Historiker nennen ihn die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts": Der Erste Weltkrieg kostete etwa 17 Millionen Menschen das Leben, er erschütterte die politische Ordnung der beteiligten Staaten und zog weitere grausame Konflikte nach sich. Welche Schritte den Kontinent ins Verderben führten.

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Das Attentat von Sarajevo

Die Sonne schien, die Menschen am Straßenrand jubelten ihm zu – der 28. Juni 1914 sah nach einem guten Tag aus für Franz Ferdinand. Der österreich-ungarische Thronfolger war mit seiner Frau Sophie zu Besuch in Sarajevo. Er sollte das Ansehen des Herrscherhauses in der vor ein paar Jahren annektierten Region aufbessern. Was er nicht ahnte: Unter die jubelnde Menge hatten sich mehrere Attentäter gemischt, eifrige Nationalisten, die für ein unabhängiges Großserbien kämpften.

Als der Autocorso des Thronfolgers vorbeifährt, wirft einer von ihnen eine Bombe, die Franz Ferdinand knapp verfehlt. Sie prallt von seinem Wagen ab und verletzt den Oberst im Auto hinter ihm leicht. Ein Schock, doch nach einem Stopp im Rathaus entscheidet Franz Ferdinand, den Besuch nicht abzubrechen. Er will den Verletzten im Krankenhaus besuchen – eine verhängnisvolle Entscheidung. Als der Chauffeur das Auto wenden will, tritt der 19-jährige Gavrilo Princip zwischen den Leuten hervor und feuert auf den Thronfolger. Sophie trifft er in den Unterleib, Franz Ferdinand in den Hals – die Helfer vor Ort können sie nicht mehr retten.

Das Pulverfass Europa

Diese beiden Schüsse gelten als Auslöser des Ersten Weltkriegs, der "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts", wie einige Historiker ihn nennen. Sie waren nicht die Ursache des Krieges, aber der entscheidende Funke. Der Konflikt zwischen den europäischen Großmächten hatte sich bereits vorher angebahnt. Frankreich, Russland und Großbritannien nahmen Deutschland zunehmend als Bedrohung wahr. Vorsorglich schlossen sie ein Militärbündnis, die "Triple Entente". Tatsächlich dachten die Deutschen über einen Präventivkrieg gegen die anderen Mächte nach: Man wollte verhindern, dass sie zu stark werden. Auf dem Balkan überschnitten sich zudem die Interessen Russlands und Österreich-Ungarns. In Wien drängte ein Teil des Generalstabs darauf, die Autorität auf dem Balkan durch einen Krieg wiederherzustellen.

In diese aufgeheizte Stimmung fiel die Ermordung des österreich-ungarischen Thronfolgers. Die Kriegstreiber in Deutschland und Österreich-Ungarn sahen ihre Zeit gekommen. In der sogenannten Juli-Krise spitzten sich die Ereignisse nach dem Attentat zu. Die Verantwortlichen in Wien warfen der serbischen Regierung vor, von dem Anschlag gewusst zu haben – und wollten sie dafür büßen lassen. Deutschland versicherte Österreich-Ungarn die Bündnistreue und volle Unterstützung – das sollte Russland abschrecken, das sich als Schutzmacht Serbiens verstand. Mit diesem "Blankoscheck" Deutschlands im Rücken stellte Österreich-Ungarn Serbien ein unakzeptables Ultimatum und erklärte am 28. Juli dem Land den Krieg. Die Katastrophe nahm ihren Lauf.

Der große Krieg bricht aus

Deutschland und Österreich-Ungarn hatten die Lage falsch eingeschätzt: Der Plan, einen regional begrenzten Krieg zu führen, ging nicht auf. Nach den ersten Schüssen auf Belgrad, machte Russland seine Truppen mobil. Daraufhin erklärte Deutschland Moskau am 1. August den Krieg. Damit katapultierte sich das Land in einen teuflischen Kreislauf. Verhängnisvoll war vor allem das Beharren auf den sogenannten "Schlieffen-Plan". Der sah im Fall eines drohenden Zwei-Fronten-Kriegs vor, zunächst Frankreich zu besiegen während Russland noch mit der Mobilmachung beschäftigt ist und anschließend alle Truppen an der Ostfront zu bündeln.

An diesem Plan hielt Deutschland fest und erklärte Frankreich am 3. August den Krieg. Das Problem: Um Frankreich wie vorgesehen in die Zange nehmen zu können, war ein Einmarsch deutscher Truppen in das neutrale Belgien nötig. Das wiederum rief Großbritannien auf den Plan. Die Briten forderten Deutschland zum sofortigen Rückzug der Truppen auf. Als die Deutschen das Ultimatum ignorieren, erklärt Großbritannien ihnen am 4. August den Krieg. Innerhalb weniger Tage waren sämtliche Großmächte des Kontinents in einen Konflikt gezogen worden, dessen schnelles Ende immer unwahrscheinlicher wurde.

Zunächst schien der Plan Deutschlands aufzugehen: Die deutsche Armee rückte erfolgreich über Belgien nach Nordfrankreich vor. Anfang September stand sie nur noch wenige Kilometer von Paris entfernt. Dann jedoch starteten die Franzosen und die Briten am 6. September eine gemeinsame Gegenoffensive. Die französische Hauptstadt sollte unter keinen Umständen fallen. Den Alliierten gelang es, eine Lücke in die deutsche Front zu schlagen. Drei Tage nach Beginn der Offensive gab der deutsche Generalstabschef Helmuth von Moltke schließlich den Befehl zum Abbruch, die deutschen Truppen zogen sich daraufhin mehrere Dutzend Kilometer zurück.

Die "Schlacht an der Marne" wurde zum ersten wichtigen Wendepunkt des Ersten Weltkriegs: Der Rückzug der deutschen Armee bedeutete das Scheitern des Schlieffen-Plans. Statt Frankreich schnell in die Knie zu zwingen, entwickelte sich an der Westfront ein Stellungskrieg, der in den nächsten drei Jahren Millionen Menschen das Leben kosten und ganze Landstriche verwüsten sollte.

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