• Die Gäste im Studio von "Hart aber Fair" diskutierten am Montagabend über die Trauer um die britische Queen.
  • Aufgebauschter Trauerkult und ungerechtfertigtes Verneigen vor einer Lebensleistung?
  • Oder aufopferungsvolle Biographie mit wegweisendem Charakter? Die Mehrheit der Gäste war sich einig – doch Kolumnist Lobo wetterte vehement dagegen.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Rund eineinhalb Wochen nach dem Tod der britischen Königin Elizabeth II. hat das Vereinigte Königreich Abschied von der Monarchin genommen. Das Staatsbegräbnis fand am Montag (19.) mit massiven Sicherheitsvorkehrungen und etwa 2000 Trauergästen statt. Die Queen wurde 96 Jahre alt.

Mehr aktuelle News

Das ist das Thema bei "Hart aber Fair"

Das Staatsbegräbnis von Queen Elizabeth II. wird als Jahrhundereignis in die Geschichtsbücher eingehen. "Aber warum gibt es den Kult um die Royals noch immer? Was fasziniert am Adel und Königshaus? Und welche Vorteile bringt eine Monarchie für eine Demokratie?" – alles Fragen, die Frank Plasberg am Montag aufwarf. Er kam ebenfalls auf die Themen Brexit, schottisches Unabhängigkeitsreferendum und die Zukunft des Königshauses zu sprechen.

Das sind die Gäste

Sascha Lobo: Der Kolumnist kritisierte: "Dass dieses Staatsbegräbnis weltweit zelebriert wird, heißt zu übersehen, dass die Queen ein kolonialistisches und menschenfeindliches System repräsentiert hat". Man dürfe sich Monarchie nicht unkritisch nähern, sonst beziehe man sich positiv auf Massenmörder. "Ich bin nicht wirklich gerührt, ich habe keine emotionale Beziehung zu ihr", gab Lobo zu. Die Queen habe es in 70 Jahren nicht geschafft, sich zu entschuldigen für die Verbrechen, die von dem System ausgingen, das sie repräsentierte. "Das ist keine Lebensleistung, die man feiern kann, sondern eins der größten Versäumnisse überhaupt".

Bertram Graf von Quadt zu Wykradt und Isny: Der Journalist sagte: "Die Queen hat ihrem Land ihr Leben gegeben – und das bis zum Schluss. Das ist eine Lebensleistung, die man bei Politikern weder finden noch erwarten kann. Davor verneige ich mich voller Respekt." König Charles sei hingegen erst zu kurz im Amt, um schon abzuleiten, wie er regieren werde. Es werde zu sehen sein, ob er Steuerspielchen mitspiele, sagte er mit Blick auf die erlassene Erbschaftssteuer. "Fängt er damit an, indem er etwas Sinnvolles macht oder fängt er mit einem Fehler an?", fragte er.

Katharina Barley (SPD): "Im Vereinigten Königreich ist mit Blick auf Schottland und Nordirland einiges im Umbruch. Ob König Charles gelingt, das alles zusammenzuhalten – da habe ich meine Zweifel", sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments. "Sie hat ein Leben mit viel Pflichtbewusstsein und Würde geführt", befand sie. Mit Blick auf den Brexit meinte Barley: "Ich glaube, dass ihr der ganze Prozess nicht gefallen hat."

Mareile Höppner: Die Adelsexpertin war sich am Tag der Bestattung sicher: "Es gab heute ein großes Wir-Gefühl". Die Welt werde immer komplexer und herausfordernder, die Queen habe überdauert und Einigkeit erzielt. "Die Faszination Adel hat auch mit der Aura des Unbekannten zu tun, die das englische Königshaus immer noch umgibt", sagte Höppner. Die Frage sei aber: "Wie muss sich die Monarchie verändern, damit sie heute noch eine Rolle spielen kann?"

