Der Niederländer Geert Wilders ist einer der innigsten Feinde Europas – und des Islams. Während seine selbstgegründete Freiheitspartei zu Hause erste Schwächen zeigt, sucht der 51-Jährige mehr und mehr die internationale Bühne. An diesem Montag wird er bei einer Pegida-Kundgebung in Dresden erwartet. Davon profitieren kann Europas bekanntester Rechtspopulist aber nur indirekt.

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Er soll ihr zu neuer Größe verhelfen: Am heutigen Montag tritt der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders bei der Pegida-Kundgebung in Dresden auf. Kein Akt der Selbstlosigkeit: Denn der Gründer der rechtspopulistischen niederländischen Freiheitspartei PVV ist auf Werbetour - unlängst machte Wilders durch neuerliche Hasstiraden gegen den Islam bei einem Gastauftritt bei der Freiheitlichen Partei Österreichs von sich reden. Ende des Monats reist der 51-Jährige nach Washington, wo er auf einem Empfang einiger Kongressabgeordneten über "die Gefahren der Islamisierung" sprechen will.

Wilders sucht nach Verbündeten. Denn zuletzt hatte die PVV bei provinziellen Wahlen in den Niederlanden Sitze einbüßen müssen – wie schon bei der Europawahl im vergangenen Jahr. Auch die schwächelnde Pegida-Bewegung sucht nach neuem Auftrieb. Sie dürfte der größere Nutznießer von Wilders' Gastrede sein. Veranstalter Lutz Bachmann hofft auf großen Zulauf. Er hat 30.000 Personen angemeldet.

Pegida "neues Leben einhauchen"

"Wilders wird erleben, dass er keine Bewegung vor sich hat, sondern nur eine periodische Organisation mit einem unzulänglichen Organisationsteam", meint Werner Patzelt vom Institut für Politikwissenschaft der TU Dresden. Er rechnet mit etwas über 10.000 Teilnehmern, während die Pegida-Organisatoren von bis zu 30.000 Demonstranten ausgehen. Der geballte Widerstand durch Organisationen wie "Dresden Nazifrei" und "Dresden für alle" sowie die eigene Desorganisation und Radikalisierung habe den Strom verkümmern lassen, so der Experte. Durch die Einladung einer der "Speerspitzen des europäischen Rechtspopulismus" wolle man Pegida nun neues Leben einhauchen.

Daraus versuche auch Wilders Profit zu schlagen: "Er will versuchen, aus seiner Organisation eine europäische zu machen", vermutet Patzelt. "Nur ist es so, dass beide in zwei verschiedenen Ligen spielen: Bachmann ist nicht einmal die dritte Liga. Wilders spielt in der Champions League." Dennoch hofft der blonde 51-Jährige auf ein positives Echo: "Wenn die Welt so wäre, wie Wilders sie sich wünscht, würde er großen Beifall ernten und viel Solidarität erfahren", sagt Patzelt – vor allem, wenn er durch die Medien diffamiert wird.

Wilders ist bei den Pegida-Anhängern bekannt: So ließ er bei der bislang letzten großen Kundgebung der Bewegung im Januar ein Grußwort durch Edwin Utrecht übermitteln. Der gebürtige Niederländer gehört der Pegida-Bewegung seit Beginn an und zählt zu einem ihrer bekanntesten Redner. "Es ist wirklich fabelhaft, was hier in Dresden passiert", ließ Wilders damals durch ihn verkünden.

Geert Wilders wegen Volksverhetzung angeklagt

In Wilders findet Pegida einen dankbaren Gastredner. Zu seiner Rhetorik gehört - ebenso wie zu der von Pegida - die Vermischung von Religion und Extremismus ebenso wie das Zeichnen von Feindbildern. Sätze wie "Wir werden den Islam besiegen" oder "Der Islam zerfrisst unsere Kultur" fallen immer wieder. Den Koran vergleicht der Chef der niederländischen Freiheitspartei gerne mit Hitlers "Mein Kampf".

Vergangenes Jahr provozierte Wilders bei einer Kundgebung in Den Haag mit Sätzen wie "Wollt ihr mehr oder weniger Europäische Union? Und wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner?". Auf jede dieser Fragen skandierte der Saal "Weniger, weniger!" Darauf Wilders Antwort: "Wir kümmern uns darum." Die Ansprache zog nicht weniger als 6.400 Anzeigen gegen den Rechtspopulisten nach sich. Bereits zum zweiten Mal muss sich Wilders deshalb wegen des Verdachts der Volksverhetzung vor Gericht verantworten – die Staatsanwaltschaft hat vor wenigen Monaten offiziell Anklage erhoben.

Wie Pegida nutzt auch Wilders vorhandene Ängste: "Rechtspopulismus taucht überall dort auf, wo Politiker Probleme nicht gelöst haben", erklärt Patzelt. So stehe die Einwanderungspolitik vor einem riesigen Problem. "Europa hat keine Möglichkeit, seine Grenzen dichtzumachen." Die Gemeinden, die die Flüchtlinge aufnehmen, seien oft finanziell überfordert. Also müsse der Bund einspringen, der dafür anderswo Geld einsparen müsse. "Dieses Problemgefüge hat Pegida genährt", so Patzelt.

Aufschwung für Pegida durch Geert Wilders?

Ob mit oder ohne den Auftritt von Wilders: Für Patzelt hat sich Pegida bereits überlebt: Organisator Lutz "Bachmann hat es geschafft, Pegida in eine Sackgasse zu steuern". Denn statt sich konstruktiv auf eine politische Debatte einzulassen, verhalte sich die Bewegung schlicht "bockig".

Auch deswegen geht der Politikwissenschaftler davon aus, dass Pegida nur noch "lebensverlängernde Maßnahmen" betreibe – denn seit der Spaltung der Bewegung sei "viel Luft aus dem Kessel", ohne dass diese "Wucht ins politische System getragen wurde". Mit der Pegida-Kandidatur von Tatjana Festerling für die Dresdner Oberbürgermeisterwahl Anfang Juni werde die Bewegung vorerst als "Wahlkampfveranstaltung" weiterleben.

Doch was kommt danach? Patzelt will keine Prognose abgeben. Denn nach der Spaltung von Pegida sei zwar erwartungsgemäß der gemäßigte Flügel gestorben. Doch entgegen Patzelts Prognose blieb der Flügel um Bachmann am Leben – und gewinnt wieder Mitglieder. Dafür gibt es auch eine Erklärung: "Solange die Probleme der Einwandererpolitik in Europa bestehen blieben, bleibe auch der Vulkan aktiv", fürchtet Patzelt. "Und er wird demnächst wieder explodieren."

Das dürfte nicht nur für Pegida, sondern auch für die in den Niederlanden zuletzt schwächelnde Freiheitspartei von Wilders gelten.

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