Dicke Luft bei VW: Der Skandal um manipulierte Abgaswerte erschütterte in der vergangenen Woche den Autokonzern. Die Diskussion bei "Günther Jauch" zum Thema blieb dennoch zu brav - auch weil die wichtigsten Gäste kniffen. Für Spannung sorgten vor allem die Andeutungen von einem der Aufdecker des Skandals.

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Frisch aus der Sommerpause brauste Günther Jauch im VW Käfer in seine Sendung und versprach seinen Zuschauern eine Sendung, über die sie "staunen werden".

Ganz einlösen konnte der Moderator sein Versprechen nicht, denn weder ein Vertreter von Volkswagen, noch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) oder die niedersächsische Landesregierung traute sich in die Sendung. "Das Massenverstecken von Politik und Wirtschaft ist bemerkenswert", kommentierte Jauch.

So konnte sich auch keiner von ihnen gegen die Vorwürfe verteidigen, die vor allem Axel Friedrich erhob. Der Verkehrsexperte war früher im Umweltbundesamt beschäftigt und ist Mitgründer der Organisation ICCT, die das schmutzige Geheimnis von VW in den USA aufdeckte. Seit 30 Jahren beschäftigt er sich mit Motoren und kennt die lange Geschichte der Manipulationen. "Ich bin überrascht, dass andere überrascht waren", meinte Friedrich.

"Strafrechtlich ist es ein Betrug"

In der Fachszene sei das Problem seit vielen Jahren bekannt, pflichtete ihm Anton Hofreiter bei. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen nutzte die Abwesenheit von Mitgliedern der Regierungsparteien, um gegen das "Schweigekartell" aus Politikern und Unternehmen zu wettern.

Wolfgang Kubicki (FDP) sah seine Rolle bei Jauch eher als Rechtsexperte denn als Parteipolitiker. "Strafrechtlich ist es ein Betrug", stellte der Anwalt fest. Wenn ein Fahrzeug nicht die versprochenen Eigenschaften habe, könnten sich die Kunden getäuscht fühlen. Einige VW-Manager werden sich dafür verantworten müssen - auch Haftstrafen hält Kubicki für möglich.

Herrscht bei VW ein Klima der Angst?

"Es geht um systematische Manipulation", betonte ARD-Börsenguru Anja Kohl. Ihre These, die US-Behörden hätten auch aus Interesse ihrer eigenen Automobilwirtschaft den Skandal öffentlich gemacht, findet in der Runde aber keine Zustimmung.

Verkehrsexperte Friedrich glaubt, dass die Hierarchie im Konzern für den Betrug mitverantwortlich ist. Der "Druck von oben nach unten" verhindere Entwicklung und führe dazu, dass Missstände nicht der Unternehmensführung gemeldet werden.

Auch Dietmar Hawranek, Wirtschaftsjournalist beim Magazin "Der Spiegel", ist davon überzeugt, dass es bei Volkswagen ein Klima wie in einer Diktatur gibt. "Nordkorea ohne Arbeitslager" hat es sein Magazin einmal genannt.

"Existenzbedrohende Krise" bei Volkswagen

Dem Wolfsburger Autobauer stehen harte Zeiten bevor. Bußgelder von Behörden, Schadensersatzklagen von Käufern, die Rücknahme und Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge – der Schaden könnte sich auf eine zweistellige Milliardensumme beziffern. Börsen-Expertin Kohl prophezeit eine "lange Durststrecke" für Volkswagen: "Entscheidend ist: Wie reagieren jetzt die Käufer?"

Die hohe finanzielle Belastung werde langfristig Schaden anrichten, meint Hawranek. Es werde Geld für die technische Entwicklung fehlen, die aber gegen die aufstrebende Konkurrenz von Google und Apple unbedingt nötig sei. Der "Spiegel"-Journalist sieht daher eine "existenzbedrohende Krise" für den Autobauer.

"Es gibt keine unabhängigen Kontrollen"

Unbeantwortet blieb die Frage, wie systemrelevant die Wolfsburger sind und welche Folgen das Ganze für die deutsche Wirtschaft hat, deren Herz die Automobilindustrie ist. Deutschland, das sich gern umweltbewusst präsentiert, hat sich durch den Skandal gründlich blamiert. Schließlich hat VW die Abgaswerte von Diesel-Fahrzeugen manipuliert, der Kraftstoff gilt als einer der Hauptverursacher für Smog und Feinstaub.

Grünen-Politiker Hofreiter prangert eine "Wir tun nur so"-Mentalität in der Umweltpolitik an. In der Entwicklung von sauberen Autos hinke Deutschland aber hinterher. Auch Umweltzonen in der Stadt funktionieren nicht, weil die Autos mehr Abgase ausstoßen als angegeben.

Die amtlichen Fahrzeugtests stehen seit Bekanntwerden der Manipulation von VW in der Kritik, da sie unter nicht realistischen Bedingungen durchgeführt werden. Sie erleichtern nicht nur das Tricksen, sondern führen auch zu ganz anderen Ergebnissen als beim echten Fahren im Straßenverkehr.

"Es gibt keine unabhängigen Kontrollen", beklagt Friedrich. Glaubt man dem Verkehrsexperten, handelt es sich bei der Testmanipulation nicht um das Fehlverhalten eines einzelnen Unternehmens, sondern einer ganzen Branche. Und auch um das Versagen der Politik, die das Problem ignoriert.

Friedrich hätte wohl noch mehr Spannendes zu sagen gehabt. Sein Wissen durfte er aber nur andeuten, wie er es ganz am Schluss der Sendung macht: "Ich glaube, wir werden bald nicht nur über VW reden, sondern über alle."

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