• Pubertätsblocker sind ein Thema, das nur wenige betrifft, doch sie werden gerade heiß diskutiert.
  • Auslöser: Eine Passage auf einem Portal des Familienministeriums, die nach scharfer Kritik geändert wurde.
  • Wann Ärzte das Medikament verschreiben und welche Gefahren es birgt.

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Das Thema wird heiß diskutiert, obwohl nur wenige davon betroffen sind: Pubertätsblocker. Von den Gegnern werden diese Medikamente als Auswuchs einer aus ihrer Sicht gefährlichen Modeerscheinung gesehen, von den Befürworten als legitime Möglichkeit, Kindern in einer Krise Leid zu ersparen.

Im Kern geht es dabei um sogenannte Geschlechtsdysphorie, also um Menschen, die ihr biologisches Geschlecht als falsch empfinden und darunter leiden. Für Kinder gibt es in dieser Situation die Möglichkeit, die Pubertät hinauszuschieben. Ziel ist es, "ihnen mehr Zeit zu geben für die Entscheidungsphase", wie Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, erklärt.

Sogenannte GnRH-Analoga sind synthetisch hergestellte Substanzen, die den Geschlechtshormonen ähnlich sind. Sie blockieren die Bindungsstellen des körpereigenen GnRH und verhindern so, dass die Eierstöcke oder Hoden die jeweiligen Geschlechtshormone bilden.

Laut dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte werden diese Präparate "sehr selten" verschrieben. Verordnungszahlen von Apothekern oder Krankenkassen scheint es nicht zu geben. Den Vorwurf, Ärzte würden Pubertätsblocker zu schnell verschreiben, will Maske nicht stehen lassen: "Ich glaube, dass das sehr gewissenhaft verordnet wird", sagte Maske der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Diese Entscheidung fällt im Team mit dem Kind, den Eltern und mindestens zwei Ärzten verschiedener Fachrichtungen. Ich glaube nicht, dass das leichtfertig geschieht."

Kontroverse um Passage auf "Regenbogenportal"

Das Thema hatte vor einigen Wochen eine politische Kontroverse entfacht: Vertreter von CDU und AfD kritisierten Informationen auf einer Website des Bundesfamilienministeriums ("Regenbogenportal") als zu unkritisch. Auf dem Portal hatte es unter anderem geheißen: "Bist du noch sehr jung? Und bist du noch nicht in der Pubertät? Dann kannst du Pubertätsblocker nehmen. (...) Diese Medikamente sorgen dafür, dass du nicht in die Pubertät kommst." Der Körper entwickle sich erst mal nicht weiter: "Weder in Richtung Frau. Noch in Richtung Mann. So hast du mehr Zeit zum Nachdenken. Und du kannst in Ruhe überlegen: Welcher Körper passt zu mir?"

Das Ministerium betonte damals, der Beitrag zu Pubertätsblockern sei seit Jahren online. Nach der Kritik wurde die Passage allerdings geändert. Nun heißt es dort: "Bist du noch sehr jung? Und bist du noch nicht in der Pubertät? So kannst du deinen Arzt/deine Ärztin fragen, ob dir Pubertätsblocker vielleicht helfen könnten."

"Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung diese Medikamente empfiehlt wie Hustenbonbons", kritisierte damals etwa die Ex-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Das Ministerium stellte nach dem Proteststurm allerdings klar: "Die Bundesregierung empfiehlt nicht die Einnahme von Pubertätsblockern." Diese sollten nur "nach sorgfältiger medizinischer Indikation auf Grundlage von wissenschaftlichen Leitlinien von Fachärztinnen und -ärzten verschrieben werden".

Pubertätsblocker: Einfluss auf Wachstum, Stimmung, Libido

Auch Jakob Maske betont, dass Pubertätsblocker nicht ungefährlich sind. Eine Nebenwirkung sei zum Beispiel, dass das Wachstum gehemmt werde. Die Wirkung der Pubertätsblocker ist reversibel - wenn man sie absetzt, beginnt die Geschlechtsreife. "Das Wachstum ist aber unter Umständen nicht wieder aufholbar."

Die Medikamente könnten sich auch auf die Stimmung, den Kreislauf und auf die Libido auswirken, sagt Maske. Letzteres sei "kontraproduktiv", wenn der Wunsch sei, dass das Kind durch die längere Bedenkzeit doch das biologische Geschlecht akzeptiere. Wenn kein sexuelles Interesse am anderen Geschlecht vorhanden sei, fühle sich das Kind eher bestätigt, dem falschen Geschlecht anzugehören.

Dass Jugendliche, die ihre Pubertät mit Medikamenten unterbrachen, danach das biologische Geschlecht behalten wollen, scheint die Ausnahme: Eine Studie aus den Niederlanden, die im Oktober in "The Lancet Child & Adolescent Health Journal" publiziert wurde, lässt das Gegenteil vermuten: 704 von 720 Jugendlichen, die Pubertätsblocker eingenommen hatten, nahmen als Erwachsene Hormone ein, die ihr Geschlecht veränderten.

Spricht das nun dafür, dass Pubertätsblocker nur diejenigen bekamen, die sie wirklich brauchten? Oder haben die Pubertätsblocker einen Weg geebnet, den die Kinder ohne diese Medikamente nicht beschritten hätten? Die Hauptautorin der niederländischen Studie sagt dazu: Die überwiegende Mehrheit verwende weiterhin Hormone zur Geschlechtsanpassung, "was im Kontext der wachsenden öffentlichen Besorgnis über das Bedauern von Geschlechtsanpassung beruhigend ist", schreibt Marianne van der Loos von der Freien Universität Amsterdam.

Gender-Wechsel als Modethema? Wichtig ist Beratung

In den Niederlanden gibt es schon seit Ende der 1990er-Jahre ein Protokoll zur Behandlung juveniler Geschlechtsdysphorie. Nach einer "gründlichen Diagnostik", so van der Loos, bekommen die Jugendlichen zuerst Pubertätsblocker, um Zeit zu gewinnen und ihnen Belastungen zu ersparen. Ab 15 oder 16 Jahren können diejenigen, die weiterhin das Geschlecht wechseln wollen, mit einer dauerhaften Hormonbehandlung beginnen.

In anderen Ländern wie den USA oder Großbritannien werde versucht, den Einsatz von Pubertätsblockern und Hormonbehandlungen unter 18 Jahren einzuschränken oder zu verbieten, heißt es in dem Artikel. Dabei hätten Kurzzeitstudien "die positiven Auswirkungen einer Behandlung zur Unterdrückung der Pubertät auf die geistige und körperliche Gesundheit von Jugendlichen gezeigt". Allerdings fehlten Langzeitdaten.

Ob Gender-Wechsel nun ein Modethema ist oder sich mehr Betroffene an die Öffentlichkeit trauen, statt "lebenslang in der falschen Haut zu leben" - Kinderarzt Maske will das nicht entscheiden. Wichtiger ist ihm ein anderer Punkt: "Jedes Kind braucht eine individuelle Beratung vor Beginn einer solchen Therapie und muss dann engmaschig betreut werden." (Sandra Trauner, dpa/af)

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