Bei Marco Russ wurde ein Tumor diagnostiziert. Fußballdeutschland fühlt mit dem Verteidiger von Eintracht Frankfurt. Nur Raphael Schäfer und René Weiler griffen am Donnerstag in ihrer Wortwahl völlig daneben. Was der Trainer und der Torhüter des 1. FC Nürnberg sagten, ist eine Schande. Daran ändert auch ihre Entschuldigung nichts.

Ein Kommentar

Es waren Szenen, die zu Tränen rührten. Als die Partie zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Nürnberg beendet war, liefen die beiden Kinder von Marco Russ zu ihrem Papa aufs Feld. Der an einem Tumor erkrankte Spieler nahm den Nachwuchs an die Hand, lief in Richtung Fankurve.

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Der Innenverteidiger winkte ins Publikum. Er bedankte sich bei den Tausenden Zuschauern, die seinen Namen riefen, ihm diesen Moment schenkten und für einen Augenblick die Angst vor dem Abstieg in die 2. Bundesliga vergaßen. Und er verabschiedete sich auch von seinen Fans. Noch weiß niemand, wann und ob Russ wieder aufs Feld zurückkehren wird. Kommende Woche soll er operiert werden.

Gänsehaut und Entsetzen bei den Zuschauern

Während völlig unbeteiligte Zuschauer mit Gänsehaut vor dem Fernseher saßen, sorgte Nürnbergs Trainer René Weiler für einen Eklat, als er das Drama um Russ eine "Inszenierung" nannte, die im Fußball keinen Platz habe. Sein Torhüter Raphael Schäfer setzte noch einen drauf: "Ich glaube, wenn einer wirklich schwer krank ist, kann er kein Fußball spielen."

Es waren Aussagen, die für blankes Entsetzen sorgten. Eine Welle der Empörung schwappte durchs Netz.

Der Verein war anschließend um Schadensbegrenzung bemüht. Noch in der Nacht wurde eine Mitteilung verschickt, in der sich sowohl Schäfer als auch Weiler in aller Deutlichkeit entschuldigten.

Das jedoch ändert nichts an der Tatsache, dass die Interviews von Weiler und Schäfer eine Schande sind. Ihre Aussagen sind unter keinen Umständen damit schönzureden, dass ihnen "die Vorgänge nicht im Detail bekannt" waren, wie in der Mitteilung zu lesen war.

Was muss in den Köpfen zweier erwachsener Männer vorgehen, um auch nur auf die Idee zu kommen, dass ein Verein eine Tumor-Erkrankung eines Spielers künstlich in Szene setzen könnte? Wie wenig muss man von seinem sportlichen Gegner halten, um ihm vorzuwerfen, einen solch tragischen medizinischen Befund übertrieben darzustellen? Und vor allem: Wie wenig Anstand muss man haben, um nicht in der Lage sein zu können, einem erkrankten Menschen schlicht und einfach vor laufender Kamera gute Besserung zu wünschen?

Marco Russ wird am Montag nur Zuschauer sein

Die beiden Nürnberger wären gut beraten gewesen, ausnahmsweise einfach einmal den Mund zu halten. Stattdessen brachten sie neutrale Zuschauer gegen sich auf, die ansonsten in der Regel gerne dem Underdog die Daumen drücken.

Würde es einen Fußballgott geben, hätte er dafür gesorgt, dass Marco Russ am Montag im Relegationsrückspiel das entscheidende Tor für Eintracht Frankfurt schießt. Die zehnte gelbe Karte und die damit verbundene Sperre verhindert dieses Szenario allerdings.

Dass Russ trotz des Tumors überhaupt am Donnerstag auflief, dass er die Operation erst nach der Relegation durchführen lassen wollte, macht ihn zum Helden. Er bewies Größe, Einsatz, Kampfbereitschaft. Er zeigt, was einen Sportsmann ausmacht. Er ist ein Vorbild.

Kurz gesagt: Er ist all das, was Raphael Schäfer und René Weiler nicht (mehr) sind. Denn sie zeigten am Donnerstag ihr wahres Gesicht.

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