• Dass die Corona-Pandemie mit den derzeit verfügbaren Impfstoffen beendet werden kann, dieser Plan wird wohl nicht aufgehen.
  • Weltweit werden deshalb neue Medikamente und Impfstoffe entwickelt. Was macht die Bundesregierung?

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Eins vornweg: Die Wunderpille gegen COVID-19 gibt es noch nicht. Das einzige bislang in Europa zugelassene Mittel heißt Veklury und basiert auf dem Wirkstoff Remdisivir.

Das Medikament erhielt am 3. Juli 2020 eine bedingte Genehmigung durch die EU-Kommission. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Berlin wurden daraufhin rund 156.000 Durchstechflaschen für Deutschland zentral beschafft.

Veklury wird für die Behandlung von COVID-19 bei Patienten mit einer Lungenentzündung eingesetzt, die eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen. Allerdings war die Wirkung bei einer schweren Erkrankung geringer als erhofft. Mittlerweile hat sich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen den Einsatz von Remdisivir ausgesprochen.

Welche Medikamente ebenfalls gekauft wurden

Veklury ist nicht das einzige Medikament, auf das die Bundesregierung gesetzt hat. Zu Anfang dieses Jahres wurden außerdem drei Antikörper-Präparate bestellt. "Für sie lagen zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung Notfallzulassungen in den USA vor", erklärt Sebastian Gülde, Pressereferent des Gesundheitsministeriums, auf unsere Anfrage. Die vorgelegten Daten zum erwartbaren Nutzen-Risiko-Verhältnisses seien ebenfalls gut gewesen.

Konkret handelt es sich um die Medikamente Bamlanivimab, das auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump bekommen haben soll, sowie Casirivimab und Imdevimab. Insgesamt wurden laut Gesundheitsministerium 190.000 Anwendungen bezogen.

Mittlerweile weiß man: Die relativ teuren Antikörper-Präparate helfen ebenfalls wenig bei schweren Verläufen. Zudem hat die US-Arznei­mittel­behörde wegen der Zunahme von resistenten Virus-Varianten entschieden, dem Medikament Bamlanivimab die Zulassung für eine Mono­therapie zu entziehen. Bamlanivimab darf aber weiterhin in Kombination mit anderen Wirkstoffen eingesetzt werden.

Antikörper-Präparate nicht immer sinnvoll

Den Kauf der Medikamente hält der Pharma-Experte Theo Dingermann für voreilig. Generell sei es besser, auf abschließende Ergebnisse aus klinischen Studien oder auf die Entscheidungen der Zulassungsbehörden zu warten.

"Die Antikörper sind eigentlich gar nicht so schlecht. Sie können aber nur wirken, wenn sie frühzeitig eingesetzt werden", sagt der Senior-Professor vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Uni Frankfurt. Die Antikörper seien allerdings für schwere Verläufe gekauft wurden. "Aber wenn sie bei schweren Verläufen eingesetzt werden, ist es zu spät, weil die eigentlichen Corona-Viren dann nicht mehr das Problem sind."

Zum Hintergrund: Normalerweise ist COVID-19 eine selbstlimitierende Erkrankung - nach 14 Tagen ist alles vorbei. "Bei den meisten Menschen kommt das Immunsystem gut damit klar. In einigen Fällen aber nicht", erklärt Dingermann. Bei diesen Patienten entsteht der schwere Krankheitsverlauf durch das überreagierende Immunsystem nach der Infektion.

Etwa sechs bis zehn Tage nach der Ansteckung beginnt bei Patienten mit schweren Krankheitsverläufen die Phase der Immun-Dysregulation, bei der es zu unkontrollierten Überreaktionen des Immunsystems kommt.

Was in den Kliniken zum Einsatz kommt

Auf den Intensivstationen in Deutschland werden zur Behandlung von COVID-19 Medikamente eingesetzt, die nicht spezifisch für die Krankheit entwickelt wurden. Zur Linderung werden Entzündungshemmer wie vor allem Kortisonpräparate verwendet. Insbesondere komme Dexamethason zum Einsatz, erklärt Dr. Thomas Grünewald, Leiter der Klinik für Infektions- und Tropenmedizin am Klinikum Chemnitz.

Eine Behandlung mit Kortikoiden könne den Verlauf einer schweren Erkrankung abmildern und Leben retten. Ansonsten erfolge überwiegend eine Behandlung der Organstörungen, hier insbesondere bei Lunge, Niere und bei der Gerinnung, so Grünewald.

USA sichern sich neues Medikament

Weltweit wird an spezifischen COVID-19-Medikamenten geforscht und einige Staaten sichern sich bereits Kontingente. So haben sich die USA beim US-Pharmakonzern Merck & Co für 1,2 Milliarden Dollar Zusagen für Molnupiravir gesichert. Bei diesem in Tablettenform verabreichten Medikament handelt es sich um einen sogenannten Polymerasen-Hemmer. Damit soll ein bestimmtes Enzym blockiert werden, das Viren zur Vermehrung benötigen.

