Bei "Hart aber fair" wird am Montagabend über Asylpolitik diskutiert. Beim Thema Obergrenze kracht es zwischen Sachsens Innenminister und der Fraktionsvorsitzenden der Grünen. Die Geschichte eines Bäckers, der Geflüchtete beschäftigt, kam etwas zu kurz.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Stüwe dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Hart aber fair" begann am Montagabend in dem kleinen Dorf Michelbach in Rheinland-Pfalz. Dort leben 90 Menschen, in einem leerstehenden Hotel sollen nun 60 Geflüchtete untergebracht werden. Moderator Louis Klamroth hörte sich in dem kurzen Film bei den Einheimischen um, die befürchten, dass sich das Leben in dem beschaulichen Ort durch die geplante Flüchtlingsunterkunft massiv verändern könnte.

Das ist das Thema bei "Hart aber fair"

Michelbach ist nur ein Beispiel für viele Orte in Deutschland. Die Asyl-Debatte beschäftigt die Bevölkerung und die Politik seit vielen Jahren, die Diskussionen werden oft hitzig geführt. "Hart aber fair" versuchte sich dem Thema am Montag aus verschiedenen Blickwinkeln zu nähern. "Obergrenzen, Drittstaaten, Bezahlkarte: Geht Asylpolitik wirklich nur so?", lautete das Thema der ARD-Talkshow.

Das sind die Gäste

  • Armin Schuster (CDU): "Wir sind jenseits aller Limits", beschrieb der Innenminister Sachsens die Situation in seinem Bundesland. Beispiele wie das Dorf Michelbach gebe es in Sachsen auch, berichtete er. "Jugendheime in einem Dorf mit 150 Einwohnern, in die ich jetzt 350 Flüchtlinge reinbringen könnte, da ist nichts mehr klug dran", erklärte Schuster.
  • Hans Reichhart (CSU): Der Landrat aus Günzburg in Bayern berichtete Ähnliches wie Schuster. "Die Lage ist sehr, sehr angespannt", erzählte Reichhart, in Günzburg würden Geflüchtete aktuell zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen. Diese Menschen müssten untergebracht werden, obwohl der Wohnraum in Günzburg umkämpft sei. "Wir stoßen an Belastungsgrenzen und erleben in vielen Bereichen Widerstand", sagte der Landrat.
  • Katharina Dröge (Grüne): Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen beurteilte die Lage anders. "Die Mehrheit der Kommunen in Deutschland sagt zum Glück, dass die Situation herausfordernd, aber machbar ist", erklärte Dröge: "Ich finde, es ist wichtig, sich anzuschauen, wo funktioniert es gut und warum. Um auch zu verstehen, wo es vielleicht nicht gut funktioniert."
  • Cansel Kiziltepe (SPD): Die Senatorin, die in Berlin unter anderem für Integration und Vielfalt zuständig ist, berichtete von einer Massenunterkunft auf dem Flughafengelände Tegel. "Wir bringen dort 5.000 Menschen unter. Das ist eine Kleinstadt. Integration funktioniert so nicht", sagte Kiziltepe.
  • Arif Abdullah Haidary: Haidary konnte aus erster Hand erzählen, wie sich ein Flüchtling fühlt. Der Afghane war 2015 nach München gekommen und hatte mit 1.500 Menschen in einer Unterkunft in der Nähe des Hauptbahnhofs gelebt. Enge Räume, sieben Personen in einem Zimmer, defekte Sanitäranlagen - die Schilderungen Haidarys, der mittlerweile Mitglied im Bayerischen Flüchtlingsrat ist, klangen alles andere als angenehm.
  • Björn Wiese: Der Bäckermeister aus Eberswalde in Brandenburg beschäftigt sieben Flüchtlinge in seinem Betrieb, begleitet wurde er von Mohamad Hamzaaleman. Der Syrer war 2015 nach Deutschland geflohen und hatte bei Wiese als Mini-Jobber angefangen, dann eine Ausbildung gemacht und ist mittlerweile Filialleiter. "Jede Ausländerbehörde in Deutschland trifft andere Entscheidungen. Wir haben Massenduldungen bei Leuten mit abgelehnten Asylbescheid. Da muss man sich als Unternehmer daran langhangeln und hoffen, dass die immer wieder verlängert wird. Wer soll denn da Lust haben, jemand langfristig zu beschäftigen?", sagte Wiese und wünschte sich mehr Klarheit von den Behörden.
  • Özgür Özvatan: "Wer sagt, wir möchten Migration stoppen, der muss sich die Frage stellen lassen, wie wir den Realitäten einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft entgegen wirken wollen", sagte der Migrationsexperte von der Humboldt-Universität in Berlin. Özvatan bemängelte, dass in Migrationsfragen nicht zukunftsgerichtet gedacht worden sei. "Die Dinge, über die wir heute sprechen werden, sind sehr kleinteilige Fragen. Sie vermitteln keine Lösungen, keine Visionen für die nächsten zehn bis 15 Jahre", erklärte der Soziologe.
  • Gerald Knaus: Der Migrationsexperte wurde gegen Ende der Sendung in der Runde begrüßt und sprach sich dafür aus, Asylverfahren in Drittländern wie zum Beispiel Ruanda durchzuführen. "Der sichere Drittstaatsgedanke steht im Grundgesetz", erklärte Knaus: "Die wirkliche Schwierigkeit ist eine praktische. Ist ein Drittstaat sicher?"

