Hand in Hand schreiten Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und sein südkoreanischer Kollege Moon Jae In über die Grenze nach Südkorea. Es sind Bilder, die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden machen. Doch stammen sie nur aus dem Propagandadrehbuchs Kims oder folgen auf die schönen Worte und Gesten wirklich Taten? Und: Was will eigentlich Donald Trump?

Eine Analyse
von Fabienne Rzitki
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabienne Rzitki sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Das Treffen von Kim Jong Un und Moon Jae In gilt als historisch und gibt Anlass zur Hoffnung auf dauerhaften Frieden zwischen beiden koreanischen Staaten. Mehr noch: Es lässt ein Volk, das seit dem Korea-Krieg (1950-1953) gespalten ist, auf die Wiedervereinigung hoffen.

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Doch der Weg dahin ist mit vielen Hindernissen verstellt. Vor allem an Nordkoreas Atomwaffenprogramm macht sich eine Lösung fest. "Die komplette Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel ist die dringendste Aufgabe, und sie muss friedlich gelöst werden", sagte Moon bei einem Gebetstreffen buddhistischer Organisationen.

Was will Trump?

Hier haben vor allem die USA ein entscheidendes Wort mitzureden – allen voran der US-amerikanische Präsident. Donald Trump hat daher ein Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un in den "nächsten drei, vier Wochen" in Aussicht gestellt.

Das allerdings dürfte vielen Diplomaten tiefe Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Denn Trumps Gebaren ist konträr der diplomatischen Vorgehensweise. Üblicherweise treffen sich zunächst die Unterhändler, um rote Linien und mögliche Kompromisse auszuloten. Erst danach wird ein Treffen der Staatschefs vereinbart.

Nicht so Trump. "Er handelt anders, weil er eine völlig andere Auffassung von internationaler Politik hat", erklärt USA-Experte Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln, im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Der US-Präsident denkt, alle sind Gegner, nur eben wie jene vom Bau. Dort kann man beides: Kumpel sein und trotzdem beinhart miteinander umgehen", sagt der Experte. Für Trump sei das kein Widerspruch.

Gehe das Treffen mit Kim katastrophal aus, sei der amerikanische Präsident nahezu gezwungen, irgendetwas zu tun. Denn Trump könne schließlich nicht einfach sagen, er habe es einfach mal probiert.

"Was passiert, passiert", kündigte der US-Präsident bei einer Kundgebung in Washington (Michigan) bedeutungsschwanger an. "Ich bin nicht wie John Kerry (der frühere Außenminister), der den furchtbaren Iran-Deal gemacht hat." Diese Wortwahl lässt viel Raum für Spekulationen.

Jäger hat Zweifel an einer positiven Lösung: "Ich bin da eher pessimistisch, weil wir einerseits nicht wissen, was Kim und Trump unter einer Einigung verstehen. Andererseits haben sich die USA und Nordkorea noch im Herbst vergangenen Jahres gegenseitig mit Krieg gedroht."

Trumps "Alleingang" könne je nach Ergebnis unterschiedlich ausgelegt werden. "Das kann man auch riskant oder Schar­la­ta­ne­rie nennen", sagt Jäger. Endet das Treffen positiv, dann war Trumps Solo mutig. "Endet das Ganze im Eklat, dann wird man sagen: Denn sie wussten nicht, was sie tun", urteilt Jäger.

Geht die Strategie des maximalen Drucks der USA auf?

Zum jetzigen Zeitpunkt eine Prognose zu wagen, ist schwierig. Es gibt allerdings zwei Thesen. Die erste geht davon aus, dass Nordkorea die von den USA angestoßenen verschärften Sanktion so stark spürt, dass Kim soziale Unruhen befürchten muss. "Die Regimestabilität über Nuklearwaffen herzustellen, war das eigentliche Ziel des nordkoreanischen Machthabers", so der USA-Experte.

Dies wird allerdings durch die "Maximaler-Druck"-Strategie der USA und den Folgen durch die Sanktionen konterkariert.

"Das ist die optimistische These: Man hat Kims Halsschlagader so stark zugedrückt, dass er nach Luft schnappt und bereit ist, seine Nuklearwaffen abzugeben", erklärt Jäger. Trump könnte damit beweisen, dass seine Politik des "maximalen Drucks" funktioniert.

Die zweite, pessimistische These ist, dass Kim seine Nuklearwaffen nie hergeben wird. Dass sich Kim mit Trump an den Verhandlungstisch setzt, könne er schließlich nur, weil Nordkorea Atomwaffen besitzt. Der nordkoreanische Machthaber will – so die These – Prestigegewinn aus dem Treffen ziehen und Trump am Ende hinhalten.

"Das hieße, dass Kim auf viel höherem Niveau das Gleiche macht wie einst sein Vater, nämlich alle anderen an der Nase herumführen", vermutet Jäger.

