Um Misserfolge wie beim deutschen Engagement in Afghanistan in Zukunft zu vermeiden, braucht es nach Ansicht von Experten sowohl strukturelle Reformen als auch mehr Realitätssinn. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission "Lehren aus Afghanistan" des Bundestages deutlich, die am Montag einen Zwischenbericht vorlegte.

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Robin Schroeder, der sich als Berater für Sicherheitsfragen unter anderem mit Stabilisierungsbemühungen in Afghanistan und Mali befasst hat, sagte, er halte die Schaffung eines Bundessicherheitsrats "für die vielversprechendste Lösung". Der Bundesregierung und Deutschland fehle es an einer solchen Instanz, "und das beeinträchtigt sehr stark negativ unsere Handlungsfähigkeit".

Der Direktor des Global Public Policy Institute, Philipp Rotmann, hielt in seiner schriftlichen Stellungnahme fest: "Für effektive integrierte Analyse, Strategiebildung und strategische Führung haben sich die einzelnen Ressorts als zu schwach und zu gefangen in ihren Siloperspektiven und Revierkämpfen erwiesen."

Rotmann riet, Evaluierungsberichte mit kritischen Einschätzungen und Empfehlungen in Zukunft nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern praktische Konsequenzen zu ziehen. Dafür sei es notwendig neben den öffentlichen Debatten zu Auslandseinsätzen im Bundestag auch regelmäßig einen nicht öffentlichen Dialog zwischen Parlament und Regierung zu den aktuellen Entwicklungen in diesen Einsätzen zu etablieren.

Schroeder sagte, die Bundeswehr müsse sich mit der Masse der Truppe wieder auf die Landes- und Bündnisverteidigung fokussieren. Daher erfordere der militärische Beitrag zur Stabilisierung von Krisengebieten künftig, "mit sehr kleinen Kontingenten lokale Sicherheitskräfte auszubilden". Ferner müssten kleine Kontingente auch befähigt sein, lokale Sicherheitskräfte im Einsatz zu beraten und unter Eigensicherung bei Operationen zu begleiten. Er sprach sich außerdem dafür aus, die Zahl der von Deutschland entsandten Polizeiausbilder zu erhöhen. Obwohl die Ausbildung von Polizeikräften im Ausland einer der wichtigsten Beiträge zum Schutz der Zivilbevölkerung in Partnerländern sei, könne Deutschland nur eine verschwindend geringe Anzahl an Polizeiausbildern in solche Einsätze senden. Es sei dringend erforderlich, eine auf Ausbildungsmissionen im Ausland spezialisierte Einheit zu schaffen.

Die Bundeswehr hatte Afghanistan im Juni 2021 schneller als ursprünglich geplant verlassen. Sie folgte zeitlichen Vorgaben der USA. Im August 2021, als die Taliban - praktisch ohne Gegenwehr - Kabul einnahmen, beteiligte sich Deutschland an einem internationalen militärischen Evakuierungseinsatz. Es kam zu chaotischen Zuständen und gefährlichen Situationen rund um den Flughafen.  © dpa

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