Das ist der Moment des Abends

Die Idee mit den Asylverfahren in Drittstaaten rief Arif Abdullah Haidary auf den Plan, der mit der deutschen Asylpolitik abrechnete. "Wenn ein Asylantrag in einem Rechtsstaat wie Deutschland nicht funktioniert, wie soll das dann in Ruanda funktionieren?", fragte er und verwies auf Geflüchtete, die seit 2015 in Deutschland auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag warten.

Schon zuvor hatte Haidary dem oft geäußerten Vorwurf, dass Menschen wegen der Sozialleistungen nach Deutschland flüchten würden, eindrucksvoll widersprochen. Für die Flucht nach Deutschland hatten er und seine Geschwister 21.000 Euro investieren müssen, erzählte er. Eine Menge Geld also, die so schnell nicht an Leistungen wieder reinzuholen ist.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Angesichts der großen Zahlen der Geflüchteten sprach sich Armin Schuster für eine Begrenzung aus. "Was wir jetzt machen, hat mit Integration nicht mehr viel zu tun. Deshalb bin für eine Obergrenze und nicht dafür, dass kommen kann, wer will. "

Die Aussagen Schusters riefen Katharina Dröge auf den Plan, die Sachsens Innenminister Populismus unterstellte. "Herr Schuster, das ist keine seriöse Politik, die Sie hier machen. Weil Sie ein Ziel in den Raum stellen, von dem Sie selbst wissen, das es weder mit dem Grundgesetz, noch mit europäischem, noch mit internationalem Recht vereinbar ist. Und deswegen wird es nicht kommen. Und deshalb hat auch die CDU in 16 Jahren Regierungsbeteiligung niemals versucht, es umzusetzen", sagte Dröge: "Und die Menschen in Michelbach ernst zu nehmen heißt, ihnen nicht Dinge zu versprechen, von denen Sie selbst wissen, dass Sie nicht vorhaben, sie umzusetzen."

Schuster und Dröge gerieten immer wieder aneinander. Wie wenig die beiden miteinander anfangen konnten, belegte eine Szene gegen Ende der Sendung. Der sächsische Innenminister versuchte seine Hand beschwichtigend auf den Unterarm der Grünen-Politikerin zu legen, aber Dröge zog ihren Arm sofort zurück.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Das Rededuell zwischen Dröge und Schuster hätte noch mehr Potenzial gehabt, wurde aber von Klamroth unterbrochen. Der Moderator hatte am Montagabend mehrfach ein schlechtes Timing und unterbrach seine Gäste, als es gerade spannend wurde. Als gegen Ende der Sendung immer mehr durcheinander geredet wurde, griff er hingegen nicht energisch genug ein.

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"

Auch wenn "Hart aber fair" einige spannende Momente hatte, gab es kaum Ergebnisse oder Lösungsvorschläge. Acht Gäste, acht Meinungen und Ansichten - das war zu viel für 75 Minuten Sendezeit. Die Geschichte des Bäckermeisters Björn Wiese beispielsweise kam etwas zu kurz.

Schnell bildeten sich zwei Lager, die sich so auch in der Bevölkerung finden. Die eine Seite, die Maßnahmen wie eine Obergrenze, Asylverfahren in Drittstaaten oder eine Bezahlkarte befürwortet und die andere Seite, die sich für kreativere Integrationsmaßnahmen ausspricht. Einen gemeinsamen Nenner fanden sie nicht. "Wir werden das noch öfters diskutieren und noch weiterdenken müssen", lautete deshalb auch das Schlusswort von Louis Klamroth.


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