Mit den Bauernprotesten sowie dem Haushaltschaos steigt der Druck auf die Ampelregierung immer weiter. Bei "Markus Lanz" kritisierte SPD-Politiker Stephan Weil den harschen Umgang mit der Regierung und stellte klar, dass die momentanen Herausforderungen enorm seien.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ob Heizung oder Haushalt: Die Ampel-Koalition hangelt sich von Herausforderung zu Herausforderung. Geht man nach den jüngsten Umfragewerten, schneidet sie laut der Meinung der Bevölkerung dabei eher schlecht als recht ab. Bei "Markus Lanz" stellte sich SPD-Politiker Stephan Weil dennoch entschlossen hinter die Regierung. Für seine Argumentation erntete er jedoch harsche Kritik.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Bundeskanzler Olaf Scholz betonte in seinem wöchentlichen Video-Podcast am 13. Januar, dass Streit zur Demokratie gehöre, gab aber auch zu: "Streit kann mürbe machen und Unsicherheit schüren."

Mit Blick auf die landesweiten Bauernproteste erhielt der Kanzler bereits von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine indirekte Rüge, als er in der "Süddeutschen Zeitung" sagte: "Wenn die Glaubwürdigkeit einer Regierung sinkt, hängt das auch damit zusammen, dass Entscheidungen nicht ausreichend kommuniziert oder akzeptiert worden sind." Markus Lanz blickte daher am Donnerstagabend genauer auf die Kommunikationsdefizite der Ampel.

Das sind die Gäste

  • Stephan Weil, SPD-Politiker und Ministerpräsident Niedersachsens: "Diese Diskussion ist ganz entscheidend davon geprägt, wie Politiker auf Nöte von Leuten reagieren."
  • Kerstin Münstermann, Journalistin: "Besonders bei den Sozialdemokraten brennt gerade der Busch."
  • Herfried Münkler, Politologe: "Wir haben aus den Augen verloren, dass Demokratie eine anstrengende und anfordernde Form der Regierung ist."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Lanz wollte zu Beginn der Sendung von SPD-Politiker Stephan Weil wissen, wie er "den Umgang der Bundesregierung in Sachen Agrarsubventionen für die Bauern" finde. Weil antwortete zunächst knapp: "Verbesserungsfähig." Der Politiker führte weiter aus: "Es ist vorher nicht geredet worden. Das erklärt auch, warum die Bauern im Grunde wegen etwas anderem demonstriert haben, als man in Berlin gemeint hat."

Laut Weil ginge es bei den Bauernprotesten "gar nicht in erster Linie um den Agrardiesel", sondern es handle sich vielmehr "um eine sehr lange Entwicklung" innerhalb der letzten 20 Jahre, "wo die Bauern den Eindruck gewonnen hatten: Es wird immer mehr von uns verlangt, aber es wird nicht anerkannt, dass wir eigentlich als Teil eines großen internationalen Marktes keine Chance haben".

Politisch habe es dafür "kein Konzept" gegeben und stattdessen habe es laut Weil "diese sehr unvermittelten Entscheidungen" gegeben. "Und das war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat", so der SPD-Politiker. Lanz hakte nach: "Haben Sie das kommen sehen?" Weil reagierte nüchtern: "Bezogen auf die Landwirte habe ich das tatsächlich nicht kommen sehen, weil das auch vorher nicht absehbar war, dass sie jetzt so kurzfristig Teil von Sparentscheidungen werden würden."

Die verbesserungswürdige Kommunikation führe laut Weil "nicht zu einer Deeskalation". Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte, wie SPD-Kanzler Olaf Scholz nun zu Weil stehe, der die Rücknahme der Subventionsstreichungen gefordert hatte und bereits in der Vergangenheit mit gegensätzlichen Meinungen auffiel. Weil antwortete schwammig: "Das müssten Sie Olaf Scholz fragen."

Er fügte jedoch hinzu: "Das persönliche Verhältnis - da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Aber dass wir in einer Situation sind, wo wir wirklich über wichtige Fragen auch reden und diskutieren müssen - und gelegentlich auch unterschiedlicher Meinung sind - das ergibt sich einfach nun mal aus der Lage."

Laut Weil gebe es momentan einen enormen "Druck auf dem Kessel" und Themen, die "richtig schwierig" seien. Grund genug für Lanz, mehrere Videoausschnitte von Christian Lindner zu zeigen, der Anfang Januar innerhalb weniger Tage widersprüchliche Äußerungen zur Situation der Landwirte tätigte. Stephan Weil unterstellte dem Finanzminister, der am 6. Januar beim Dreikönigstreffen scharfe Worte an die Bauern richtete, eine "Empathielosigkeit (...) gegenüber den Betroffenen".

Mit strengem Ton fügte Weil hinzu: "Diese Diskussion ist ganz entscheidend davon geprägt, wie Politiker auf Nöte von Leuten reagieren. Ob man das erstmal zur Kenntnis nimmt oder ob man es abwimmelt." Er ergänzte: "Glaubwürdigkeit und Vertrauen, das sind die eigentlichen Währungen in der Politik. Wer die verliert, hat ein Problem."