James Hawes: "Die Trauer von uns Briten ist echt. Aber morgen werden wir mit einem Kater aufwachen und feststellen, dass morgen keine Königin mehr da ist, mit der sich unsere massiven wirtschaftlichen und politischen Probleme so schön übertünchen ließen", meinte der britische Schriftsteller. Es sei nicht mehr viel vom Vereinigten Königreich übrig.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber Fair"

Der britische Schriftsteller James Hawes demaskierte den Kult um die Queen: Angeblich habe jeder zweite Brite geträumt, die Queen einmal persönlich zu treffen. "Das ist ein Zeichen dafür, wie stark sie in unsere Köpfe eingedrungen ist", befand er. Sie sei erst als fruchtbare junge Mutter des Empires inszeniert worden, später als mütterliche und großmütterliche Figur der ganzen Nation.

"Am Ende hat sie meines Erachtens nach zugegeben, dass auch sie eine Traum-Wunsch-Erfüllungsfigur ist, indem sie sich hat verfilmen lassen in Szenen wie ein Schauspieler mit James Bond und Paddington Bear", so Hawes. Diese existierten nicht, das mache die Queen auch zu einer Phantasiefigur. "In diesem Moment sehnen die Briten sich danach, einig zu sein", war er sich sicher. Die Frage sei nicht, ob die Monarchie überlebe, sondern das Vereinigte Königreich als solche.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Sascha Lobo kritisierte bereits in seinem Eingangsstatement, dass sich die Queen zu Lebzeiten nicht für die kolonialistischen Verbrechen entschuldigt hatte, die von ihrem System ausgegangen waren. Journalist Bertram Graf von Quadt zu Wykradt und Isny wollte das so nicht stehen lassen: "Dazu müsste man erst einmal fragen: Hat sie überhaupt die Möglichkeit, die Freiheit dazu, sich zu entschuldigen?". Sie könne letztlich nur das machen, was Regierung und Parlament vorgeben würden.

"Sie ist nicht das politische Sprachrohr und auch nicht das politische Staatsoberhaupt", ergänzte er. Lobo ging direkt darauf ein: "Aber sie hat sich häufig politisch geäußert!", merkte er an. Wenn sie sich schon politisch äußere, könne man erwarten, dass sie "gefälligst in diese Richtung gehe", meinte Lobo. Einmal setzte sein Gegenüber noch nach: Irland sei die einzige echte innereuropäische echte Kolonie gewesen und dort hätte sich die Queen 2011 entschuldigt.

So hat sich Frank Plasberg geschlagen

Plasberg schlug den richtigen Ton an. Es gelang ihm, mit seinen Fragen nicht nur an der Oberfläche zu bleiben. Fragen wie "Warum stellt man sich 20 Stunden an, um den Sarg der Queen zu sehen?" waren nur auf den ersten Blick leicht. Sie führten zu Erkundungen der britischen Seele. Ebenso verhielt es sich mit der Frage: "Was ist der Unterschied zwischen dem Königshaus und einer teuer ausgestatteten Fernsehsoap?". Das war genau passend: Niedrigschwelliger Einstieg, aber am Ende raus kamen dennoch profunde Antworten über den Zustand des Vereinigten Königsreichs.

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber Fair"

Die Hauptaufgabe des neuen Königs Charles wurde bei Plasberg im Studio deutlich: Die Fliehkräfte im Vereinigten Königreich zu beherrschen. Das jetzige Wir-Gefühl der Briten birgt die Gefahr, über die massiven Ungleichheiten im Königreich hinwegzutäuschen. Anders als die Queen startet Charles als "der ewig Transparente" ins Amt, über den man bereits alles aus seinem Vorleben weiß. Deutlich wurde auch, dass die Überhöhung der Vergangenheit nun auch bei der Trauer um die Queen eine Rolle spielt – ebenso wie auch schon beim Brexit. Es wird spannend, welchen Wandel Charles im Königshaus anstößt.

Verwendete Quellen:

  • ARD: "Hart aber Fair" vom 19.09.2022
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.