Die SPD-Politikerin Heike Heubach ist die erste gehörlose Abgeordnete im Bundestag. Wie hat sie die ersten Wochen erlebt und was möchte sie im Parlament erreichen? Eine Begegnung.

Ein Porträt
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Ihr Büro ist noch nicht komplett eingerichtet, aber sonst sei sie gut in Berlin angekommen, sagt Heike Heubach. Hinter der 44-jährigen SPD-Politikerin aus Bayern liegen ereignisreiche Wochen. Als Nachrückerin ist sie mitten in der Legislatur in den Bundestag eingezogen. Und bevor sie überhaupt ihre erste Rede gehalten hat, stand schon fest: Heike Heubach wird den Parlamentsbetrieb verändern. Sie ist Deutschlands erste gehörlose Abgeordnete.

Schon vor Antritt des Mandats gab es großes mediales Interesse an ihrer Person. Das habe sie überrascht, sagt Heubach. Zum Gespräch in einem schmucklosen Konferenzraum im Bundestag bringt sie ihren Büroleiter und zwei Gebärdendolmetscherinnen mit. Die sind in zwei Schichten bei ihr, einmal von neun Uhr morgens bis zwei Uhr am Nachmittag und dann bis abends. "Durchgehend geht nicht, das wäre viel zu anstrengend", sagt Heubach.

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Noch ist sie dabei, Mitarbeiter für ihr Büro einzustellen, herauszufinden, wo der Parlamentsbetrieb nicht barrierefrei funktioniert. Alles ist neu und ungewohnt. Für die zweifache Mutter war der Wechsel nach Berlin ein großer Schritt. Ein Parlamentsmandat hatte sie bislang nicht, auch nicht auf kommunaler Ebene. Und dann gleich der schnelllebige Hauptstadt-Betrieb. "Mein Terminkalender war sofort voll", sagt Heubach.

In der Landesgruppe, wo sich die bayerischen SPD-Abgeordneten treffen, wurde sie gut aufgenommen. Und auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen mit Ausnahme der AfD, dorthin gäbe es keinen Kontakt hätten sie freundlich begrüßt. Nun kann es also losgehen.

Heike Heubach wollte schon 2021 in den Bundestag

Heike Heubach ist da angekommen, wo sie schon 2021 hinwollte. Bei der letzten Wahl hat sie den Einzug in den Bundestag in ihrem Wahlkreis Augsburg-Land noch knapp verpasst. Weil der SPD-Abgeordnete Uli Grötzsch ebenfalls ein Bayer aber kürzlich zum Polizeibeauftragten des Bundes gewählt worden ist, rückte sie nach.

Eine gehörlose Abgeordnete ist ein starkes Zeichen für die Inklusion – und gleichzeitig eine Herausforderung für den Parlamentsbetrieb. Im Block der SPD-Fraktion ist Heubach die einzige, die einen festen Platz bekommt, vor ihr sitzen die Dolmetscher. Das Mikrofon ist drehbar, bei allen anderen Plätzen ist es fest.

Im Bundestag übersetzt eine Gehörlosen-Dolmetscherin die Rede für Heike Heubach. © IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Im Bundestag funktioniert vieles mit Signalton, etwa namentliche Abstimmungen, auch das musste für Heubach geändert werden. In ihrem Büro sind stattdessen Lampen angebracht. Auch der Feueralarm oder Informationen über Polizeieinsätze funktionieren akustisch. Sie will sich dafür einsetzen, dass zukünftig alle wichtigen Informationen über das Handy, per Push, bei ihr einlaufen.

Heike Heubachs Themen sind Bauen und Wohnen – etwas unfreiwillig

Als Abgeordnete kümmert sich Heubach um das Thema Bauen und Wohnen. Ganz freiwillig war das nicht. Doch in diesem Ausschuss war noch ein Platz frei – und Nachrücker müssen das nehmen, was sie kriegen. "Ich bin stolz darauf, es bis hierhin geschafft zu haben", sagt Heubach. "Wohnen ist ein Menschenrecht und die Miete muss bezahlbar bleiben." Damit liegt sie ganz auf SPD-Linie. Kanzler Olaf Scholz hatte eine Wohnungsbauoffensive versprochen, doch die selbstgesteckten Ziele von 400.000 neuen Wohnungen jährlich verfehlt die Ampel deutlich.

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Wie umkämpft der Wohnungsmarkt in den Ballungszentren ist, gerade in Berlin, erfährt Heubach jetzt am eigenen Leib. Noch habe sie keine Wohnung gefunden. Dauerhaft im Hotel unterzukommen, wie es manche Abgeordnete machen, käme für sie aber nicht infrage.

Heubach will nicht auf Gehörlosigkeit reduziert werden

Heubach ist klar, dass sie als gehörlose Politikerin eine Vorbildfunktion hat, gerade für die Community der tauben Menschen. Darauf möchte sie aber nicht reduziert werden. "Bloß weil ich taub bin, muss ich nicht immer nur über Inklusion sprechen", sagt sie. Es gebe so viele Dinge, die ihr am Herzen liegen, etwa das Thema Gleichberechtigung. "Noch immer sind es vor allem Frauen, die Care-Arbeit übernehmen", sagt sie. Auch beim Gehalt sei Gleichstellung noch längst nicht erreicht. Für Heubach steht fest: Es gibt viel zu tun.

In der SPD hat sie einen steilen Aufstieg hingelegt. Erst 2019 ist sie in die Partei eingetreten. Weil die Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sie überzeugen. Jetzt will Heubach mithelfen, die Lage ihrer Partei in einer schwierigen Situation zu verbessern.

Eine Frage zum Schluss: Wann wird sie ihre erste Rede im Plenum halten?

Das steht noch nicht fest, sagt Heubach. Das Parlament wird darauf aber vorbereitet sein. Auch hier kommen Gebärdendolmetscher zum Einsatz. Sie sitzen neben den Stenografen und übersetzen Heubachs Rede. Es liegt nahe, dass Heubach zum Thema Bauen und Wohnen spricht. Doch eigentlich ist das zweitrangig. Die Rede wird auch so in die Parlamentsgeschichte eingehen.

Über die Gesprächspartnerin

  • Heike Heubach (Jahrgang 1979) ist seit März 2024 Bundestagsabgeordnete. Die Politikerin stammt gebürtig aus dem schwäbischen Rottweil und vertritt im Bundestag den Wahlkreis Augsburg-Land. Heubach ist verheiratet und hat zwei Kinder. Vor ihrer Zeit im Parlament arbeitete die gelernte Industriekauffrau beim Energieversorgungsunternehmen Bayernwerk.

Verwendete Quellen

  • Gespräch mit Heike Heubach im Deutschen Bundestag
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