• Es ging um die russische Mobilmachung und die deutschen Energiepreise: Wachsender Widerstand dort, schwindende Solidarität hier.
  • Kippt die Stimmung und steht der Krieg an einem Wendepunkt? Maischberger debattierte mit ihren Gästen am Dienstagabend über Energiepreisdeckel und Russlandsanktionen.
  • Journalist Michael Bröcker erkannte ein scharfes Schwert, das sich niemand zu ziehen wagte.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Im Osten Deutschlands sind Tausende Menschen gegen die steigenden Energiepreise auf die Straße gegangen. Die Demonstrationen richten sich auch gegen die deutsche Energie- und Russlandpolitik. Gleichzeitig gehen Bilder um die Welt von austretendem Gas an zwei Lecks der Pipeline Nordstream 1 nahe der dänischen Insel Bornholm. Sabotage steht im Raum: Die dänische Ministerpräsidentin sprach von "gezielten Aktionen", Unfälle seien auszuschließen.

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Das ist das Thema bei "Maischberger"

In Russland gibt es Proteste gegen die verkündete Teilmobilmachung, viele Russen ergreifen die Flucht ins Ausland. "Kippt jetzt die Stimmung?", fragte Maischberger ihr Studio. Außerdem ging es um den Gaspreisdeckel und die damit verbundene Frage: "Bleiben die Wohnungen warm und die Firmen am Laufen?". Weitere Themen waren der Wahlsieg des Mitte-Rechts-Bündnisses in Italien und die bröckelnde Zustimmung zur Ampel.

Das sind die Gäste

Rüdiger von Fritsch: "Es hat offenbar bislang keine Unterstützung für den Krieg gegeben, sondern fehlenden Widerspruch", urteilte der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau. Putin sei mit der Mobilmachung ein großes Risiko eingegangen, denn er haben einen ungeschriebenen Gesellschaftsvertrag in Russland aufgekündigt. Dieser laute "Wir dürfen regieren und wir lassen euch im Wesentlichen in Ruhe". Er warnte aber auch Richtung deutsche Entscheidungsträger: "Wir dürfen Putins Drohungen nicht einfach als Bluff vom Tisch wischen".

Tichon Dsjadko: "Wir wissen noch nicht, ob die Proteste etwas verändern werden", sagte der Chefredakteur des russischen Oppositionssenders "Doschd". Putin habe mit seiner Entscheidung der Teilmobilmachung aber etwas für ihn sehr Gefährliches getan. "Seine Position ist jetzt sehr instabil", so Dsjadko. Er trage den Krieg in die Wohnzimmer der Russen. "Putin zerstört dadurch die Grundlage seiner Macht", war sich der Journalist sicher.

Markus Preiß: "Die Ampel ist in einer schwierigen Situation", gab der Leiter des ARD-Studios in Brüssel zu. Es gehe aber zu sehr um Profilierung der Parteien. In einem Kontext, in dem ein Krieg in Europa herrsche, dürfe das nicht sein.

Pinar Atalay: "Wenn es ans Eingemachte, an das eigene Portemonnaie geht, verändern sich Meinungen. Dann ist der Druck auf die Politik noch einmal größer, die Menschen mitzunehmen", sagte die Moderatorin. Die Sanktionen könne man kaum mehr höherschrauben.

Michael Bröcker: "Die Sanktionen bringen nichts. Das sechste, siebte oder achte Paket bringt nichts", war sich der Chefredakteur von "The Pioneer" sicher. In der Geschichte erlebe man, dass Sanktionen nicht wie gewünscht wirken würden. Auch jetzt lenke der Aggressor nicht ein. Die schärfste Sanktion, die wirken würde, traue sich niemand. "Das wäre die Kollektivstrafe mit den Visaverfahren für alle Russen", sagte er. Man brauche nicht über weitere Pakete reden, wenn die bisherigen Maßnahmen nicht wirkten.

Veronika Grimm: "Die Gasspeicher reichen nicht aus, um uns komplett über den Winter zu bekommen, wenn wir kein weiteres russisches Gas bekommen", warnte die Leiterin der Gaskommission der Regierung. Die Speicher würden ungefähr für zweieinhalb Monate reichen, wenn der Winter kälter werde, würde es enger. "Es kommt also auch darauf an, Gas zu sparen", erinnerte die Expertin. Man müsse sehr viel Gas sparen, bei einem Gaspreisdeckel sei der Sparanreiz aber moderater. "Das ist ein Spannungsfeld", so Grimm.

