Kriege sind immer auch Desinformationskriege. Im Fall der Ukraine begann die Propaganda schon vor langer Zeit - und mündete in der Nacht in einer bemerkenswerten Kriegserklärung: Russlands Präsident Wladimir Putin rechtfertigte die Invasion in das Nachbarland mit einem Verweis auf das Selbstverteidigungsrecht der UN-Charta. Die Atom- und Rohstoffmacht Russland könne sich "nicht sicher fühlen, nicht entwickeln und nicht existieren", wenn es ständig bedroht werde. Nicht von der Nato, der EU oder den USA. Nein: von der Ukraine.

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Seit Wochen täuscht Russland. Putin spricht von "Militärübungen", von einem angeblichen "Abzug der Truppen". Man sei "gesprächsbereit" und wolle keine Eskalation. Nein. Alles falsch. Wer den Worten des russischen Präsidenten traut – sie sogar wie die SPD-Vorsitzende Saskia Esken naiv als "Ergebnis einer beeindruckenden Krisendiplomatie" feiert –, wird spätestens jetzt eines Besseren belehrt.

Der Krieg in der Ukraine ist ein Angriffskrieg, keine Verteidigung. Die Invasion ist eine Missachtung des Völkerrechts, keine "Operation" im Rahmen der UN-Charta. Der niederländische Premier Mark Rutte nennt Wladimir Putin "wahnsinnig". Die westlichen Staaten verurteilen den Angriff Russlands, eine ungewohnte Einigkeit.

Also alle Fronten klar? Russland hat in den letzten Jahren einige Verbündete auch in der deutschen Politik gefunden. Prominentestes Beispiel ist Gerhard Schröder, den mit Putin eine langjährige Freundschaft verbindet und der Ukraine "Säbelrasseln" gegenüber Russland vorwarf. Besonders aber die Linke und die AfD reden in weiten Teilen Russland nach dem Mund. Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht beklagte bei "Anne Will" die "Aggressivität (…) vor allem von amerikanischer Seite", Gregor Gysi spricht sich gegen Sanktionen aus – ebenso wie die AfD.

Dabei sind die in diesem Zusammenhang immer wieder genannten Sicherheitsinteressen Russlands ja im Grundsatz durchaus nicht von der Hand zu weisen. Die Nato ist seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion tatsächlich deutlich in Richtung Osten gewachsen - übrigens vollständig im Rahmen internationaler Verträge auch mit Russland. Nur: Mit der Ukraine hat das eben wenig zu tun, denn auch wenn das Land Interesse an einer Mitgliedschaft in der Nato angemeldet hat, wird eine solche Mitgliedschaft von vielen westlichen Ländern ausgeschlossen und steht überhaupt nicht auf der Tagesordnung.

Auf Desinformationskampagne Russlands hereingefallen?

Für Putins Propaganda hingegen eignet sich die Lesart vom imperialistischen Westen natürlich hervorragend. Manche deutsche Politiker müssen sich fragen lassen, ob sie in ihrer Argumentation nicht auf eine Desinformationskampagne Russlands hereingefallen sind – und sich damit ihrerseits vor den Karren eines brutal imperialistischen Regimes haben spannen lassen.

"Jeder sollte die Freiheit haben, über seine eigene Zukunft und die seiner Kinder zu entscheiden", sagte Wladimir Putin in seiner nächtlichen Ansprache. Ja, Herr Präsident. Nur, dass Sie diese Zukunft gerade zerstören.

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