Manfred Weber ist der große Verlierer des EU-Postenpokers. Er war Spitzenkandidat des Wahlgewinners - und geht dennoch leer aus. In einem Interview spricht der EVP-Mann über seine Enttäuschung und spart nicht mit Kritik an seinen Gegnern.

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Manfred Weber ist "sehr enttäuscht", von den Staats- und Regierungschefs der EU nicht als Präsident der Kommission nominiert worden zu sein. Das gab er in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung zu. "Als Politiker weiß man, dass man Wahlen gewinnen oder verlieren kann. Aber dass Emmanuel Macron und Viktor Orbán das Wahlergebnis einfach vom Tisch wischen, hätte ich nicht erwartet."

Weber: Stinksauer auf Emmanuel Macron und Viktor Orbán

Weber war als Spitzenkandidat der EVP in die Europawahl gegangen. Obwohl die EVP stärkste Kraft geworden war, konnte sich der Europäische Rat nicht auf Weber als künftigen EU-Chef einigen. Stattdessen soll nun die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Posten bekommen.

Zwar ist die Personalie noch nicht durch - das Europaparlament wird Mitte Juli abstimmen. Dass Weber leer ausgehen wird, gilt aber als ausgemacht.

Auf die Frage, wie er das seinen Wählern erklären wolle, antwortete Weber: "Man kann es kaum erklären. Es gab Hinterzimmer-Gespräche und Nachtsitzungen, bei denen sich die Achse Macron und Orbán durchgesetzt und das Spitzenkandidatenprinzip demontiert hat."

Ausgerechnet der Pro-Europäer Macron und der Europa-Skeptiker Orbán hätten gemeinsame Sache gemacht und so die Demokratie beschädigt. Weber: "Jetzt stehen wir vor einem Scherbenhaufen."

Manfred Weber unterstützt Ursula von der Leyen

Der französische Präsident Emmanuel Macron ist erklärter Gegner des - nicht bindenden - Spitzenkandidatenprinzips. Es sieht vor, dass der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion im Parlament Kommissionspräsident wird.

Ungarns Präsident Viktor Orbán hatte sich strikt gegen Weber positioniert - wie Weber gegenüber der "Bild"-Zeitung mutmaßt, aus Rache dafür, dass er fehlende Rechtsstaatlichkeit in Ungarn angeprangert hatte.

Gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel hegt Weber hingegen keinen Groll. Sie habe am Ende eben einen Kompromiss finden müssen. Auch hat Weber nichts gegen Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin einzuwenden. Bei der Abstimmung im Parlament will er ihr seine Stimme geben. (mcf)

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