Die anstehende Parlaments- und Präsidentenwahl in der Türkei wird auch in Deutschland genau verfolgt. Bei "Markus Lanz" debattierten am Dienstagabend Gäste wie CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen über eine mögliche Niederlage Erdogans und sprachen offen über das Jahrhundert-Thema Migration.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Aktuell führt der amtierende türkische Präsident Erdogan laut Markus Lanz den "Wahlkampf seines Lebens". Am Sonntag, 14. Mai, entscheidet es sich dann im Kopf-an-Kopf-Rennen der Parlaments- und Präsidentenwahlen zwischen Recep Tayyip Erdogan und seinem Herausforderer, dem Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu.

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Bei "Markus Lanz" gaben die Talk-Gäste am Dienstagabend nicht nur ihre Prognosen ab, sondern sprachen auch offen über das Jahrhundert-Thema Migration. In der Debatte gerieten vor allem Markus Lanz und CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen aneinander und lieferten sich ein hitziges Wortgefecht.

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Der Umgangston in der Türkei wird zunehmend schärfer. Vor dem 14. Mai, dem Tag der Parlaments- und Präsidentenwahl, stehen die Chancen für Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu laut Experten ganz gut, sich gegen den amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan durchsetzen.

Doch welche Folgen hätte sein überraschender Sieg für die Situation der Flüchtlinge? Im Gespräch mit Markus Lanz zeichnete Journalistin Çiğdem Akyol ein düsteres Bild, während CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen für eine europäische Einigkeit beim Thema Migration plädierte. Dabei geriet er jedoch vor allem mit Blick auf die deutsche Asylpolitik verbal mit dem ZDF-Moderator aneinander.

Das sind die Gäste

  • Norbert Röttgen, CDU-Außenpolitiker: "Wir sind moralisch verwundbar."
  • Veit Medick, Journalist und "Spiegel"-Redakteur: "Mich würde es überraschen, wenn Erdogan verlieren würde."
  • Çiğdem Akyol, Autorin und Journalistin: "Flüchtlinge sind in der Türkei nicht mehr willkommen."
  • Michael Thumann, Journalist und "Zeit"-Moskau-Korrespondent: "Die Welt schaut auf uns als einen sehr verwundbaren Kontinent mit durchlässigen Grenzen."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Zu Beginn der Sendung beschrieb Journalistin Çiğdem Akyol den amtierenden türkischen Präsidenten Erdogan als einen "Verführer, der zweifellos selbstsicher, aber auch ängstlich" sei. Gleichzeitig erklärte sie: "Das Thema Migration ist in der Türkei ein echtes Thema. Da wird auch nochmal auf Deutschland etwas zukommen, je nachdem, wie die Wahlen am Wochenende ausgehen. Die Türkei ist das Land, das weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat." Im Wahlkampf seien Flucht und Migration vor allem für Kilicdaroglu ein großes Thema gewesen.

Über die anstehende Wahl sagte die Journalistin: "Es ist das erste Mal, dass die oppositionelle Partei eine echte Chance hat." Dem stimmte Journalist Veit Medick nur bedingt zu. Er erklärte bei "Markus Lanz": "Mich würde es überraschen, wenn Erdogan verlieren würde. Er hat einen riesigen Staatsapparat, mit dem er Wahlkampf machen kann. Ich glaube aber nicht, dass, wenn er verlieren sollte, sich die Türkei über Nacht verwandelt." Auch CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen prognostizierte vorsichtig "eine Stichwahl".

Mit Blick auf die Türkei und die anhaltende Flüchtlings- und Migrationsfrage wurde Veit Medick derweil energischer. Er kritisierte im Gespräch mit Markus Lanz das "politische Versagen" der deutschen Bundesregierung und sagte: "Dieses Thema ist doch nicht vom Himmel gefallen. Wir haben steigende Asylanträge, und man hätte früher darauf kommen können, dieses Thema zur Chefsache zur machen." Dazu sagte ZDF-Moderator Markus Lanz nüchtern: "Wir haben die fatale Neigung, Probleme einfach mit Geld zu lösen."

Auch Norbert Röttgen gab zu: "Das Geld ist ein Symptom, das Problem ist aber ein ganz anderes. Eines steht fest: Es darf nicht mehr die Situation geben, die völlig richtig als Kontrollverlust beschrieben wurde. Man muss hier einen nationalen Konsens herbeiführen. Dieses Versagen können wir uns wirklich nicht leisten."

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Veit Medick fügte mit ernster Miene hinzu: "Es ist innenpolitisch auch brandgefährlich. Die AfD profitiert davon, wenn man sich nicht einig ist." Moskau-Korrespondent Michael Thumann stimmte nickend zu: "Der Rest der Welt schaut auf uns als einen sehr verwundbaren Kontinent mit durchlässigen Grenzen."

