Manuela Schwesig konstatiert im ZDF-Sommerinterview ihrer Partei einen angeschlagenen Zustand. Eine Lösung für diese mehr als offensichtliche Erkenntnis liegt für die SPD-Interimsparteivorsitzende vor allem in einer Beantwortung der Führungsfrage. Dass sie damit womöglich zu kurz greift, dem wollte Interviewerin Shakuntala Banerjee aber nicht tief genug auf den Grund gehen.

Christian Vock
Eine Kritik

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Eigentlich hat Manuela Schwesig ja bereits einen Vollzeitjob. Seit 2017 ist sie Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Doch seit dem Abschied von Andrea Nahles führt Schwesig zusätzlich zu ihrem Ministerpräsidentinnen-Amt nicht nur die Geschicke der SPD in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch mit Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel kommissarisch die der Bundes-SPD.

Diese Doppelbelastung ist weder für die SPD noch für Schwesig die Ideallösung und deshalb will ZDF-Journalistin Shakuntala Banerjee im Sommerinterview in Schwerin herausfinden, "ob die SPD eine Zukunft hat, und wenn ja, welche." Schwesig ist sich sicher, Banerjee eine Antwort zu geben: "Da können sie sich drauf verlassen."

Schwesig: "Die Lage der SPD ist schwierig, aber nicht hoffnungslos"

Dass solche Antworten überhaupt notwendig sind, liegt am Zustand der Partei und damit auch an den Umfragewerten in der Bevölkerung. "Woran liegt das?", will Banerjee wissen und Schwesig gibt sich optimistisch: "Die Lage der SPD ist schwierig, aber nicht hoffnungslos. Wir haben schwierige Zeiten hinter uns, weil wir in drei Jahren, dreimal Führungswechsel hatten. Das irritiert auch Wählerinnen und Wähler und Bürgerinnen und Bürger. Daher ist es wichtig, dass wir jetzt die Führungsfrage beantworten und dann wieder die Inhalte, für die wir stehen, in den Vordergrund rücken."

Doch Banerjee lässt Schwesigs Erklärung, das Tief der SPD habe nur etwas mit den Führungswechseln zu tun, nicht unhinterfragt und bohrt bei ebendiesen Inhalten mit einer Zahl nach: "Nur noch zwei Prozent der Deutschen glauben, dass die SPD Antworten auf die wichtigsten Zukunftsfragen hat. Haben Sie sich vielleicht auch zu lange mit den falschen Themen befasst?"

Führungsfrage in der Partei weiterhin ungeklärt

Doch Schwesig beharrt auf ihrer These mit den Führungswechseln: "Wir haben in den letzten Monaten noch unter Andrea Nahles begonnen, wichtige Themen anzupacken wie zum Beispiel die Frage des Sozialstaats (…) Solange wir gute Themen haben und eigentlich auch die beste Arbeit in der Bundesregierung machen, aber gleichzeitig immer die Führungsfrage diskutieren, wird das leider überschattet, das muss man ehrlich einräumen."

Man habe für diese Führungsfrage einen klaren Plan und außerdem wichtige Themen angepackt, denn das würden die Menschen erwarten. Dem hält Banerjee Stimmen aus Schwesigs eigener Partei entgegen, die sagen, dass die Menschen zwar sozialdemokratische Inhalte wollten, aber nicht glauben, dass die SPD diese liefern kann. Das sei laut Banerjee ein verheerendes Zeugnis für die SPD-Führungen der vergangenen Jahre.

Muss die SPD raus aus der GroKo?

Auch hier sieht Schwesig wieder die Schuld an der Spitze der Partei, denn die Inhalte werden zwar honoriert, aber es spiele auch immer eine Rolle "wer da vorne an der Spitze der Partei steht und diese Zukunftsfragen rüberbringt."

Trotzdem, so Banerjee, würden laut einer Umfrage 72 Prozent der Befragten nicht wissen, wofür die SPD steht. Als Beispiele führt Banerjee den Kohleausstieg und die Haltung zu Upload-Filtern an und fragt: "Sind Sie die 'Ja, aber-Partei'?". Nein, meint Schwesig und sieht die SPD als Partei, die Wirtschaft und Umwelt zusammenbringe.

Die Mutter aller Kompromisse

Für komplexe Fragen brauche man mehrere Antworten, wie Schwesig am Beispiel der Klimakrise erklären will: "Es geht darum, mehr Klimaschutz hinzubekommen, aber gleichzeitig auch eine soziale Verantwortung dabei zu haben." Doch statt nachzuhaken, wie es denn bei der SPD in den vergangenen Jahrzehnten um den Klimaschutz, also die Zukunftsfrage überhaupt bestellt war, fragt die Journalistin lieber nach der Außenwirkung als Kompromisspartei: "Wie wollen Sie dieses Image loswerden?"

Schwesig umschifft die Frage, findet Kompromisse wichtig in einer Demokratie und sagt: "Nicht jeder Kompromiss ist ein fauler Kompromiss." Banerjee findet aber doch einen faulen Kompromiss, und zwar in der Großen Koalition, die sie als "Mutter aller Kompromisse" bezeichnet und fragt deshalb: "Muss die SPD nicht raus aus der GroKo?"

Hier verweist Schwesig auf die Leistungen der SPD in der Regierungskoalition, die mehr als nur Kompromisse gewesen seien, wie zum Beispiel das "gute-Kita-Gesetz".

Was kann die SPD in der GroKo noch gewinnen?

"Es hat Ihnen aber nichts genützt", fragt Banerjee pragmatisch und wird dann ganz direkt: "Was können Sie in der Großen Koalition noch gewinnen?" Es ist offensichtlich, dass Schwesig hier nicht im Sommerinterview das Platzen der Regierungskoalition ausrufen wird und so antwortet sie: "In erster Linie geht es doch darum, dass es den Menschen nutzen muss. Natürlich müssen wir darauf achten, dass wir dabei nicht unter die Räder kommen. (…) Aber wir machen das für die Menschen."

Auf die logische Frage, ob sie dementsprechend für einen Verbleib in der Koalition sei, verweist Schwesig auf die angekündigte Halbzeitbilanz, die man ziehen werde. Es werde dort darum gehen, ob die Koalition die Zukunftsfragen zufriedenstellend beantworten kann, zum Beispiel mit einem Klimaschutzgesetz.

Bohren an der Oberfläche

Das ist für Banerjee zu viel Detail, sie fragt lieber nach der Zeit nach der GroKo und einem möglichen Regierungsbündnis mit der Linken und den Grünen. "Wir schließen dieses Bündnis nicht aus", antwortet Schwesig, das habe man aber schon vor Jahren beschlossen.

Es war ein interessantes Interview, das Banerjee hartnäckig, aber doch weitgehend an der Oberfläche führte. Banerjee fragte nach Kurzfristigem wie Umfragetiefs, dem Ausstieg aus der GroKo, dem Führungspersonal oder möglichen Bündnissen nach der aktuellen Legislaturperiode.

In die Tiefe gingen Banerjee und Schwesig dabei nicht und so blieb man zentralen Frage fern, ob es nicht vielleicht einen grundsätzlicheren und systemischen Grund für die Schwäche der SPD gibt. Ob die Zeit der klassischen Sozialdemokratie nicht vielleicht vorbei ist.

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