Die Bundesregierung ist gegenwärtig etwas vorsichtiger geworden. "Weitere zentrale Beschaffungen von Arzneimitteln durch den Bund im Rahmen der COVID-19-Pandemie sind derzeit aufgrund der sinkenden Infektionszahlen und der stetig voranschreitenden Impfkampagne zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen", erklärt Pressereferent Gülde.

Diese Entscheidung hält Theo Dingermann nicht für falsch. "Der Kauf von noch nicht abschließend getesteten Medikamente ist ein Hochrisiko-Investment. Es ist wie beim Spekulieren mit Aktien", sagt er.

Falls die Wirkung dennoch nachgewiesen werden könne, würde das Medikament auch schnell zur Verfügung stehen. "Wir sind jetzt seit einem Jahr mit Corona konfrontiert, dann kommt es auf einige Monate nicht mehr darauf an, weil wir auf der anderen Seiten auch erfolgreich impfen", sagt Dingermann.

Verkürzung der Impfabstände wegen Delta-Variante? - Stiko-Leiter: "Die Frage ist nicht trivial"

Auch in Deutschland verbreitet sich die Corona-Variante Delta. Nun wird darüber diskutiert, die Impfabstände aufgrund dessen zu verkürzen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) befasst sich bereits mit der Thematik.

Deutschland setzt auf Forschung

Das heißt aber nicht, dass Deutschland untätig ist. Stattdessen wurde von der Bundesregierung ein 300 Millionen Euro schweres Förderprogramm aufgelegt. Außerdem ist Deutschland in europäische Forschungsprogramme eingebunden. Und hier gibt es konkrete Ziele: Wie Sebastian Gülde erklärt, sei die EU-Kommission bestrebt, dass bis Oktober 2021 drei neue Arzneimittel und bis Ende des Jahres zwei weitere Medikamente zur Verfügung stehen.

Aber warum ist es sinnvoll, so viel Geld in die Forschung neuer Medikamente zu stecken, wenn doch die Infektionszahlen sinken und mittlerweile relativ schnell geimpft wird?

Eine Erklärung dafür liefert Adrian Schomburg von der Münchner Bio-Techfirma Eisbach Bio, die von den Forschungsgeldern profitiert. „Die bisherige Herangehensweise war viel zu einseitig", sagte der Wissenschaftler in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und konkretisiert, dass die Bundesregierung die Entwicklung natürlicher Medikamente bislang vernachlässigt habe.

Statt die ganze Weltbevölkerung zweimal pro Jahr zu immunisieren, sei es einfacher, die Erkrankten mit erfolgreichen Therapien zu behandeln. "Das ist nur ein Bruchteil der Weltbevölkerung von 8 Milliarden Menschen. Bis heute erkrankten weltweit rund 168 Millionen Menschen an COVID-19", sagt Adrian Schomburg. All diese Menschen mit Tabletten zu versorgen, die keiner Kühlung bedürfen, sei leichter zu bewerkstelligen als die Impfung.

Neue Entwicklungen bei den Impfstoffen

Aber auch bei den Impfstoffen wird nach Alternativen geforscht. Denn die bisher zugelassenen Vakzine von Biontech/Pfizer, Astrazeneca, Moderna und Johnson & Johnson verhindern zwar einen schweren Verlauf der Krankheit, aber weniger eine Infektion.

Warum das so ist, erklärt Theo Dingermann mit der Wirkungsweise verschiedener Antikörper. Demnach lösen die aktuellen Vakzine vor allem die Bildung von Ig-G-Antikörpern im Blut aus. Diese werden aktiv, sobald die Viren den unteren Atemtrakt erreichen. Ein schwerer Verlauf von COVID-19 kann mit IG-G-Antikörpern wirksam bekämpft werden.

Allerdings fördern die in den Muskel gespritzten Impfstoffe weniger oder nur kurzzeitig die Bildung von Ig-A-Antikörpern. "Aber diese Antikörper können die Viren bereits bei der Übertragung angreifen, weil sie auf den Schleimhäuten des oberen Atemtrakts in Nase und im Rachenraum sitzen", verdeutlicht Dingermann.

Impfstoffe, die auf die Bildung von IG-A-Antikörpern abzielen, werden nicht per Spritze in den Oberarm, sondern durch ein Nasenspray verabreicht. Der Impfstoff wirkt dann direkt auf der Schleimhaut, wo die Antikörper gebildet werden. In den USA hat beispielsweise das Unternehmen Altimmune mit klinischen Tests seines Vakzins begonnen. Auch die britisch-schwedische Firma Astrazeneca arbeitet an solchen nasalen Impfstoffen.

Vorbestellt werden auch diese neuen Vakzine von der Bundesregierung derzeit nicht. Neue Impfstoffe dürften erst zum Einsatz kommen, wenn deren Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit durch ein behördliches Zulassungsverfahren geprüft und festgestellt worden sind, erklärt Pressereferent Gülde. "Insoweit bleibt die Erteilung weiterer Zulassungen abzuwarten."

Verwendete Quellen:

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