Dies nahm Röttgen zum Anlass, zu sagen: "Mein Plädoyer für einen deutschen, nationalen Konsens ist eigentlich nur die Vorstufe dazu, dass man eine europäische Antwort darauf findet." Dazu machte der CDU-Mann "ein Humanitätsproblem" aus: "Wir sind moralisch verwundbar. Es werden Menschen als Erpressung und Geiseln genutzt."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Die Debatte bei "Markus Lanz" wurde hitziger, als der ZDF-Moderator die rund "13.000 abgeschobenen Menschen" in Deutschland ansprach und hinzufügte: "Wir brauchen zweieinhalb Jahre, um überhaupt das Asylverfahren zu durchlaufen!"

Norbert Röttgen stimmte zunächst zu und erklärte: "Bei existentiellen Themen bleiben wir nicht dran und nutzen die Ruhephase nicht, um zu Lösungen zu kommen. Das ist ein erkennbares Muster." Lanz ließ nicht locker und wollte wissen: "Aber warum? Mutet man Menschen die Wahrheit nicht zu?"

Der CDU-Mann antwortete schwammig: "Nein, aber es war bei der ersten Flüchtlingskrise so, es war bei der Pandemie so. Wir haben es mit absehbaren Entwicklungen zu tun. Die Politik fängt an, zu reagieren und zu reparieren, wenn der Schadensfall da ist." Lanz fragte unbeirrt weiter: "Aber warum? Ist der Gedanke etwa: 'Wenn das Thema in der Öffentlichkeit nicht stattfindet, dann gewinne ich keine Wahl?'"

Ein Vorwurf, den Röttgen nur schwer von sich weisen konnte. Veit Medick versuchte jedoch, dem Politiker zur Seite zu stehen und stellte klar: "Ich glaube, am Ende sind Politiker eben auch nur Menschen. Es ist unheimlich anstrengend, in einer Phase, in der es keine Aufmerksamkeit für ein Thema gibt, dieses Thema zu pushen." Auch diese Aussage stellte Lanz nicht zufrieden. Der ZDF-Moderator konterte prompt: "Ich bin mir nicht sicher, ob diese These stimmt."

Von Autorin Çiğdem Akyol erntete die deutsche Bundesregierung derweil jede Menge Kritik für den Migrationsdeal, der 2016 zwischen der Türkei und Europa geschlossen wurde. Darin versprach Europa Milliardenhilfen, während sich die Türkei im Gegenzug dazu verpflichtete, Fluchtrouten abzuriegeln und Geflüchtete aufzunehmen. Akyol erklärte wütend: "Damit hat sich die Bundesrepublik moralisch sehr verwundbar und erpressbar gemacht."

Röttgen verteidigt den Türkei-Deal

Dies wollte Norbert Röttgen nicht unkommentiert lassen und verteidigte den Deal: "Das, was mit dem Deal erreicht werden sollte, ist auch erreicht worden. Das Migrationsthema gibt es jetzt in der Türkei, weil die Stimmung gekippt ist." Akyol ergänzte daraufhin: "Die Flüchtlinge sind in der Türkei nicht mehr willkommen. Stellen Sie sich vier Millionen Zugezogene in Deutschland vor - was hier los wäre!"

Sofern Erdogan abgewählt werde, wolle der Oppositionsführer laut Akyol den Migrationsdeal mit der EU prüfen lassen: "Man will nicht mehr als Pufferzone gelten." Dem entgegnete Michael Thumann am Dienstagabend entschlossen: "Ich glaube das noch nicht ganz. Die Grundstruktur wird sich so nicht verändern."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz warf am Dienstagabend mit seinen Gästen einen Blick auf die kommenden Wahlen in der Türkei und sprach über die Möglichkeit einer Niederlage Erdogans. Besonders im Talk mit CDU-Politiker Norbert Röttgen nahm Lanz kein Blatt vor den Mund und hakte mehrmals energisch nach, als es um die teils komplizierte Asylpolitik der deutschen Bundesregierung ging. Mit seinen konkreten Fragen gelang Lanz am Dienstagabend eine angeregte Diskussionsrunde mit überraschenden Thesen und Prognosen.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Mit Blick auf die anstehenden Wahlen in der Türkei könnte sich auch in der deutschen Migrationspolitik einiges ändern. Bei "Markus Lanz" gaben die anwesenden Talk-Gäste deshalb nicht nur ihre Prognosen ab, sondern diskutierten auch über die anhaltende Flüchtlingskrise. Im Gespräch mit dem ZDF-Moderator warnte jedoch unter anderem Çiğdem Akyol, eine Journalistin mit kurdisch-türkischen Wurzeln: "Wir können unsere westlich-demokratische Schablone nicht einfach auf die Türkei anwenden."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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