• Beim Flüchtlingsgipfel haben Bund, Länder und Kommunen über die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten beraten.
  • Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigt unter anderem ein "Dashboard" zum Thema an – und will sich für eine gerechtere Verteilung der Geflüchteten aus der Ukraine einsetzen.
  • Vertreter von Kommunen äußern sich enttäuscht: Eine größere finanzielle Unterstützung des Bundes ist vorerst nicht in Sicht.

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Zweieinhalb Stunden waren am Donnerstag angesetzt für den Flüchtlingsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen. Es gab offenbar sehr viel Gesprächsbedarf: Die Pressekonferenz im Bundesinnenministerium begann erst nach rund vier Stunden.

Reinhard Sager (CDU), Präsident des Deutschen Landkreistags, wirkt ernüchtert, als er das Wort hat. Vier Stunden Konferenz bedeuten nicht vier Stunden konstruktive Gespräche, sagt der Landrat von Ostholstein. "Das war leider nicht der Fall" Er wiederholt noch einmal seine Kritik der vergangenen Wochen: Bei diesem Krisengipfel hätte auch der Bundeskanzler teilnehmen müssen. "Das ist überfällig."

Unterkünfte, Sprachkurse, Kita-Plätze: Großer Bedarf vor Ort

Seit der russischen Invasion in der Ukraine wurden knapp 1,1 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland registriert. Hinzu kommen wieder mehr Menschen aus weiteren Ländern, die hierzulande Schutz suchen: Im vergangenen Jahr verzeichnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 244.132 Asylanträge. Im Januar 2023 kamen noch 29.072 Anträge hinzu.

Diese Menschen müssen verteilt, untergebracht, betreut werden. Das ist in Deutschland die Aufgabe von Ländern und Kommunen. Viele Behörden sehen sich dabei aber vor enormen Herausforderungen, denn es mangelt an vielem: an geeigneten Unterkünften und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, an Kitaplätzen, Lehrkräften, Sprachkursen.

Keine neuen Zusagen für mehr Geld vom Bund

Nicht alles lässt sich schnell mit Geld lösen. Darüber sind sich bei der Pressekonferenz alle einig. Doch seit Langem fordern Länder und Kommunen, dass der Bund sie stärker finanziell unterstützt. Reinhard Sager schlug zum Beispiel vor, dass der Bund die Kosten für die Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen vollständig übernimmt. "Das wäre leicht umzusetzen und auch rechtlich ohne Weiteres möglich", sagte Sager im Vorfeld des Gipfels gegenüber unserer Redaktion. Bis Ende 2021 sei das schon einmal geschehen.

In diesem Jahr unterstützt der Bund die Länder und Kommunen in der Flüchtlingspolitik mit 2,75 Milliarden Euro. An dieser Summe hat sich aber auch durch den Gipfel am Donnerstag nichts geändert. Es gibt keine Signale, dass Berlin diese Mittel aufstockt. Zumindest vorerst nicht. Darüber werden wohl der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen in den kommenden Monaten verhandeln. "Der Bund hat deutlich gemacht, dass er nicht bereit ist, uns weiter zu unterstützen", sagt Landrat Reinhard Sager. Das sei ärgerlich.

Das sind die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels

Bei der Gastgeberin klingt das erwartungsgemäß anders. "Wir stehen Seite an Seite, um die großen Herausforderungen zu meistern", sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach dem Gipfel. Sie benennt dabei folgende Ergebnisse:

  • Die Migration nach Deutschland will Faeser stärker "steuern und orten". Beschleunigen will sie auch die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern. Das ist eine Aufgabe von Joachim Stamp: Der FDP-Politiker ist seit Kurzem Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung für Migrationsabkommen. Er soll unter anderem die Rückführungen von abgelehnten oder straffälligen Asylbewerbern erleichtern und beschleunigen. Stamp soll mit anderen Staaten Abkommen aushandeln, damit diese ihre Staatsbürger leichter aufnehmen. Er räumt am Donnerstag aber ein: Das wird Zeit brauchen.
  • Bund, Länder und Kommunen wollen "feste Arbeitsstrukturen" schaffen, um sich regelmäßig über die Unterbringung von Geflüchteten auszutauschen. Bis Ostern soll feststehen, wie diese Gremien aussehen könnten.
  • Faeser will sich auf europäischer Ebene für eine bessere Verteilung der Geflüchteten aus der Ukraine einsetzen. Deutschland und Polen nehmen besonders viele Menschen aus dem Land auf, Spanien zum Beispiel deutlich weniger. "Das kann so nicht bleiben", findet Faeser.
  • Der Bund will Länder und Kommunen bei der Schaffung von Unterkünften unterstützen: Laut Faeser sucht man freien Wohnraum, Leerstände, auch freie Grundstücke, um sie schnell mit Containern zu bebauen. Der Effekt gilt aber als begrenzt, weil leerstehende Bundesimmobilien erst hergerichtet werden müssen. Man habe das "zur Kenntnis genommen", sagt Reinhard Sager.
  • Eine Erinnerung an die Corona-Pandemie: Es soll künftig ein "Dashboard" geben, auf dem landkreisgenau zu sehen ist, wie viele Menschen jeder Kreis aufgenommen hat. Das klingt wie das Corona-Dashboard, auf dem das Robert-Koch-Institut die Zahlen in den Landkreisen zusammenstellte.

Es wird nicht der letzte Krisengipfel zum Thema gewesen sein – das ist an diesem Donnerstag auch klar. Landkreistags-Präsident Reinhard Sager bleibt bei seiner Kritik: "Gemessen an dem Druck vor Ort sind die Ergebnisse heute ernüchternd." Er stellt klar: Die Entscheidung, wie viele Menschen nach Deutschland kommen, treffen nicht die Kreise, Städte und Kommunen – genau sie müssen aber die Menschen am Ende unterbringen. Und dabei pochen sie eben auf mehr Unterstützung.

"Am Ende müssen sich Bund, Länder und Kommune unterhaken", sagt Sager. Das ist auch eine Botschaft an Bundeskanzler Olaf Scholz, von dem sich Sager wie gesagt gewünscht hätte, er wäre dabei gewesen: "Unterhaken" ist nämlich auch eine Lieblingsvokabel des Kanzlers.

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