• Mitschnitte von Telefonaten von russischen Soldaten zeigen, wie die Stimmung unter den Einheiten ist.
  • Demnach wussten zu Anfang das Krieges viele offenbar nicht, dass sie tatsächlich in einen Krieg ziehen werden.
  • Auch zur Behandlung von ukrainischen Zivilisten erhält man Informationen.

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Der Krieg in der Ukraine läuft aus russischer Sicht alles andere als geplant. Aus dem Blitzangriff, der eigentlich nur wenige Tage oder Wochen hätte dauern sollen, ist ein zermürbender Krieg geworden, der nun bereits seit über sieben Monaten andauert.

Der "New York Times" liegen Mitschnitte von Telefonaten vor, die russische Soldaten – teils direkt vom Schlachtfeld – mit Angehörigen geführt haben. Die Gespräche machen deutlich, was einige Soldaten über Putin und seinen Krieg denken müssen.

Viele Soldaten wussten offenbar nicht, dass sie in den Krieg ziehen. Sergey etwa sagte seiner Mutter bei einem Telefonat: "Niemand hat uns gesagt, dass wir in den Krieg ziehen. Sie haben uns erst einen Tag vorher gewarnt, Mama, dieser Krieg ist die dümmste Entscheidung, die unsere Regierung je getroffen hat." Nikita wiederum sagte in einem Telefonat mit einem Freund, sie seien reingelegt worden "wie kleine Kinder". "Wir sollten nur zwei oder drei Tage Übungen machen", sagte er.

Russischer Soldat erzählt: "Unsere eigenen Kameraden haben uns beschossen"

Ein weiterer Soldat sagte: "Putin ist ein Narr. Er will Kiew einnehmen? Es gibt für uns keinen Weg, das zu tun." All diese Mitschnitte stammen aus der Zeit wenige Tage nach Kriegsbeginn, als die Angriffe auf Kiew starteten. Es gibt weitere Mitschnitte aus der Zeit, als sich die russischen Truppen aus der Region rund um Kiew wieder zurückzogen. Sergey sagte: "Unsere Lage ist scheiße. Wir haben uns in die Defensive zurückgezogen. Unsere Offensive stockt." Nikita berichtete, wie die Ukrainer wieder vorrückten. "Unsere eigenen Kameraden haben uns beschossen. Sie hielten uns für Ukrainer. Ich dachte, ich würde sterben", erzählte er weiter.

Drei Wochen nach Kriegsbeginn zeigen Mitschnitte, wie es um die Verluste in den russischen Truppen bestellt war. Yegor berichtete einem Verwandten, dass ein Drittel der Leute aus seinem Regiment tot sei. Nikita sprach sogar von 60 Prozent aus seiner Einheit, die nicht mehr da seien. Sergey sagte: "Es waren 400 Fallschirmjäger. Nur 38 von ihnen haben überlebt. Weil unsere Kommandeure die Soldaten zur Schlachtbank geschickt haben."

"Ich habe nie so viele Leichen in meinem Leben gesehen"

Auch zur Behandlung von ukrainischen Zivilisten erhält man Informationen. Sergey sagte: "Wir haben den Befehl, jeden zu töten, den wir sehen." Seiner Freundin erzählte er, sie hätten drei Männer festgenommen. Die Einheit habe sich dagegen entschieden, sie laufen zu lassen. Da man sie nicht mit Essen versorgen konnte, habe man sie in einem Wald erschossen. Zu seiner Mutter sagte er: "Im Wald ist das Hauptquartier unserer Division. Ich bin dort hingelaufen und sah einen See aus Leichen. Zivilisten. Ein See. Ich habe nie so viele Leichen in meinem Leben gesehen. Ich konnte nicht mal sehen, wo dieser See endet."

Viele Soldaten wollen nicht länger bei der Armee bleiben. Vlad etwa sagte: "Wenn ich heimkomme, kündige ich. Scheiß auf die Armee!" Aleksandr erzählte seiner Freundin: "Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich nicht kämpfe. Sie könnten uns ins Gefängnis stecken. Hier sind so viele, die sich weigern zu kämpfen."

Alle Telefonat-Mitschnitte können Sie hier bei der "New York Times" hören. (lh)

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