US-Präsident Donald Trump hat in einer emotionalen Rede zur Lage der Nation die politischen Lager in den USA erst zu Einheit und Kompromissbereitschaft aufgerufen - verhärtet dann aber umgehend wieder die Fronten. Außerdem plant er ein erneutes Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un.

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US-Präsident Donald Trump hat die Demokraten in seiner Ansprache zur Lage der Nation zur Zusammenarbeit aufgerufen und um Zustimmung für seine umstrittene Grenzmauer geworben.

"Gemeinsam können wir Jahrzehnte politischen Stillstands aufbrechen", sagte der republikanische Präsident am Dienstagabend (Ortszeit) vor beiden Kammern des Kongresses in Washington. Sein Programm sei weder eines der Republikaner noch eines der Demokraten. "Es ist das Programm des amerikanischen Volkes."

Seine Aufrufe zum parteiübergreifenden Konsens konterkarierte der Präsident aber nicht nur mit seinen Aussagen zur Mauer. So prangerte er die parlamentarischen Untersuchungen zu den Moskau-Kontakten seines Wahlkampfteams als "lächerlich" und "parteiisch" an und forderte ihren Stopp.

US-Präsident Trump: "Mauern funktionieren und Mauern retten Leben"

Trump warnte vor "großen, organisierten Karawanen", die von Zentralamerika aus auf dem Weg in die USA seien. "Ich bitte Sie, unsere sehr gefährliche Südgrenze aus Liebe und Hingabe zu unseren Mitbürgern und unseres Landes zu schützen", sagte Trump. Republikaner und Demokraten müssten der "drängenden nationalen Krise" an der Grenze zu Mexiko mit vereinten Kräften entgegentreten.

"Mauern funktionieren und Mauern retten Leben", sagte Trump. "Ich werde sie gebaut bekommen." Es wurde aber auch deutlich, dass der US-Präsident inzwischen von seiner einstigen Forderung nach der Errichtung einer durchgehenden Mauer über die Distanz von 2000 Meilen weit abgerückt ist. Er sprach von Zäunen, die dort errichtet werden sollen wo nötig.

Trump fordert dafür vom Kongress 5,7 Milliarden Dollar. Die Demokraten, auf deren Stimmen im Kongress Trump angewiesen ist, lehnen die Finanzierung strikt ab.

Die Mauer stand im Zentrum eines Haushaltsstreits, der über fünf Wochen hinweg zum Stillstand von Teilen der US-Regierung führte. Wegen des längsten "Shutdowns" der US-Geschichte zwang die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, Trump dazu, seine Rede zu verschieben. Die Ansprache des Präsidenten, die jedes Jahr Dutzende Millionen Amerikaner im Fernsehen verfolgen, war ursprünglich für Dienstag vergangener Woche geplant gewesen.

Trump-Gegnerin: Stärke durch Migranten statt durch Mauern

In der traditionellen Gegenrede wischte die Demokratin Stacey Abrams Trumps Argumente beiseite: "Amerika wird gestärkt durch die Anwesenheit von Migranten, nicht durch Mauern", sagte Abrams. Sie ist die erste Frau mit afro-amerikanischen Wurzeln, die die Gegenrede hielt. Abrams kritisierte Trump scharf für den teilweisen Stillstand der Regierung. Es sei eine Schande, mit dem Lebensunterhalt von Menschen politische Spiele zu spielen.

Auch viele andere Demokraten machten deutlich, dass Trump mit seinem Versuch, ohne größere eigene Zugeständnisse den politischen Gegner auf seine Seite zu ziehen, scheitern dürfte.

Der Parteichef der Demokraten, Tom Perez, sprach von einer "himmelschreiend spaltenden Agenda" Trumps. Unter anderem rief Trump beide Parteien zur Verabschiedung eines Gesetzes gegen späte Abtreibungen auf - und nutzte die Gelegenheit um dem Demokraten Ralph Northam vorzuwerfen, er habe mit seiner liberalen Sicht zur Abtreibung zur "Hinrichtung" von Babys aufgerufen.

US-Präsident Trump will Kim Ende Februar treffen

In der Außen- und Sicherheitspolitik will Trump den Versuch einer Einigung mit Nordkorea über die atomare Abrüstung der koreanischen Halbinsel fortsetzen und sich am 27. und 28. Februar in Vietnam erneut mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un treffen. Trump und Kim hatten sich im Juni vergangenen Jahres zu einem historischen Gipfel in Singapur zusammengefunden.

"Unsere Geiseln sind nach Hause gekommen, Nukleartests haben aufgehört und es hat 15 Monate lang keinen Raketenstart gegeben", sagte Trump. "Wenn ich nicht zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden wäre, wären wir meiner Meinung nach in einen großen Krieg mit Nordkorea verwickelt, mit potenziell Millionen getöteten Menschen." Es sei noch viel Arbeit zu tun, aber sein Verhältnis zu Kim sei gut.

