Wo hört sachliche Information auf? Wo fängt Werbung an? Bei Schwangerschaftsabbrüchen ist das eine heikle Frage, die für Mediziner gefährlich werden kann. Aus der Ärzteschaft kommt nun ein Lösungsvorschlag.

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Im Streit über das Werbeverbot für Abtreibungen schlägt die Bundesärztekammer eine unabhängige Informationsplattform im Internet vor. "Hilfe für Menschen in Not: Das muss unser Ziel sein", sagte Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery am Dienstag beim Ärztetag in Erfurt.

Ein leicht zugängliches Portal könne Angaben zum Eingriff, zu gesetzlichen Bedingungen, Beratungsstellen und durchführenden Ärzten liefern. "Neutral, von einer unabhängigen Institution eingerichtet, mit einem gesetzlichen Auftrag abgesichert, könnte dies Rechtssicherheit für Ärzte und Frauen herstellen."

Spahn ist offen für Vorschläge

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigte sich offen für eine Bündelung von Informationen im Netz. Er betonte aber, die Gespräche innerhalb der Bundesregierung zu dem Thema liefen noch.

Union und SPD streiten seit längerem über den Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch. Dieser verbietet es, für Abtreibungen zu werben. Gegner der Regelung argumentieren, dass auch sachliche Informationen für ungewollt schwangere Frauen durch den Paragrafen verhindert würden. Die SPD will diesen daher reformieren oder abschaffen. In der Union gibt es dagegen aber große Vorbehalte. Zuletzt hatte die SPD den Koalitionspartner verärgert, als sie eine Frist bis Herbst für eine Einigung setzte und drohte, andernfalls mit "reformwilligen" Fraktionen oder Abgeordneten gemeinsame Sache machen.

Linke und Grüne attackieren Spahn

Mehrere Bundesminister - aus den Ressorts für Justiz, Gesundheit, Familie und dem Kanzleramt - suchen derzeit nach einer Lösung für den Konflikt. Spahn betonte im Deutschlandfunk, bislang gebe es noch kein Ergebnis. Sachliche Informationen solle es weiter geben. "Was ich aber definitiv nicht möchte ist, dass es Werbung geben kann für einen Schwangerschaftsabbruch."

Ein Informationsbedürfnis lasse sich auch dadurch stillen, "indem nicht der einzelne Arzt alle Informationen auf eine Homepage stellt - sondern etwa (...) an einer anderen Stelle gebündelt die Informationen zur Verfügung stehen", so wie es auch der Ärztepräsident vorgeschlagen habe.

Linke und Grüne attackierten Spahn. Linke-Chefin Katja Kipping kritisierte den Minister als "Chefzyniker" und sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Männer haben nicht über Schwangerschaften oder deren Abbrüche zu entscheiden, genauso wenig wie Herr Spahn den Maßstab für 'sachliche Informationen' definiert." Der Paragraf 219a müsse endlich abgeschafft werden.

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulle Schauws, sagte, Spahn gerate bei dem Thema in Erklärungsnot und könne selbst nicht wirklich abgrenzen, ab wann sachliche medizinische Informationen sogenannte Werbung sein sollten.

Für Aufsehen gesorgt hatte vor einigen Monaten die Verurteilung einer Ärztin aus Gießen, die auf ihrer Internetseite darauf hingewiesen hatte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.

Klare Verhältnisse nötig

Montgomery mahnte, eine Debatte über den Schwangerschaftsabbruch als solchen zu vermeiden. Nötig seien "klare Verhältnisse". Es könne nicht angehen, dass Menschen in einer Notlage in der heutigen Zeit nur schwerlich an Informationen, Beratungen und Adressen kämen.

Am Rande des Ärztetags demonstrierten etwa 40 Menschen für eine Abschaffung des Werbeverbots. Ärzte, Medizinstudenten und Vertreter des Verbands Pro Familia zogen vor das Tagungsgebäude. Auf Plakaten und Transparenten forderten sie ein Recht auf Informationen über Schwangerschaftsabbrüche für Frauen.  © dpa

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