Russland stuft Friedensnobelpreisträger Dmitiri Muratow als "ausländischen Agenten" ein. Dennoch lädt das Nobel-Komitee zur diesjährigen Verleihung des Preises den russischen Botschafter ein.

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Das norwegische Friedensnobelpreis-Komitee hat Moskaus Einstufung von Dmitri Muratow als "ausländischer Agent" als Versuch verurteilt, den russischen Journalisten "zum Schweigen zu bringen". Muratow sei im Jahr 2021 für seine Bemühungen um die Förderung der Meinungsfreiheit sowie des unabhängigen Journalismus mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden, erklärte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen, am Samstag. Es sei "traurig, dass die russischen Behörden nun versuchen, ihn zum Schweigen zu bringen".

Russland stuft Journalist Muratow als "ausländischen Agenten" ein

Die Anschuldigungen gegen den Herausgeber der wichtigsten unabhängigen russischen Zeitung bezeichnete Reiss-Andersen als "politisch motiviert". Das Nobel-Komitee stehe weiterhin hinter der "wichtigen Arbeit" Muratows und der von ihm herausgegebenen "Nowaja Gaseta".

Russland hatte Muratow am Freitag zum "ausländischen Agenten" erklärt. Das Justizministerium in Moskau begründete den Schritt mit dem Vorwurf, der Journalist habe "ausländische Plattformen genutzt, um Meinungen zu verbreiten, die darauf abzielen, eine negative Haltung gegenüber der Außen- und Innenpolitik der Russischen Föderation zu bilden". Das Ministerium warf Muratow zudem vor, Inhalte anderer "ausländischer Agenten" zu erstellen und zu verbreiten.

Die Einstufung als "ausländischer Agent" ist mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden und verpflichtet Einzelpersonen oder Organisationen zur Offenlegung ihrer Finanzierungsquellen. Zudem müssen sie ihre Veröffentlichungen mit einem entsprechenden Hinweis kennzeichnen – einschließlich der Einträge in Onlinenetzwerken.

Auf ihrer Webseite kommentierte die "Nowaja Gaseta" den Schritt der russischen Justiz mit der Bemerkung, dass die Liste "ausländischer Agenten mittlerweile 674 "würdige" Träger umfasse.

Die von Muratow herausgegebene "Nowaja Gaseta" ist bekannt für ihre investigative Berichterstattung über Korruption und Menschenrechtsverletzungen. Seit dem Jahr 2000 wurden sechs Journalisten und Mitarbeiter der Zeitung getötet, darunter die Enthüllungsreporterin Anna Politkowskaja. Im Juli wurde die Journalistin Elena Milaschina angegriffen, die über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien berichtet hatte.

Russischer Journalist Muratow versteigert Nobelpreis-Medaille für 103,5 Millionen Dollar

Der russische Journalist und Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow hat seine Nobelpreis-Medaille für 103,5 Millionen Dollar (98,4 Millionen Euro) versteigert. Der bei der Auktion am Montag (Ortszeit) in New York erzielte Erlös soll geflüchteten ukrainischen Kindern zugutekommen. Fotocredit: imago-images

Nobel-Komitee hat russischen Botschafter für die Verleihung in Schweden ausgeladen

Unabhängig von der Einstufung Muratows als "ausländischer Agent" entschied sich die Nobel-Stiftung auf eine bislang geplante Einladung des russischen Botschafters zur diesjährigen Nobelpreis-Verleihung in Stockholm zu verzichten. Wie schon vergangenes Jahr würden die Botschafter von Russland, Belarus und Iran nicht zu der Zeremonie im Dezember eingeladen, teilte die Stiftung am Samstag mit. Die ukrainische Regierung begrüßte die 180-Grad-Wende der Stiftung.

Noch am Donnerstag hatte die Stiftung erklärt, dass sie im Unterschied zum vergangenen Jahr in diesem Jahr wieder alle Botschafter der in Schweden vertretenen Länder zu der Zeremonie in Stockholm einladen werde.

Daraufhin kündigten mehrere schwedische Politiker an, dass sie die Veranstaltung boykottieren wollten. Auch Ministerpräsident Ulf Kristersson äußerte Kritik. "Ich hätte es nicht getan, wenn ich für die Einladungen zu einer Preisverleihung zuständig wäre, und ich verstehe, dass dies viele Menschen sowohl in Schweden als auch in der Ukraine verärgert", erklärte er.

Die Nobel-Stiftung machte daraufhin ihre Entscheidung zur Einladung der drei Botschafter rückgängig. Sie begründete dies mit den "heftigen Reaktionen in Schweden". Das ursprüngliche Vorhaben zur Einladung aller Botschafter habe auf der Ansicht basiert, dass "die Werte und Botschaften" des Nobelpreises so weit wie möglich verbreitet werden sollten. Doch werde diese Intention durch die Reaktionen "komplett überschattet".

Die Nobel-Stiftung knüpft damit nun also doch an ihren Beschluss des vergangenen Jahres an, den russischen und den belarussischen Botschafter wegen des Kriegs gegen die Ukraine nicht einzuladen. Der iranische Botschafter wird erneut wegen der Niederschlagung der Proteste in dem Land nicht eingeladen.

In Norwegen darf der russische Botschafter zur Preisverleihung kommen

Zugleich unterstrich die Nobel-Stiftung jedoch, dass sämtliche Botschafter zur Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo eingeladen würden. Dies war auch schon im vergangenen Jahr geschehen.

Der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleg Nikolenko, bezeichnete den am Samstag verkündeten erneuten Kurswechsel der Nobel-Stiftung bei den Einladungen zu der Feierlichkeit in Stockholm als "Sieg für den Humanismus". Er danke "allen, die die Wiederherstellung der Gerechtigkeit gefordert hatten". Der Ministeriumssprecher forderte allerdings, dass die Botschafter der drei Länder auch zu der Zeremonie in Oslo nicht eingeladen werden sollten.

Die Nobel-Stiftung veranstaltet sowohl die Nobel-Zeremonie in Stockholm als auch jene in Oslo. Beide Feierlichkeiten finden traditionell jedes Jahr am 10. Dezember statt. In Stockholm erhalten die Preisträger in den Bereichen Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Wirtschaft ihre Auszeichnungen von König Carl XVI. Gustaf, worauf ein Galabankett für rund 1.200 Gäste folgt. In Oslo wird am selben Tag der Friedensnobelpreis überreicht. (afp/the)

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