Patienten auf den Gängen, überlastetes Personal, System vor dem Kollaps: Bei Plasberg ging es am Montag um den kommenden Corona-Winter und die Überlastung der Krankenhäuser. Wie können sie selbst gesunden? Wie dramatisch wird die Pandemie noch einmal? Muss mit Warnen und Alarmieren jetzt endlich Schluss sein? Das Studio war sich darin nicht einig. Ein eindringliches Statement kam von einer Krankenpflegerin.

Eine Kritik
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Der dritte Corona-Winter steht vor der Tür. Während China die höchsten Corona-Zahlen seit sechs Monaten meldet, herrscht in Deutschland inzwischen weitgehend Normalität: Das Oktoberfest hat stattgefunden, die Weihnachtsmärkte starten. Die bundesweite Inzidenz liegt laut RKI bei 260,2.

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Das ist das Thema bei "Hart aber Fair"

Bei Frank Plasberg ging es am Montagabend um ein Thema, das schon häufig eine Rolle gespielt hat, in den letzten Wochen aber in den Hintergrund geraten war: Corona. Im Fokus standen die Krankenhäuser und die Frage: "Corona-Brennpunkt Krankenhäuser – zermürbt und angeschlagen wie das ganze Land?". Lauterbach wagte mit seiner Runde einen Blick auf den dritten Corona-Winter und debattierte: "Wie werden die Kliniken wieder gesund – zum Wohl der Patienten und der Mitarbeiter?". Dabei ging es um Ökonomisierung, Fallpauschalen und die Krankenhaus-Reform.

Das sind die Gäste

  • Lisa Schlagheck: Die Krankenpflegerin in der Uniklinik Münster schlug Alarm: "Die Kollegen überlegen nicht mehr, ob sie aufhören, sondern nur noch, wann." Patienten würden teilweise auf dem Gang untersucht und behandelt, weil die Notaufnahme so überfüllt sei. Trotz Verbesserungen sei die Arbeitsbelastung immer noch zu hoch. Sie persönlich könne sich nicht vorstellen, in dem Beruf alt zu werden. Schlagheck kritisierte ein "Im-Stich-Gelassen-Werden" von der Politik. "Man hat jetzt gehofft, dass die Corona-Pandemie zeigt, wie dringend Verbesserungen sind", so die Krankenpflegerin.
  • Martin Machowecz: Der "Zeit"-Journalist war sich sicher: "Dass viele Krankenhäuser am Limit sind, hat kaum noch mit Corona zu tun – sondern mit politischem Versagen." Corona-Einschränkungen wie das Maske-Tragen seien derzeit nicht mehr zu rechtfertigen. "Irgendwann muss man sich fragen, welchen Maßstab man anlegen will: Jeden Todesfall, jede Infektion, jeden schweren Verlauf zu verhindern?", fragte er. Wenn die Gesetzgebung den Menschen nicht mehr einleuchten würde, habe der Rechtsstaat ein Problem.
  • Christina Berndt: Die Wissenschaftsjournalistin der "Süddeutschen Zeitung" sagte: "Alle wollen, dass die Pandemie vorbei ist. Das ist sie aber nicht. " Deshalb sollten wir diesen Winter wieder vermehrt Masken in Innenräumen tragen, argumentierte Berndt. "Damit schützen wir auch die Krankenhäuser", sagte sie. Man sei schließlich noch nicht in einer Endemie und alles sei wieder normal. "Die Lage kann sich jederzeit wieder verschärfen", warnte sie.
  • Klaus Holetschek (CSU): Der bayerische Gesundheitsminister sagte: "Die Corona-Lage ist aktuell beherrschbar. Deshalb setzen wir derzeit auf möglichst viel Normalität ohne viele Einschränkungen." Corona sei ein Brennglas, dahinterstecke ein Systemfehler im Gesundheits- und Pflegebereich. "Wir haben jetzt in der Krise die Chance, das System besser zu machen. Das ist Corona möglicherweise der Booster für", meinte er und legte nach: "Wir laufen auf eine humanitäre Katastrophe zu und zwar nicht nur in den Krankenhäusern, sondern auch in der Langzeitpflege, in den Altenheimen."
  • Karl Lauterbach (SPD): "Der Expertenrat der Bundesregierung ist nicht der Meinung, dass die Pandemie vorbei ist. Die Zahlen werden im Winter wieder steigen", warnte der Gesundheitsminister. Es sei mit ansteckenderen Varianten zu rechnen. Die Länder müssten frühzeitig den richtigen Zeitpunkt für moderate Schutzmaßnahmen finden, um nicht später sehr viel drastischer werden zu müssen. In puncto Fallpauschalen sagte Lauterbach: "Wir haben das damals gemeinsam mit der Union eingeführt, wir wollen sie nun abschaffen." Rückblickend sei damals die Ökonomisierung zu groß gewesen.

