• Die Einnahme eines Großteils der südukrainischen Regionen Cherson und Saporischschja ist der einzige wirkliche militärische Erfolg Moskaus seit Beginn der russischen Großinvasion vor knapp drei Monaten.
  • Nun wird zunehmend deutlicher, wie Russland in den besetzten Gebieten weiter vorgehen will.
  • Dabei dient die Annektion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 als Vorbild.

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Im Ukraine-Krieg verdichten sich die Anzeichen, dass Russland entgegen seiner Beteuerungen die Annexion ukrainischer Gebiete plant. So sieht der russische Ministerpräsident der von Russland annektierten Krim die ukrainische Halbinsel mit den beiden besetzten Regionen Cherson und Saporischschja verbunden. "Ich sehe unsere Zukunft zusammen, innerhalb der Grenzen eines Staates", sagte Sergej Aksjonow in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit dem russischen TV-Sender "Millet".

Noch deutlicher wurde der russische Vize-Regierungschef Marat Chusnullin bei einem Besuch in der vom russischen Militär besetzten Kleinstadt Melitopol: "Ich denke, die Perspektive der Region (Saporischschja) liegt darin, in unserer einträchtigen russischen Familie zu arbeiten", sagte Chusnullin laut der Nachrichtenagentur RBK.

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Er sei gekommen, um bei der Integration des Gebiets "maximale Hilfe" zu leisten, sagte Chusnullin weiter. Das Gebiet könne bei der Versorgung Russlands mit Baumaterialien helfen, da diese im Land fehlten, meinte der Regierungsbeamte. Zugleich sagte er, das Anfang März von russischen Truppen eroberte Atomkraftwerk von Saporischschja - das leistungsstärkste in ganz Europa - solle die Ukraine künftig nur mit Strom versorgen, wenn diese dafür bezahle. Die Gebietshauptstadt Saporischschja selbst wird nach wie vor von ukrainischen Truppen kontrolliert.

Selenskyj bereitet Ukrainer in neuer Ansprache auf längeren Krieg vor

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bereitet die Bevölkerung seines von Russland angegriffenen Landes auf einen längeren Krieg vor. Außerdem machte er in seiner Videoansprache den Menschen in den russisch besetzten Gebieten im Süden Hoffnung. Vorschaubild: Imago

Landverbindung zwischen der Krim, den Separatistengebieten und Russland

Am Montag hatte Chusnullin bei einem Besuch im westlich von Saporischschja gelegenen Gebiet Cherson Ansprüche auf diese Region erhoben. Dort hatten die von Moskau eingesetzten Behörden bereits am 1. Mai den russischen Rubel als offizielles Zahlungsmittel eingeführt. Am Mittwoch kündigten sie zudem an, sie wollten eine Aufnahme der südukrainischen Region in die Russische Föderation beantragen. Der Kreml erklärte, es sei Sache der Bevölkerung von Cherson, "über ihr Schicksal zu entscheiden".

Seit Kriegsbeginn im Februar ist die Einnahme eines Großteils der Regionen Cherson und Saporischschja der einzige wirkliche militärische Erfolg Moskaus. Die Eroberungen ermöglichte die Schaffung einer Landverbindung zwischen der Krim, dem pro-russischen Separatistengebiet Donezk und Russland. Die nördlich der 2014 von Moskau annektierten Krim gelegene Region Cherson ist zudem für die Wasserversorgung der Halbinsel entscheidend.

Ukrainische Vertreter hatten bereits gewarnt, Russland könnte - ähnlich wie auf der Krim-Halbinsel - pro forma ein "Referendum" in Cherson abhalten, um seine Kontrolle über die Region zu festigen. Auch ein US-Vertreter hatte Anfang Mai gewarnt, Russland plane eine manipulierte Volksabstimmung über einen Anschluss der Region.

Vorgehen wie 2014 auf der Krim

Der stellvertretende Leiter der pro-russischen Militär- und Zivilverwaltung von Cherson, Kirill Stremussow, erklärte am Mittwoch, die Behörden würden einen Antrag stellen, um Cherson zu einem "vollwertigen Teil der Russischen Föderation" zu machen. Seine Äußerungen legten nahe, dass die Behörden sich mit ihrem Anliegen direkt an Präsident Wladimir Putin wenden wollen, ohne die Menschen in der Region über den Schritt abstimmen zu lassen.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte jedoch: "Solche schicksalhaften Entscheidungen müssen einen rechtlichen Hintergrund haben, eine rechtliche Rechtfertigung, um völlig legitim zu sein, wie es bei der Krim der Fall war." Russland hatte 2014 innerhalb kürzester Zeit ein international nicht anerkanntes Referendum der Schwarzmeer-Halbinsel Krim durchgeführt, um sich das ukrainische Gebiet einzuverleiben.

Putin hatte den Einmarsch in die Ukraine stets mit dem Vorwurf der Unterdrückung der dortigen russischsprachigen Bevölkerung begründet. Er hatte jedoch erklärt, Russland wolle die Ukraine nicht besetzen. Auch Offiziell hat der Kreml als Kriegsziel bisher nur die "Befreiung" der ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk ausgegeben. Allerdings hatte ein russischer Befehlshaber vor einigen Wochen Pläne der Moskauer Militärs offengelegt, sich die gesamte Südukraine einzuverleiben. (afp/dpa/mf)

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