Der Moderator wird von einer forschen Kollegin zeitweise bloßgestellt, ein Bundesminister wirkt wenig souverän und ein Star-Koch wählt einen spektakulär lasziven Vergleich. Die Debatte bei Frank Plasberg rund ums Fleisch ist chaotisch und polarisierend zugleich.

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Was ist das Thema?

Die Deutschen essen mehr Fleisch als gesund ist. Das Nahrungsmittel ist leicht erschwinglich, büßt an Wertigkeit ein. Dabei sollen Qualität und Tierschutz nicht auf der Strecke bleiben. Für Landwirte und Fleischer dagegen rentiert sich das Geschäft kaum. Passt das noch zusammen? Notfalls schlägt Sonderangebot das Gewissen, sagt "Hart aber fair"-Moderator Frank Plasberg und fragt: "Was ist uns das Tier wert, das für uns lebt und stirbt?"

Wer sind die Gäste?

  • Tim Mälzer, Star-Koch und Restaurantinhaber, Autor der "ARD"-Doku "Lebensmittel-Check""Vieles ist außer Rand und Band geraten", meint der TV-Koch. "Eigentlich müsste ich zum Vegetarier werden." Ihm geht es um Transparenz für den Verbraucher. Selbst er blicke nicht mehr durch, wie Schwein oder Rind vor der Schlachtbank gehalten werden, erklärt er. Mälzer fordert eine einfache Kennzeichnung von Fleischprodukten mit "a, b, c, rot oder grün". Dann könne der Kunde selbst entscheiden, wie viel er bereit sei für artgerechte Haltung der Tiere und faire Bezahlung von Landwirten sowie Fleischern auszugeben. Als es um die Haltung von Milchkühen geht, wählt er einen drastischen Vergleich mit Frauen: "Ich hätte auch keine Lust, immer nur schwanger zu sein und die Brüste dick zu haben."
  • Christian Schmidt, CSU, Bundesminister für Ernährung und LandwirtschaftEin schwacher Auftritt des, richtig, Bundesministers. Der 58-Jährige gerät zeitweise gehörig ins Schwimmen. So philosophiert er von neun Milliarden Menschen, die 2050 auf der Welt zu erwarten seien. "Deren Ernährung werden Sie mit einer Tierhaltung à la Heidi nicht erreichen", sagt er. "Die Deutschen müssen Sie erstmal ernähren. Das sind auch schon 80 Millionen." Als würde unser Land an der Armutsgrenze kratzen!? Klingt mehr nach niederbayrischem Stammtisch denn nach konzeptioneller Bundespolitik aus Berlin.
  • Sarah Dhem, Fleischermeisterin, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwarenindustrie (BVDF)"Der jetzige Standard ist nicht so schlecht, sondern grundsätzlich gut", sagt sie und will sich das Fleisch nicht madig reden lassen. Ihre Einschätzung ist erfrischend realitätsnah. "Wir haben alle die Entwicklung mitgetragen", meint sie. "Und jetzt erst hebt der Verbraucher mahnend den Finger?" Es müsste ein Weg gefunden werden, das Fleisch zu produzieren, "ohne dass die Hälfte ins Ausland exportiert oder in die Tonne gekippt wird". Dann sei dem Wert des Tieres Rechnung getragen. Ein Ansatz, der in der Runde und im Publikum viel Zustimmung findet.
  • Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Deutschland (HDE), vertritt den deutschen EinzelhandelWirkt doch reichlich lobbyistisch. "Der Verbraucher ist sehr aufgeklärt und weiß, was er tut", meint er. Das darf getrost infrage gestellt werden, wie ein Einspieler während der Sendung zeigt. Seine Taktik: Darauf verweisen, was schon gemacht wird. Selbst Discounter würden immer mehr Qualitätsfleisch anbieten, meint er. Und weiter: Knapp die Hälfte der Fleischprodukte seien aus regionaler Herkunft und aus fairer Haltung. Alles gut also. Wirklich?
  • Tanja Busse, Journalistin und Buchautorin von "Die Wegwerfkuh"Spektakulär unkontrollierbar. Sie will die Debatte offenbar zur Bühne ihrer Meinung machen. Klingt hart, dürfte aber nah am Eindruck vieler Beobachter sein. Sie unterbricht jeden nach Belieben. Zwar ist es Job von Journalisten, dazwischen zu gehen. Busse verliert sich aber egoistisch in einem Monolog nach dem anderen. Dabei macht sie sich mit dem Hinweis angreifbar, Vegetarierin zu sein. Unvoreingenommen geht anders. Mit einem Satz stellt sie ihren Kollegen Plasberg schließlich endgültig bloß: "Ich darf mitreden, haben Sie mir gesagt."

Was war das Rede-Duell des Abends?

Als es nicht um Fleisch geht, sondern um Milch. Exakter: das mutmaßliche Verlustgeschäft der Milchbauern. Genth meint, dass der Handel nicht die Schuld trage, verrennt sich in schwammigen Zahlenspielen. Schmidt entgegnet, dass "bis zu 80 Prozent der Verbraucher bereit sind, 20 Prozent mehr zu bezahlen". Derweil ergreift Busse Partei für die Milchbauern und fährt den Bundesminister schroff an: "Hören Sie doch mal zu, Herr Schmidt." Der antwortet: "Das lasse ich nicht auf mir sitzen." Der Zuschauer kapiert: gar nichts mehr.

Was war der Moment des Abends?

Als Ausschnitte aus einer Reportage aus einem Schlachthof gezeigt werden. Die Bilder zeigen, wie Gebärmütter aus Kühen entfernt werden. Darin befinden sich oft verendete Embryos von Kälbern. 180.000 Kälber sollen dadurch jährlich in Deutschland getötet werden. Mälzer kommt nüchtern zum Schluss: "Wenn wir Fleisch essen wollen, müssen wir töten."

Wie hat sich Plasberg geschlagen?

Fahrig, schlecht. Zeitweise wirkt es, als moderiere die drauf los polternde Busse die Sendung. Seine Kollegin hat Plasberg überhaupt nicht im Griff. Trauriger Tiefpunkt ist, als er eine Diskussion zwischen Schmidt und Busse wie folgt unterbricht: "Ich möchte noch ein paar Zuschauer mitnehmen." Zu diesem Zeitpunkt dürfte der eine oder andere schon längst aus- oder umgeschaltet haben.

Was ist das Ergebnis?

Dass, egal was debattiert wird, viele Kunden auch nach der Sendung im Supermarkt ans Fleischfach gehen und zuerst auf den Preis schauen werden. Konkrete Lösungen, wie das Fleisch wieder wertiger gemacht werden soll, liefert "Hart aber fair" nicht.

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