Ulrich Schneider: "Bei den untersten 40 Prozent unserer Gesellschaft herrscht schlicht Verzweiflung", sagte der Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. "Wir laufen auf eine völlige Überschuldung zu", warnte er. Tausende Klagen wegen Mietkündigungen seien zu erwarten. Die Maßnahmen müssten zielgerichteter sein und sich wirkungsvoll auf die konzentrieren, die es brauchten. Schneider forderte Direktzahlungen für Menschen mit bis zu 4.100 Euro brutto. "Solange Christian Lindner auf die Finanzbremse tritt, wird sich da nichts tun", fürchtete er.

Das ist der Moment des Abends bei "Maischberger"

Maischberger gab, wie so oft an diesem Abend, einen Spielball aus der öffentlichen Debatte weiter. Sollten russische junge Männer lieber im Land bleiben und vor Ort gegen Putin kämpfen? Bröcker gab zu, dass er selbst vermutlich auch den Drang verspüren würde, zu fliehen.

Journalist Preiß brachte es dann aber auf den Punkt, was für die deutsche Debatte ausschlaggebender sein sollte als persönliche Befindlichkeiten: "Wenn man realistisch draufguckt: Wenn man 200.000 Russen nicht aufnimmt, werden sie nicht in Russland gegen Putin kämpfen. Sondern in der Ukraine gegen Ukrainer. Ein großer Teil von ihnen. Weil sie eingezogen werden und zur Armee gehen". Da sagte auch Bröcker: "Da haben Sie Recht, das ist ein sehr gutes Argument".

Das ist das Rede-Duell des Abends

Das Rede-Duell kam flott. Maischberger ließ das Studio die Interviewaussage von Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) debattieren. Der hatte im Bild-Interview gesagt: "Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge. Nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine."

Atalay kommentierte: "Merz ist lang genug dabei. Ich vermute, das ist ihm nicht einfach so rausgerutscht". Diese Wortwahl sei schwierig. "In so einer Lage so etwas zu sagen, das ist im Prinzip Populismus." Journalist Bröcker hingegen meinte: "Es war weder Strategie noch Taktik, sondern schlicht handwerkliches Unvermögen." Es konterkariere die Pro-Ukraine-Politik von Merz und sei ein dämlicher Fehler.

Atalay schaltete sich wieder ein: "Ich sehe es wirklich ein bisschen anders. Er ist ein Profi, er ist so lange dabei. Er führt das auch noch aus, es rutscht ihm nicht irgendwie raus." Bröcker beendete die Diskussion aus seiner Sicht mit den Worten: "Das Besteck für einen Oppositionsführer liegt auf dem Tisch – die Ampel macht einen Fehler nach dem anderen. Es macht keinen Sinn ein eigenes neues Thema zu setzen".

So schlägt sich Sandra Maischberger

Maischberger machte am Dienstag einen soliden Job, zu ihren besten Moderationen zählte der Abend dann aber auch nicht. Ihre Rolle interpretierte sie diesmal mehr als Vermittlerin von Aussagen, die in der gesellschaftlichen Debatte aufgekommen waren. Wie Spielbälle spielte sie den Studiogästen z. B. die Forderung zu, die Russen sollten in Russland bleiben, um dort zu kämpfen. Fragen wie "Bröckelt die Solidarität?" waren wichtig, Maischberger verfolgte ihre Antwort aber nicht mit Vehemenz. Das hätte sie besser tun sollen und sich dabei die Frage "Wirkt es nur so chaotisch oder ist es das?" mit Blick auf die Ampel sparen können.

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Das ist das Ergebnis bei "Maischberger"

Wie so oft lautete ein Ergebnis: Wie es weitergeht, kann niemand sagen. Die Tendenz der Runde ging aber dahin, dass es für Putin zunehmend schwieriger wird und ein Wendepunkt bevorstehen könnte. Zur gleichen Zeit attestierte das Studio den Deutschen schwindende Solidarität und erinnerte die Politik daran, jeden ihrer Schritte gut zu erklären und zu begründen. Der Zankapfel "Sanktionen" wurde auch an diesem Abend nicht beigelegt.

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