Olaf Scholz

Olaf Scholz ruft in Videobotschaft bei Bauernprotesten zu "Maß und Mitte" auf

Am Montag werden zum Höhepunkt einer Aktionswoche Tausende Landwirte in Berlin erwartet. Der Kanzler verteidigt den Kompromiss der Bundesregierung zu Subventionskürzungen - und sieht Deutschland in einer Bewährungsprobe.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Auch Olaf Scholz hatte sich am 13. Januar in einem Video zu den Bauerprotesten geäußert. Politologe Herfried Münkler verurteilte die unkonkreten Worte des Kanzlers und stellte klar, dass es sich lediglich um eine Rede handelte, "die vielleicht der Bundespräsident halten könnte. (...) Der Kanzler, der doch im Prinzip der Kopf der operativen Politik ist, bei dem würde ich sagen, ist es ein Zeichen dafür, dass er (...) mit dem Rücken an der Wand steht".

Journalistin Kerstin Münstermann stimmte zu und ergänzte, dass Scholz bereits öffentlich von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für die fehlende Kommunikation gerügt wurde: "Das ist ein Rollentausch, den ich interessant finde (...), aber nicht wirklich gut für diese Regierung." Stephan Weil reagierte daraufhin empört: "Ich kann das nicht teilen!" Er erklärte, dass ein Video von Christian Lindner "im Kuhstall" mehr Kritik verdient hätte als die Rede von Scholz. "Da sehe ich lieber Olaf Scholz im Kanzleramt. Das ist wesentlich authentischer", sprang Weil für den Regierungschef in die Bresche.

Lanz nahm dies zum Anlass, wiederum ein Foto von Olaf Scholz im Kuhstall zu präsentieren. Auf die Stichelei wollte sich Weil jedoch nicht einlassen: "Die können Sie von mir auch haufenweise sehen, diese Fotos. Die finde ich eigentlich ziemlich authentisch." Der SPD-Mann erklärte weiter, dass der Inhalt von Scholz' Video "ausdrücklich richtig" sei, denn: "Ein Kanzler muss auch sagen können: Leute, haltet mal kurz inne."

Weil wetterte weiter: "Wir sollten auch mal akzeptieren, dass jemand authentisch ist. Und das ist Olaf Scholz aus meiner Sicht allemal." Dem konnte Herfried Münkler nicht zustimmen und nannte Scholz einen Politiker "ohne Charisma" und "ohne die Fähigkeit oder (...) Lust", Dinge "ausführlich zu erklären". Stephan Weil konterte prompt: "Das sehe ich wirklich anders!" Der SPD-Mann finde, "dass ein Bundeskanzler die Möglichkeit haben muss, zu sagen: 'Ich mache mir Sorgen, dass hier gerade sehr stark überdreht wird'". Kerstin Münstermann hielt jedoch dagegen: "Der Ausdruck dieses Videos ist doch so eine gewisse mangelnde Empathie."

Die Journalistin ergänzte, dass ihr "irgendeine Art der direkten Kommunikation mit Menschen" fehle. "Das kann man ihm, finde ich, total vorwerfen!" Weil musste dem zwar teilweise zustimmen, er mahnte jedoch: "Vielleicht können wir uns auch darauf verständigen, dass wir eine Situation haben, die wirklich enorm hohe Ansprüche setzt." Ihn störe, "dass wir gerade Leute, die unter maximalem Stress stehen (...), so einer Stilkritik unterziehen. Von uns, glaube ich, möchte mit den Dreien in dieser Situation gerade niemand getauscht haben."

Ein Argument, das Münstermann fassungslos machte: "Bei 13 Prozent SPD in Umfragen (...) und 23 oder 22 Prozent AfD, glaube ich, geht es nicht nur um Stilfragen, sondern das ist ein politisches Vakuum, in das Leute stoßen, die nur dagegen sind und nichts anbieten." Dem stimmte Lanz nachdenklich zu: "Dagegen zu sein ist mittlerweile ein politisches Programm."

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So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz schaffte es, eine gute Balance zwischen den einzelnen Talk-Gästen zu generieren. Dennoch gelang es ihm nicht wirklich, Stephan Weil bei der Kanzler- und Ampel-Kritik genügend herauszufordern und mit spitzen Fragen zu handfesten, selbstkritischen Aussagen zu bringen.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Dass die Politik des "Dagegenseins" immer gefährlicher für die deutsche Demokratie wird, gaben alle Gäste bei "Markus Lanz" zu. Herfried Münkler warnte in dem Zusammenhang, dass "die Feinde der Demokratie" sich mehr und mehr als "die Retter der Demokratie" darstellen würden. "Die Verteilungskämpfe sind härter und rauer geworden", kommentierte der Politologe.

Aufgrund der vielen Krisen auf der Welt sagte auch Stephan Weil: "Ich kann schon verstehen, warum viele Leute (...) eine kurze Zündschnur haben oder die Nerven blank liegen." Gerade deshalb sei es laut des SPD-Politikers wichtig, dass die Regierung eine Art "Sicherheit" vermittle, denn: "Leute wollen Sicherheit fühlen, und sie wollen Orientierung haben. Und das ist die Hauptaufgabe, die wir derzeit haben."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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