Trump zu Afghanistan: "Große Nationen kämpfen keine endlosen Kriege"

In der Afghanistan-Politik hofft Trump auf Fortschritte in den Verhandlungen mit den radikalislamischen Taliban. "Ich habe auch unsere Verhandlungen beschleunigt, um - wenn möglich - eine politische Lösung in Afghanistan zu finden", sagte Trump. "Große Nationen kämpfen keine endlosen Kriege", sagte der Präsident mit Blick auf den 18 Jahre währenden Afghanistan-Einsatz.

"Indem wir Fortschritte bei diesen Verhandlungen erzielen, werden wir in der Lage sein, unsere Truppenpräsenz zu reduzieren und uns auf Terrorismusbekämpfung zu konzentrieren." Zuvor hatte es Spekulationen gegeben, Trump könnte sogar einen abrupten Abzug der US-Soldaten vom Hindukusch im Schilde führen.

Trump verteidigt Ausstieg aus INF-Vertrag

Der Präsident machte erneut deutlich, dass er die US-Soldaten aus Syrien abziehen werde. "Während wir mit unseren Verbündeten daran arbeiten, die Überreste von Isis (der Terrormiliz Islamischer Staat) zu zerstören, ist es an der Zeit, unseren tapferen Kriegern ein warmes Willkommen zuhause zu bereiten." Einen Zeitplan für den von ihm kurz vor Weihnachten angekündigten Abzug aus Syrien legte er nicht vor.

Außenpolitisch wiederholte Trump ansonsten altbekannte Positionen. Er will den Iran genau beobachten, weil die Regierung in Teheran Amerika den Tod wünsche und Israel bedrohe. Er erneuerte seine Unterstützung für die venezolanische Opposition um den Gegenpräsidenten Juan Guaidó, den die USA und inzwischen viele weitere Länder als den legitimen politischen Führer in dem lateinamerikanischen Land anerkennen. Und er verteidigte erneut den Ausstieg der Amerikaner aus dem Atomabrüstungsvertrag INF.

Die USA hätten sich an das Abkommen gehalten, das Russland wiederholt verletzt habe. "Vielleicht können wir einen anderen Vertrag aushandeln, China und andere hinzufügend, oder vielleicht können wir das nicht." Trump fügte hinzu: "Unter meiner Regierung werden wir uns niemals dafür entschuldigen, Amerikas Interessen voranzubringen."

Trump kritisiert Ermittlungen gegen ihn

Der US-Präsident bekräftigte sein Lob auf die US-Wirtschaft. "In den Vereinigten Staaten findet ein Wirtschaftswunder statt - und das Einzige, was es aufhalten kann, sind dumme Kriege, Politik oder lächerliche, parteiliche Ermittlungen", sagte Trump. "Wenn es Frieden und Gesetze geben soll, kann es keinen Krieg und keine Ermittlungen geben. Das funktioniert einfach nicht!", fügte er hinzu.

Mit der Kritik zielte Trump offensichtlich auf die staatlichen und überparteiischen Untersuchungen zur Russland-Affäre ab, die sein eigenes Justizministerium angestoßen hatte.

Mehrere Ausschüsse im Kongress beschäftigen sich mittlerweile mit der Frage, ob es bei den mutmaßlichen russischen Einflussversuchen auf die US-Präsidentschaftswahl 2016 geheime Absprachen zwischen Trumps Wahlkampflager und Vertretern Moskaus gab.

Eine Aussage Trumps erzeugt Jubel unter Demokratinnen

Die Rede Trumps war gespickt mit emotionsgeladenen Auftritten von Gästen, die an den Patriotismus der Amerikaner appellieren und die Größe der Nation sowie die Erfolge Trumpscher Politik dokumentieren sollten. So war nicht nur der letzte lebende Mondfahrer Buzz Aldrin im Saal des Kongresses, sondern auch ein zehnjähriges Mädchen, das erfolgreich gegen den Krebs kämpfte sowie Weltkriegsveteranen. Mit dem Auftritt einer nach 22 Jahren Haft wegen Drogendelikten von Trump begnadigten Frau stützte er seine Politik im Strafvollzug.

Viele Frauen auf demokratischer Seite setzten mit ihrer Kleidung ein Zeichen - sie traten ganz in Weiß auf - darunter auch die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi und die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez.

In einem seltenen Moment der Eintracht hat Trump Jubel und Zustimmung von Politikerinnen der Demokraten geerntet. Niemand habe mehr von der florierenden Wirtschaft profitiert als Frauen, erklärte er.

Etliche Abgeordnete der Demokraten sprangen daraufhin von ihren Sitzen auf und klatschten - womit sie ganz offensichtlich sich selbst feierten. Bei der Kongresswahl im vergangenen November war einer Rekordzahl von Frauen der Einzug ins Repräsentantenhaus gelungen. 102 Frauen sitzen nun dort - das entspricht fast einem Viertel aller Abgeordneten, mehr als je zuvor. 89 der Frauen gehören zu den Demokraten, nur 13 zu den Republikanern. (hub/dpa)

Donald Trump

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