• Lange hat Präsident Putin offizielle Auslandsreisen gemieden, nun ist er Anfang der Woche nach Minsk gereist.
  • Was hat es mit dem Treffen auf sich? Droht ein belarussischer Kriegseintritt?
  • Eine Russland-Expertin gibt Antworten und verweist auf einen Satz im Anschluss des Treffens, der hängen blieb.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es war eine Reise, die für Aufsehen sorgte: Am Montag (19.) traf sich Kreml-Chef Wladimir Putin mit seinem letzten treuen Verbündeten innerhalb Europas. Er wurde von dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko auf dem roten Teppich in Minsk empfangen.

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Für Putin war es die erste offizielle Reise ins Ausland seit Langem. In Belarus war er zuletzt vor drei Jahren gewesen, Gespräche hatten danach stets in Moskau oder Sotschi stattgefunden. Besonders von der Ukraine wurde das Treffen daher skeptisch beobachtet. Die Sorge: Putin könne Belarus dazu drängen, in den Krieg einzutreten.

Tritt Belarus in den Krieg ein?

So sagte beispielsweise Serhij Najew, Kommandant der ukrainischen Streitkräfte: "Unserer Meinung nach werden während dieses Treffens Fragen einer weiteren Aggression gegen die Ukraine ausgearbeitet und einer breiteren Beteiligung der Streitkräfte der Republik Belarus an der Operation gegen die Ukraine. Es geht unserer Einschätzung nach insbesondere um Angriffe auf dem Landweg", sagt Najew.

Im Oktober hatten die beiden ehemaligen Sowjet-Staaten einen gemeinsamen Truppenverbund angekündigt. Die Kampftruppe könnten bis zu 9000 russische Soldaten angehören. In die Kämpfe in der Ukraine mischte sich Minsk bislang aber nicht selbst aktiv ein und bestritt auch nun wieder, in den Krieg einzutreten.

Todesstrafe bei Landesverrat

Manche Beobachter halten das für eine Finte und deuten eine Gesetzesverschärfung in Belarus als Schritte zur Kriegsteilnahme. Das Repräsentantenhaus von Belarus billigte einen Gesetzentwurf zur Einführung der Todesstrafe im Falle von Landesverrat für Militärangehörige und Vertreter staatlicher Behörden.

Nach dem Treffen wurde zunächst nicht viel über dessen Inhalte bekannt. Die Staatschefs sprachen von "ergebnisreichen" sowie "konstruktiven und produktiven" Gesprächen. Man habe sich auf eine Fortsetzung militärischer Manöver und einen Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit verständigt, hieß es. Russland werde belarussische Flugzeugbesatzungen für mögliche Einsätze mit Nuklearwaffen ausbilden, kündigten die Langzeit-Staatschefs an.

Angriffe auf Ukraine von Belarus aus

Putin bekräftigte im Anschluss der Gespräche zudem, er habe "kein Interesse" daran, das Nachbarland Belarus einzuverleiben, verwies aber auf die enge Beziehung der "Verbündeten und strategischen Partnern". Sie seien durch "gemeinsame Geschichte und spirituelle Werte" vereint. Belarus ist der Junior-Partner in der Beziehung und stark von russischem Öl und günstigen Krediten abhängig.

Im Zuge des Ukraine-Kriegs sind Russland und Belarus, das seine Militärbasen für Angriffe auf die Ukraine zur Verfügung stellt, noch enger zusammengerückt. Denn die vom Westen verhängten Sanktionen treffen auch Belarus. "Gemeinsam halten wir den Sanktionen feindlicher Staaten stand", hieß es am Montag.

Russischer Präsident Wladimir Putin bei einer Rede.

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Expertin: "Reise nicht überbewerten"

Was hat es mit dem Treffen also nun auf sich? "Grundsätzlich ist die Reise Putins nach Belarus nicht überzubewerten", meint Russland-Expertin Lisa Gürth. Man dürfe nicht vergessen, dass Belarus der einzige Verbündete Russlands in der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit sei, damit in Russlands "traditioneller Einflusssphäre" liege, den Krieg befürworte und aktiv unterstütze. "Da ist es eher überraschend, dass es der erste Besuch Putins seit drei Jahren in Belarus ist", findet Gürth.

Sie sieht vorerst keine Anzeichen für grundsätzlich neue Entwicklungen und verweist auf Dmitri Peskow, der Pressesprecher des russischen Präsidenten, der die Gerüchte um einen belarussischen Kriegseintritt als "alberne und unbegründete Erfindungen" abtat. Bei dem Treffen seien zwar militärische Fragen diskutiert worden, so Gürth, aber trotz verschiedener Andeutungen einer weiteren Involvierung Belarus deute darauf faktisch momentan wenig hin.

"Öffentlich wurde die russische Invasion in der Ukraine gar nicht direkt angesprochen und es ging explizit auch um andere Themen, darunter zum Beispiel auch Pläne belarussische Kosmonauten ins All zu schicken", sagt Gürth.

Satz im Scherzhaften

Einen Satz habe sie jedoch besonders aufmerksam zur Kenntnis genommen. "Lukaschenko hat auf der Pressekonferenz zu Putins Besuch scherzhaft gesagt, dass er und Putin die beiden schädlichsten und toxischsten Menschen auf diesem Planeten seien und sie nur darüber gestritten hätten, wer denn nun schlimmer sei", sagt Gürth. Dann hätten sie sich dafür entschieden, sich die Position zu teilen. "An diesem scheinbaren Scherz ist jedoch mehr dran, als die beiden unter Umständen realisieren", meint die Expertin.

Die belarussische Regierung sei der wichtigste Verbündete Russlands und der einzige in Europa, nicht aber die belarussische Bevölkerung. Sie habe bei den Protesten 2020 klar gezeigt, dass sie den Kurs Lukaschenkos nicht unterstützt.

"Deswegen wandert Lukaschenko weiter einen schmalen Grat zwischen klarer Unterstützung Putins und der demonstrierten Unabhängigkeit von Belarus", analysiert Gürth. Momentan scheine das zu noch zu klappen, deswegen habe Lukaschenko mit dieser Aussage aus der Pressekonferenz vorerst sicher recht: "Wenn jemand meint, uns heute auseinanderreißen zu können, dann wird das nicht funktionieren."

Über die Expertin:
Lisa Gürth ist stellvertretende Leiterin des Russland-Programms bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).
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