Nach jahrelangen Drohgebärden und militärischen Machtdemonstrationen sendet Nordkorea in rascher Folge Entspannungssignale. Jetzt kündigt die kommunistische Führung um Kim Jong Un gar an, es werde vorerst keine Atomversuche mehr geben. Ist das die Wende in dem Konflikt?

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Keine Atomversuche und Tests mit Interkontinentalraketen mehr, dafür volle Konzentration auf Wirtschaftswachstum: Mit dieser Ankündigung hat Nordkorea vor den Gipfeltreffen mit den Präsidenten Südkoreas und der USA das Ausland überrascht.

Machthaber Kim Jong Un begründete den Schritt nach Berichten staatlicher Medien vom Samstag unter anderem mit der Vollendung des nordkoreanischen Atomprogramms. Dieser "große Sieg" mache weitere Tests unnötig. Zwar sprachen Südkorea und die USA von einem wichtigen Fortschritt im Atomstreit, doch auffällige Lücken in der Erklärung aus Pjöngjang sorgen für Skepsis.

Teststopp von Kim: Auf die Formulierung kommt es an

So ist von einer Aussetzung oder gar einem gänzlichen Verzicht auf das Atomprogramm, wie es die internationale Gemeinschaft von Pjöngjang fordert, in der Ankündigung nicht die Rede. Damit blieb offen, inwiefern die kommunistische Führung bereit ist, auf den Bau weiterer Atomsprengköpfe und Raketen zu verzichten, geschweige denn das bestehende Arsenal abzubauen.

Die nukleare Testanlage Punggye-ri im Nordosten des Landes soll nach Angaben der nordkoreanischen Staatsagentur KCNA komplett geschlossen werden, um die Absicht zur Aussetzung der Atomversuche zu bekräftigen. In der Anlage hatte Nordkorea seit 2006 all seine sechs bisherigen Atomwaffentests unternommen - den bisher letzten und stärksten im September vergangenen Jahres.

Zentralkomitee beschließt Ende der Atomtests

Die Schritte wurden am Freitag bei einem Treffen des Zentralkomitees der Arbeiterpartei in Form einer Sechs-Punkte-Resolution beschlossen. Zudem wurde ein Wechsel des politischen Kurses proklamiert, mit dem sich das abgeschottete und verarmte Land künftig stärker auf die Entwicklung der Wirtschaft konzentrieren wolle. Nicht zuletzt durch internationale Sanktionen liegt das Land mit seinen rund 25 Millionen Einwohnern wirtschaftlich am Boden. Der Beschluss im Wortlaut:

"1. Wir erklären feierlich, dass (...) die Technik, Atomsprengköpfe auf ballistische Raketen zu montieren, auf ein höheres Niveau zu bringen, verlässlich verwirklicht worden ist.

2. Wir werden die Atomversuche und Teststarts mit Interkontinentalraketen vom 21. April 2018 an nicht fortsetzen. Das nördliche Atomtestgelände wird demontiert, um transparent die Aussetzung der Atomtests zu garantieren.

3. Die Aussetzung der Atomtests ist ein bedeutender Prozess für die weltweite Abrüstung, und die Demokratische Volksrepublik Korea wird sich den internationalen Wünschen und den Bemühungen anschließen, Atomtests komplett einzustellen.

4. Die Demokratische Volksrepublik Korea wird niemals Atomwaffen einsetzen oder Atomwaffen und -technologie weitergeben, es sei denn, sie wird atomar bedroht oder provoziert.

5. Wir werden all unsere Bemühungen darauf konzentrieren, eine starke sozialistische Wirtschaft zu bauen und den Lebensstandard der Menschen bedeutend zu heben, indem alle menschlichen und materiellen Ressourcen des Landes mobilisiert werden.

6. Wir werden ein internationales Umfeld bauen, das für den sozialistischen wirtschaftlichen Aufbau vorteilhaft ist, und engen Kontakt und aktiven Dialog mit den Nachbarländern und der internationalen Gemeinschaft ermöglichen, um Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel und in der Welt zu verteidigen."

Streit um Nordkoreas Atomprogramm seit Jahren einer der gefährlichsten Konflikte

Der Streit um das nordkoreanische Atomprogramm gehört seit Jahren zu den gefährlichsten Konflikten der internationalen Politik. Die Spannungen hatten sich 2017 deutlich verschärft, nachdem Nordkorea mehrfach Raketen und eine weitere Atombombe getestet und damit gegen UN-Resolutionen verstoßen hatte.

