• In der Atomanlage Fordo hat Iran mit der Produktion von auf 60 Prozent angereichertem Uran begonnen.
  • Beobachter vermuten, dass die Regierung in Teheran weiter an der Entwicklung einer Atombombe arbeitet.
  • Westliche Länder zeigen sich besorgt.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Seit Wochen herrscht im Iran Aufruhr. Das Regime geht mit äußerster Härte gegen die Protestbewegung vor, die gegen das Mullah-Regime rebelliert. Im Schatten der Proteste hat die Regierung in Teheran derweil angefangen, das eigene Atomprogramm voranzutreiben.

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Nach eigenen Angaben hat Iran am Dienstag in der Untergrundanlage Fordo mit der Urananreicherung auf 60 Prozent begonnen. 2015 hatten die USA zusammen mit anderen internationalen Partnern wie Deutschland ein Atomabkommen mit dem Land ausgehandelt, wonach eine Urananreicherung nur bis 3,67 Prozent stattfinden darf.

Obwohl die Regierung in Teheran angibt, es handle sich bei dem Atomprogramm um die Verfolgung ziviler Zwecke, wird vermutet, dass Iran weiter an der Entwicklung von Nuklearwaffen arbeitet. Für eine Atombombe muss Uran auf mindestens 90 Prozent angereichert werden. Für eine militärische Nutzung spricht außerdem, dass die Anreicherung in einer Untergrundanlage erfolgt, die Schutz gegen Luftangriffe bietet.

Neues Atomabkommen steht auf der Kippe

Auf internationaler Ebene hat der Vorgang heftige Kritik ausgelöst. Deutschland, Frankreich und Großbritannien erklärten gemeinsam, es gebe keine zivile Begründung für den Ausbau und sprachen von einem signifikanten Risiko einer militärischen Nutzung von Atomtechnologie. Nach dem Aufkündigen des Atomabkommens durch die USA unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump 2018 hatte Iran den Kontrolleuren der Internationalen Atomenergieorganisation IAEA den Zugang zu den Anlagen erschwert.

Seit April 2021 koordiniert die EU erneute Verhandlungen mit Iran in Wien. Da die iranische Seite nicht direkt mit den USA verhandeln möchte, laufen die Gespräche über die europäischen Repräsentanten wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und stocken. Die erneute Anreicherung von Uran könnte den Gesprächen jetzt allerdings auch offiziell ein Ende bereiten. Hardliner auf beiden Seiten fordern einen offiziellen Abbruch.

Experte: Keine Diplomatie möglich

Laut Iran-Experte Cornelius Adebahr wirkten sich die Proteste negativ auf die diplomatischen Bemühungen hinsichtlich des Atomprogramms aus: "Die iranische Führung wittert hinter Unruhen im eigenen Land immer ausländische Mächte. Wenn jemand gegen die islamische Republik ist, dann muss er aus dem Ausland dazu angestiftet sein, so der Gedanke des Regimes." Aktuell gebe es daher keine Formate, in denen über das Atomprogramm gesprochen wird.

Auch die Europäer und Amerikaner seien derzeit gegen die Aufnahme von Gesprächen, erklärt der Politikwissenschaftler unserer Redaktion: "So lange die Proteste auf diese Weise niedergeschlagen werden, wird es zu keinen Gesprächen kommen. Die diplomatischen Bemühungen sind auf ungewisse Zeit ausgesetzt." Gleichzeitig wäre es laut Adebahr falsch, die Verhandlungen auch offiziell zu beenden: "Es gibt keine realistische diplomatische Alternative und eine militärische Lösung kann keiner ernsthaft wollen."

Atomwaffe als Druckmittel

Bezüglich des Fortschritts des Atomprogramms ist der Politikwissenschaftler hingegen vorsichtig: "Wir beobachten, dass Iran seit Jahren daran arbeitet, in eine Position zu kommen, aus der heraus er relativ schnell eine Bombe bauen kann. Die Intention ist relativ klar. Allerdings bleibt das Atomprogramm immer unter einem gewissen Schwellenwert, um keine internationalen Reaktionen hervorzurufen."

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Es fehlten laut Adebahr aktuell noch ein paar Komponenten für den Bau einer Atomwaffe. In einzelnen Bereichen sei Iran aber bereits sehr weit, wie beispielsweise bei der Anreicherung von hochprozentigem Uran. Es sei daher klar, dass das Regime in Teheran sich immer die Möglichkeit offenlassen möchte, eine Atombombe zu entwickeln, auch, um international Druck ausüben zu können. Ob sie auch wirklich jemals gebaut wird, ist dagegen ungewiss.

Über den Experten: Dr. Cornelius Adebahr ist selbstständiger Politikberater und Analyst und Iran-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er ist der Autor der Bücher "Europe and Iran: The Nuclear Deal and Beyond” (Routledge 2017) und "Inside Iran: Alte Nation, Neue Macht?" (Dietz 2018).

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Daniel Adebahr
  • Deutschlandfunk.de: USA, Deutschland und weitere Länder sehen Fortschritte bei Atomprogramm mit großer Sorge
  • dw.com: Iran und sein Atomprogramm: Verhandeln oder nicht?
  • dw.com: Irans Atomprogramm: Chronik eines diplomatischen Ringens
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