Damit würde er Trump allerdings unter Handlungsdruck setzen. Das ist auch die Befürchtung der amerikanischen Administration. Trumps neuer Sicherheitsberater, John Bolton, der diese Theorie offenbar für sehr wahrscheinlich hält, spricht von einem Propagandadrehbuch. "Wir wollen Belege von ihnen sehen, dass (ihr Versprechen) echt ist und nicht nur Rhetorik", sagte Bolton dem Sender CBS.

Wird Kim seine Atomwaffen wirklich hergeben?

Auch weiß keiner, über welche nuklearen Waffen Kim wirklich verfügt. Nach eigenen Angaben besitzt das Land Interkontinentalraketen, die einen Atomsprengkopf bis auf das amerikanische Festland befördern können.

Offenbar haben die USA die Nordkoreaner diesbezüglich falsch eingeschätzt. "Die Amerikaner mussten in den letzten zwei Jahren ihre Prognosen für die Nuklearisierung Nordkoreas immer wieder verkürzen", erklärt Jäger.

Außerdem ist bisher völlig unklar, was die beteiligten Länder unter einer Denuklearisierung verstehen. "Aus den öffentlichen Statements kann man das nicht konkret ablesen", weiß Jäger.

Dies gibt auch Jeffrey Lewis, Experte für Atomwaffen und den Nordkorea-Konflikt am Middlebury Institute of International Studies, zu bedenken. In einem Artikel für das US-Magazin "Foreign Policy” verweist Lewis darauf, dass Kim offiziell nie zugesagt habe, seine Atomwaffen aufzugeben.

Lewis kritisiert, dass die US-Administration dies dennoch immer wieder in Aussicht stellt. Diesbezüglich spricht er von einem kollektiven Selbstbetrug. Der Experte hält es "für Wahnsinn", anzunehmen, dass Kim dem zustimmen würde. Er werde sein "mächtiges und geschätztes Schwert” – seine Atomwaffen – nicht aufgeben, ist Lewis überzeugt.

Angekündigt sei lediglich ein Ende der Atomtests und die Schließung seines Testgeländes Punggye-ri im Nordosten des Landes im Mai. Nach Einschätzung chinesischer Geologen ist das Atomtestgelände durch frühere unterirdische Atomtests beschädigt und momentan ohnehin unbrauchbar. Es sei auch nicht auszuschließen, dass radioaktive Strahlung ausgetreten sei.

Experten der Nachrichtenseite "38 North"​ des US-Korea-Instituts halten das Gelände dagegen nach wie vor für Atomtests geeignet. Das Nordportal zu der unterirdischen Anlage sei zwar aufgegeben worden. Bis Anfang März sei jedoch am Westportal ein weiterer "signifikanter neuer Tunnelbau"​ entdeckt worden. In der Testanlage fanden alle sechs bisherigen Atomtests Nordkoreas statt.

Was erwartet Nordkorea von den USA?

Angenommen, Nordkorea würde sich auf einen entsprechenden Plan einlassen, lautet die Frage: Welche Gegenleistung erwartet Kim dafür? Die völkerrechtliche Grundlage für ein atomwaffenfreies Korea ist seit den 1990er Jahren gegeben.

Nur verstünden die Nordkoreaner möglicherweise darunter auch, dass die Amerikaner im Gegenzug ihre Atomwaffen, die sie auf U-Booten haben, abziehen, gibt Jäger zu bedenken.

Außerdem sind weiterhin rund 28.500 US-Soldaten in Südkorea stationiert. Südkoreas Präsident Moon ließ erklären, die Stationierung von US-Truppen sei eine Vereinbarung zwischen den USA und Südkorea und nicht verknüpft mit etwaigen Friedensverträgen.

Die USA äußern sich zu der Streitfrage derzeit nicht. Nach Informationen aus Südkorea ist der Norden von seiner Position, den US-Truppenabzug als Vorbedingung für Friedensgespräche zu stellen, abgerückt.

Bisher aber hatte Nordkorea als Bedingung für eine Denuklearisierung den Abzug der US-Streitkräfte verlangt. Dennoch dürfe niemand so "blauäugig sein, zu erwarten, dass die Nordkoreaner ihre Atomwaffen einfach so hergeben", sagt Jäger und relativiert: "Es sei denn, Kim steht wirtschaftlich so unter Druck, sie zu verkaufen. Aber so groß kann der Druck eigentlicher nicht werden, dass das Regime aufgibt."

Dass die USA ein begründetes Interesse an einem Frieden in der Region haben, ist sich der Experte allerdings sicher. "Die USA hätten dann einen Verbündeten direkt an der Grenze zu China ". Damit stünden US-Truppen vor Chinas Toren. "Der Regierung in Peking wird das nicht gefallen."

Deshalb habe China Nordkorea immer gestützt, auch wenn man nicht mit allem einverstanden war, was das Kim-Regime gemacht hat.

Für das Reich der Mitte ist Nordkorea ein Puffer, der die Amerikaner von der Grenze ferngehalten hat. Man müsse den Komplex auch besonders vor dem Hintergrund der immer komplizierter werdenden Verhältnisse zwischen China und den USA betrachten.

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