Nordkorea hatte bereits nach dem Test einer Interkontinentalrakete im vergangenen November erklärt, die Entwicklung zur Atomstreitmacht sei abgeschlossen. Die USA als Erzfeind und Verbündeter Südkoreas befänden sich in Reichweite nordkoreanischer Langstreckenraketen.

Die jüngsten Entspannungssignale passen zum vorsichtigen Annäherungskurs Nordkoreas seit Beginn dieses Jahres. Nach Angaben des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In ist Nordkorea zur kompletten Denuklearisierung bereit. Kim verlange aber eine Ende der "feindseligen Politik" der USA und eine Sicherheitsgarantie.

Moon und Kim wollen nächsten Freitag im Grenzort Panmunjom zum erst dritten gesamtkoreanischen Gipfeltreffen seit Ende des Korea-Kriegs (1950-1953) zusammenkommen. Neben dem Ende des nordkoreanischen Atomprogramms will Moon auch über Bedingungen eines dauerhaften Friedens auf der koreanischen Halbinsel reden.

Gipfeltreffen zwischen Kim und Trump geplant

Geplant ist auch ein Gipfeltreffen zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump, möglicherweise Anfang Juni. Zu den jüngsten Berichten aus Pjöngjang schrieb Trump in der Nacht zum Samstag auf Twitter: "Das sind sehr gute Neuigkeiten für Nordkorea und die Welt." Er freue sich auf den Gipfel. Als Gesandter Trumps war der CIA-Chef und designierte US-Außenminister Mike Pompeo bereits kürzlich von Kim zu einem Geheimbesuch in Nordkorea empfangen worden.

Die südkoreanische Regierung begrüßte den Teststopp als "bedeutsamen Fortschritt für die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel, die sich die Welt wünscht". Sie diene zudem als "sehr positive Grundlage" für das nahende Gipfeltreffen.

Japans Ministerpräsident Shinzo Abe äußerte sich verhalten positiv. Man werde sehen, ob der Schritt zu einer nachweisbaren und unumkehrbaren Beseitigung des Arsenals an Massenvernichtungswaffen führe. Sein Verteidigungsminister Itsunori Onodera wies zudem darauf hin, dass in der Erklärung Nordkoreas nur auf den Teststopp für ballistische Langstreckenraketen Bezug genommen werde - nicht aber auf Tests mit Kurz- und Mittelstreckenraketen, in deren Reichweite sich Japan und Südkorea als Nachbarstaaten befinden. Deshalb sei die Erklärung "unbefriedigend" und "unzureichend".

Weltgemeinschaft reagiert positiv

Aus China, Russland und der EU kamen positive Reaktionen. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Lu Kang, sagte, die Entscheidung werde helfen, die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel abzubauen. Auch würden die Denuklearisierung und eine politische Lösung damit vorangebracht.

"Moskau begrüßt die Entscheidung Nordkoreas, seine Atom- und Raketentests einzustellen", sagte ein Sprecher des Außenministeriums der Agentur Interfax. "Das ist eindeutig die Chance auf eine Deeskalation der Spannungen, die sich noch vor ein, zwei Monaten bis an den Rand eines Atomkriegs aufgeschaukelt hatten", schrieb der Außenpolitiker Konstantin Kossatschow auf Facebook. Der Vorsitzende des Außenausschusses im Föderationsrat forderte aber weitere Schritte: Nordkorea müsse sich wieder an die Regeln des Atomwaffensperrvertrags halten, die USA sollten eindeutige Zeichen der Entspannung an Nordkorea senden.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bezeichnete den Teststopp als einen lange erhofften Schritt auf einem Weg, der nun auch zur völligen Denuklearisierung des asiatischen Landes führen müsse.

Auch Großbritannien hat die Ankündigung Nordkoreas begrüßt, Tests mit Atombomben und Interkontinentalraketen einzustellen. Eine langfristige Verpflichtung des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un zum Stopp aller Tests wäre "ein positiver Schritt", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums am Samstag einer Mitteilung zufolge. "Wir hoffen, dass dies eine Anstrengung ist, in gutem Willen zu verhandeln." (mgb / dpa)

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