichtig, dass Deutschland sich darauf vorbereitet und eine Führungsrolle übernimmt", fordert sie. Innenpolitisch erwarten Beobachter außerdem, dass der rechte Flügel der Republikaner eine Reihe neuer Untersuchungsausschüsse ins Leben rufen wird.

"Ab dem 3. Januar werden wir untersuchen lassen, wie es zu der Situation an der Grenze kommen konnte", hatte McCarthy bereits angekündigt. Den Republikanern geht es hier um eine angeblich unkontrollierte Einwanderung entlang einer angeblich offenen Südgrenze. Ebenfalls vom Kongress untersuchen lassen wollen sie den US-Truppenabzug aus Afghanistan sowie die Geschäftsbeziehungen des Präsidentensohnes Hunter Biden nach China und in die Ukraine.

"Man will damit Verwirrung stiften und Verschwörungstheorien anspornen", sagt Winnick. Sie fürchtet, dass diese Dynamik auch nach Deutschland herüberschwappt. "Wenn ihnen in den USA mehr Luft und mehr Raum gegeben wird, ist das definitiv für Europa nicht gut", warnt sie.

Über die Expertin:
Hannah Winnick ist Büroleiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington, DC.
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