Stiko empfiehlt Corona-Impfung für Kleinkinder - unter diesen Umständen

Die Stiko empfiehlt die Corona-Impfung für Babys ab sechs Monaten nur unter bestimmten Voraussetzungen. Der Beschlussentwurf liegt jetzt bei den Gesundheitsministerien der Länder. (Foto: imago images/photothek/Ute Grabowsky/photothek.net)

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber Fair"

Am eindringlichsten war am Montagabend die Stimme von Schlagheck, denn die kam direkt von ihrer Nachtschicht im Uniklinikum Münster ins Studio. Sie ärgerte sich: "Was mich stört, ist, dass das Thema der überlasteten Kliniken erst zu Beginn der nächsten anstehenden Welle diskutiert wird. Dass es auf die Corona-Welle geschoben wird, dass wir überlastet sind. Das ist eine falsche Annahme." Ihrer Meinung nach seien die Krankenhäuser überlastet aufgrund von Ökonomisierung im Gesundheitswesen, aufgrund von Personalnotständen, die politisch herbeigeführt wurden. "Corona ist dann so das I-Tüpfelchen", beschrieb sie.

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Das ist das Rede-Duell des Abends

Das Rede-Duell spielte sich schon zu Beginn der Sendung zwischen Lauterbach und Machowecz ab. Der Journalist sagte in Richtung des alarmierten Gesundheitsministers: "Ich bin, wenn ich Ihnen zuhöre, zunehmend verzweifelt. Weil wir in einer Lage sind, in der das Virus viel weniger tödlich ist als früher, viel weniger schwere Krankheitsverläufe macht als früher, wir eine sehr gute Lage haben in den Kliniken – zumindest, was Corona angeht." München habe heute nach dem Oktoberfest niedrigere Inzidenzen als der bundesweite Durchschnitt. Die Menschen fühlten sich von den multiplen Krisen eingeengt.

"Corona ist jetzt eine gute Möglichkeit, um zu zeigen, man kann auch mal etwas zulassen. Es gibt nicht immer nur Sorgen und Bedenken", befand Machowecz. Später im Verlauf der Sendung ergänzte er, als Lauterbach wieder warnte: "Mir ist das nicht realistisch genug, Herr Lauterbach. Mir ist das ein bisschen zu laut und zu angstvoll." Es bestehe die Gefahr, dass Deutschland sich isoliere.

Lauterbach konterte: "Wir haben im Moment eine Übersterblichkeit. Es sterben im Moment mehr Menschen als typischerweise in dieser Jahreszeit sterben." Das liege auch an Corona. Er könne nicht einfach sagen: "Ich kann das hinter mir lassen." Das wäre so, als würde man sagen: "Die Leute haben jetzt andere Sorgen, sollen die Eltern doch an Corona versterben." Lauterbach betonte: "Das ist eine Haltung, die ich einfach nicht teilen kann. Wir müssen auch die älteren Menschen schützen, auch wenn wir andere Krisen haben."

So hat sich Frank Plasberg geschlagen

Plasberg schien an diesem Abend nicht richtig in Fahrt zu kommen und in keine Rolle hineinzufinden. Mal versuchte er es auf die persönliche Tour und wollte von Krankenpflegerin Schlagheck wissen: "Wann können Sie abends sagen, das war ein guter Tag?", dann schlüpfte er in die fast schon philosophische Rolle: "Kann man Lebensfreude als gesellschaftliche Therapie sehen?" Was fehlte, war der kritische Plasberg, der unangenehme Fragen stellt. Dass die kritischste Frage an diesem Abend lautete: "War es richtig, das Oktoberfest zu feiern?" sprach Bände.

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber Fair"

Das Thema für die Sendung war zu weit gefasst und die Rechnung ging nicht auf: Einerseits den aktuellen Stand der Corona-Pandemie samt Masken, Impfen und Testen abhandeln zu wollen und gleichzeitig in angemessener Länge über die Überlastung der Krankenhäuser zu sprechen, war keine gute Idee. Im Ergebnis wurde in der Sendung aber deutlich: Auf der kommenden Krankenhaus-Reform lasten ziemlich hohe Erwartungen.

Gelingt es, die Ökonomisierung zurückzudrängen und das Personal zu entlasten? Wie wichtig Veränderung ist – mehr Zeit für Patienten, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Personal – das wurde in Plasbergs Sendung nur ein weiteres Mal betont und war kein neuer Erkenntnisgewinn. Was nun wirklich entscheidend ist, muss außerhalb des Studios passieren.

Verwendete Quellen:

ARD: "Hart aber Fair" vom 07.11.2022

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